Kardinal Pell bewertet Aussage Beccius bei Korruptionsprozess als "unvollständig"

Kardinal George Pell im Interview mit EWTN News in Rom im Dezember 2020.
Daniel Ibanez / CNA Deutsch

Kardinal George Pell hat die jüngste – stundenlange – Aussage von Kardinal Angelo Becciu im Finanzprozess des Vatikans als "etwas unvollständig" bezeichnet und mehrere Fragen über das Finanzgebahren des Beschuldigten aufgeworfen. 

Pell, ehemaliger Wirtschaftspräfekt des Vatikans, weist vor allem auf das Fehlen von Beweisen für Zahlungen von mehr als 1,6 Millionen Dollar an "Neustar Australia" hin. Diese gingen an das Informationsdienstleistungsunternehmen in den Jahren 2017 und 2018.

Der Italiener Becciu, der von 2011 bis 2018 der zweithöchste Bedienstete im Staatssekretariat unter seinem Landsmann Pietro Parolin war, wurde am 5. Mai während einer Anhörung im Vatikanprozess zu Investitionen befragt. 

Becciu steht wegen des Vorwurfs der Veruntreuung, Amtsmissbrauchs und Zeugenbeeinflussung vor Gericht.

In seiner Erklärung vom 6. Mai erklärt Pell, dass Becciu mit seiner Aussage energisch "eine tadellose, untergeordnete Rolle in den vatikanischen Finanzen" verteidigt habe.

Als Präfekt des Wirtschaftssekretariats leitete Pell die von Papst Franziskus initiiierten Anstrenungen, endlich Ordnung und Rechenschaftspflicht in die vatikanischen Finanzen zu bringen, denen es lange Zeit an zentralisierten Verfahren, Kontrollen und Aufsicht mangelte.

Widerstand gegen diese Aufklärung kam vom mächtigen Staatssekretariat, dessen Geschäfte mit italienischen "Geschäftsmännern" nun auch die eigene Justiz beschäftigen.

So geriet der Australier Pell mit Becciu aneinander, der als Substitut des Staatssekretariats praktisch wie ein Stabschef des Papstes fungierte. Becciu setzte sich sogar dafür ein, einen von Pell abgeschlossenen Vertrag über eine externe Prüfung der vatikanischen Finanzen zu stoppen.

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Rätselhafte Zahlungen nach Australien

In Bezug auf Beccius nun getätigten Aussage vor Gericht sagt Pell, er wolle sich "auf Kardinal Beccius abschließende Bemerkungen zu den 2,3 Millionen AUD [1,6 Millionen Dollar] konzentrieren, die am 4.9.2015 an Neustar für die Internet-Domain '.catholic' gezahlt wurden. Wurde die Zahlung vom Rat für soziale Kommunikation oder vom Staatssekretariat geleistet? Die Einführung dieser Behauptung vertieft das Rätsel nur noch."

Pell fügt hinzu, dass Beccius Aussage vor Gericht von dem abweicht, was er ihm im Dezember 2020 gesagt hatte: "Dass der Bestimmungsort der Gelder vom Staatssekretariat nach Australien mich nichts anginge, aber dem Heiligen Vater bekannt sei."

Es sei unbestritten, so Pell, dass der Päpstliche Rat für die sozialen Kommunikationsmittel hohe Zahlungen an Neustar Australia und eine Domain-Namen-Registrierungsstelle "für die Reservierung des Titels 'katholisch' in den Jahren 2012, 2015, 2016, 2017 und 2018 geleistet hat."

"Zweifel werden natürlich durch Fakten, durch Beweise, nicht durch Behauptungen ausgeräumt. Leider habe ich keine Informationen über Zahlungen an Neustar Australia im Jahr 2015, die über die 150.000 USD hinausgehen, die der Rat für soziale Kommunikation als Anzahlung geleistet hat. Es war nicht meine übliche Praxis, Zahlungen des Staatssekretariats abzusegnen", betont Pell.

Der australische Prälat erklärt weiter: "Mein Interesse konzentriert sich auf vier Zahlungen im Wert von 2,3 Millionen AUD, die das Staatssekretariat 2017 und 2018 an Neustar Australia geleistet hat."

Laut Pell wurden zwei davon, im Wert von 874.000 Dollar, "von Monsignore Becciu am 17.5.2017 und 6.6.2018 genehmigt."

"Offensichtlich", schreibt Pell weiter, "sind dies andere Zahlungen als die vom 11.9.2015, die ich angeblich genehmigt habe. Was war der Zweck? Wohin ist das Geld für Neustar geflossen?"

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Pell stand zu dieser Zeit vor Gericht

Zu der Zeit, als diese Zahlungen getätigt wurden, wurde gegen Pell ermittelt - er stand damals wegen des Vorwurfs des sexuellen Missbrauchs in Australien vor Gericht. Diese Koinzidenz hat zu Spekulationen geführt, dass die Gelder in irgendeiner Weise mit dem Prozess gegen Pell in Verbindung standen. Pell wurde verurteilt, dann aber durch ein einstimmiges Urteil des High Court of Australia freigesprochen. 

Das Verfahren gegen Pell, das sich allein auf die Aussage eines vermeintlichen Opfers stützte, gilt nicht nur in australischen Kreisen als massiver Justiz-Skandal. Spekulationen, ob und wie Kreise im Vatikan sich des unliebsamen Auklärers aus Australien entledigen wollten, kursieren seit Jahren in Europa, Amerika und Ozeanien.

Kardinal Pell schreibt in seiner Erklärung nur, dass Beccius Aussage "die Ablehnung der päpstlich genehmigten Aufsichtsfunktion des neuen Rates und des Sekretariats für die Wirtschaft durch das Staatssekretariat nicht erklärte".

Pell wörtlich: "Er hat nicht erklärt, welche Rolle er bei der Entlassung der Wirtschaftsprüfer PriceWaterhouseCoopers und beim Rücktritt des Rechnungsprüfers Libero Milone gespielt hat, die beide beauftragt waren, die Finanzen des Staatssekretariats zu untersuchen. Seine bizarre Darstellung, wie das Staatssekretariat den gesamten Betrag des Peterspfennig ausgegeben hat ("Cosa mai restava quindi dell'Obolo? Niente!"), steht im Widerspruch zur offiziellen Werbung für den Fonds, zum Verständnis des katholischen Volkes und zu den jährlichen Finanzberichten des Vatikans", erklärt der australische Kardinal.

Pell fügt hinzu, dass die Diskussion über die APSA "irrelevant" sei, da sie "nie eine Aufsichtsfunktion beim Staatssekretariat für Finanzen hatte".

Der Kurienkardinal beendet seine Erklärung mit dem Hinweis, dass Wahrheit über die Frage, wie die vatikanischen Finanzen unter Becciu wirklich gehandhabt wurden, irgendwann ans Licht komme: "Wir werden sehen. Die Wahrheit ist die Tochter der Zeit."

Übersetzt und redigiert aus dem Original der CNA Deutsch-Schwesteragentur. 

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