Bratislava - Montag, 13. September 2021, 18:24 Uhr.
Papst Franziskus erinnerte am Montag an das große Leid, das die jüdische Gemeinde in der Slowakei während des Holocausts ertragen musste, und ermutigte Juden und Christen, Gewalt und Antisemitismus gemeinsam zu verurteilen.
"Liebe Brüder und Schwestern, eure Geschichte ist unsere Geschichte, eure Leiden sind unsere Leiden", sagte der Papst am 13. September in der slowakischen Hauptstadt Pressburg vor der jüdischen Gemeinde.
"Jetzt ist die Zeit gekommen, in der das Bild Gottes, das in der Menschheit aufleuchtet, nicht länger verdunkelt werden darf. Lasst uns einander in diesem Bemühen helfen", sagte er.
Franziskus betonte, dass "auch in unserer Zeit so viele leere und falsche Götzen den Namen des Allerhöchsten entehren: die Götzen der Macht und des Geldes, die über die Menschenwürde herrschen; ein Geist der Gleichgültigkeit, der wegschaut; und Formen der Manipulation, die die Religion in den Dienst der Macht stellen oder sie zur Bedeutungslosigkeit reduzieren wollen."
"Aber auch Vergessenheit der Vergangenheit, Ignoranz, die bereit ist, alles zu rechtfertigen, Wut und Hass", fügte er hinzu.
"Ich wiederhole: Lasst uns gemeinsam alle Gewalt und jede Form von Antisemitismus verurteilen und uns dafür einsetzen, dass das Bild Gottes, das in der von ihm geschaffenen Menschheit gegenwärtig ist, niemals entweiht wird."
Papst Franziskus traf rund 180 Mitglieder der jüdischen Gemeinde auf dem Rybné-Platz, der sich nördlich der Donau in der Altstadt von Bratislava befindet. Der Platz war Teil des ehemaligen jüdischen Viertels der Stadt.
In Bratislava gab es jahrhundertelang eine große jüdische Minderheit; die erste Erwähnung der jüdischen Gemeinde in der Stadt stammt aus dem Jahr 1251.
Im Jahr 1930 lebten 15.000 Juden in Bratislava, das damals eine Gesamtbevölkerung von 120.000 hatte. In den späten 1930er Jahren wurde die Gemeinde durch antisemitische Ausschreitungen und Angriffe auf Synagogen bedroht. Auch der im März 1939 gegründete slowakische Staat führte diskriminierende Maßnahmen gegen die jüdische Minderheit ein.
Während des Zweiten Weltkriegs wurden fast alle Juden aus Bratislava in Konzentrations- oder Arbeitslager deportiert. Von den etwa 15.000 Juden, die damals in der Stadt lebten, wurden etwa 11.500 im Holocaust ermordet. Heute leben etwa 500 Juden in Pressburg.
Papst Franziskus sagte der jüdischen Gemeinde, er sei zum Rybné-Platz "als Pilger gekommen, um diesen Ort zu besuchen und sich von ihm bewegen zu lassen."
"Jahrhunderte lang war [der Platz] Teil des jüdischen Viertels. Hier wirkte der berühmte Rabbiner Chatam Sofer. Hier stand eine Synagoge neben der Krönungskathedrale", sagte er und fügte hinzu, dass der architektonische Rahmen "ein Ausdruck der friedlichen Koexistenz" der jüdischen und christlichen Gemeinden sei, "und ein eindrucksvolles Zeichen der Einheit im Namen des Gottes unserer Väter".
"In späteren Zeiten wurde der Name Gottes jedoch entehrt: In einem Rausch des Hasses wurden während des Zweiten Weltkriegs mehr als 100.000 slowakische Juden getötet. In dem Bemühen, jede Spur der Gemeinschaft zu beseitigen, wurde die Synagoge zerstört", so der Papst.
Zu Beginn der Begegnung hörte Franziskus das Zeugnis eines der rund 3.500 Holocaust-Überlebenden aus der Slowakei, des 79-jährigen Professors Tomáš Lang.
Lang, der im Mai 1942 geboren wurde, wurde von Krankenschwestern vor dem Holocaust gerettet, die ihn und andere Kinder in einer Krankenstation versteckten, nachdem sein Vater im Kampf in der Ukraine und seine Mutter auf einem Todesmarsch in Deutschland ums Leben gekommen waren.
Die Krankenschwestern schrieben die Namen ansteckender Krankheiten an die Türen der Krankenstationen, um bewaffnete Männer vom Eindringen abzuhalten. Das Krankenhaus wurde später bombardiert und nur 15 Kinder und eine Krankenschwester überlebten.
Lang, der nach eigenen Angaben seit 55 Jahren verheiratet ist und zwei Kinder und sechs Enkelkinder hat, erklärte, es habe ihm immer leid getan, dass er die Krankenschwester nicht finden konnte, um ihr zu danken.
"Ich gehöre zu der Generation, die dank mutiger Männer überlebt hat, die vor dem Bösen nicht kapituliert haben und uns unter Einsatz ihres Lebens bis zur Befreiung versteckt haben", sagte er. "In den letzten 20 Jahren habe ich mich der Geschichte der Shoah in der Südslowakei gewidmet. Ich schreibe ein Mahnmal für die Zukunft, damit sich die Vergangenheit nie mehr wiederholt."
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Die Ursulinen-Nonne Sr. Samuela sprach ebenfalls auf der Veranstaltung. Sie erzählte, wie es der Schwesternkongregation gelang, jüdische Kinder und Erwachsene in der Slowakei zu verstecken und ihnen das Leben zu retten.
"Wir sind dankbar, dass unsere Schwestern - die die Heiligkeit jedes menschlichen Wesens, das nach dem Bild Gottes geschaffen wurde, erkannt haben - die Gnade hatten, etwas zu tun, um das Leben dieser Menschen zu retten", sagte sie.
Franziskus verwies auf das Holocaust-Mahnmal, das 1996 an der Stelle einer 1969 zerstörten Synagoge errichtet wurde. Die schwarze Wand mit der Silhouette der Synagoge ist mit den hebräischen und slowakischen Worten für "erinnern" beschriftet: "Zachor" und "Pamätaj".
"Für einige von Ihnen ist diese Gedenkstätte der Shoah der einzige Ort, an dem Sie das Andenken an Ihre Angehörigen ehren können. Darin schließe ich mich Ihnen an", sagte er. "Die Erinnerung kann und darf nicht dem Vergessen weichen, denn es wird keine dauerhafte Dämmerung der Brüderlichkeit geben, wenn wir nicht zuvor die Dunkelheit der Nacht geteilt und vertrieben haben".
"Dieser Platz", so fuhr er fort, "ist auch ein Ort, an dem das Licht der Hoffnung erstrahlt. Jedes Jahr kommen Sie während Chanukka hierher, um die erste Lampe an der Menora anzuzünden. Die Dunkelheit wird durch die Botschaft vertrieben, dass nicht Zerstörung und Tod das letzte Wort haben, sondern Erneuerung und Leben."
Der Papst erinnerte an ein Treffen zwischen Mitgliedern der jüdischen und christlichen Gemeinden der Slowakei im Jahr 2017 in Rom, nach dem eine Kommission für den Dialog mit der katholischen Kirche eingerichtet wurde.
Er dankte ihnen für ihren Dialog mit den Christen und sagte: "Es ist gut, die Dinge, die uns verbinden, zu teilen und bekannt zu machen. Und es ist gut, in Wahrheit und Ehrlichkeit auf dem brüderlichen Weg der Reinigung des Gedächtnisses voranzuschreiten, die Wunden der Vergangenheit zu heilen und sich an das empfangene und angebotene Gute zu erinnern."
"Unsere Welt braucht offene Türen. Sie sind Zeichen des Segens für die Menschheit", fügte er hinzu.
"Hier in der Slowakei, einem Land der Begegnung zwischen Ost und West, Nord und Süd, möge die Familie der Kinder Israels weiterhin diese Berufung pflegen, die Aufforderung, ein Zeichen des Segens für alle Familien der Erde zu sein. Der Segen des Allerhöchsten wird über uns ausgegossen, wann immer er eine Familie von Brüdern und Schwestern sieht, die sich gegenseitig respektieren und lieben und zusammenarbeiten".
"Möge der Allmächtige euch segnen, damit ihr inmitten all des Unfriedens, der unsere Welt verunreinigt, immer gemeinsam Zeugen des Friedens sein könnt. Shalom!", schloss er.
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Übersetzt und redigiert aus dem Original der CNA Deutsch-Schwesteragentur.