Bonn, 16 September, 2021 / 8:44 AM
In der Diskussion über die Entscheidung von Papst Franziskus, den Amtsverzicht des Hamburger Erzbischofs Stefan Heße nicht anzunehmen, hat sich gestern nicht nur der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, sondern auch das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) zu Wort gemeldet.
Während Bätzing "dankbar" für die Entscheidung des Papstes ist, empfindet das ZdK die Entscheidung von Papst Franziskus als – so wörtlich – einen "Schlag ins Gesicht für Betroffene von sexueller Gewalt".
Wie CNA Deutsch gestern berichtete, hat Papst Franziskus den Amtsverzicht des Hamburger Erzbischofs Stefan Heße abgelehnt. Heße hatte im März diesen Jahres sein Amt zur Verfügung gestellt, nachdem das vom Kölner Erzbistum in Auftrag gegebene Missbrauchsgutachten dem früheren Personalchef der Erzdiözese mehrere Verfehlungen im Umgang mit Missbrauchstätern vorgeworfen hat.
Bätzing: "Schwierige Zeit der Ungewissheit"
In einer Pressemitteilung der deutschen Bischofskonferenz erklärte Bischof Bätzing am Mittwoch, dass mit der Entscheidung des Papstes nicht nur für das Erzbistum Hamburg, sondern auch für Heße persönlich "eine schwierige Zeit der Ungewissheit" ende. "Das ist gut so, und dafür bin ich dankbar", so der Vorsitzende der Bischofskonferenz.
Erzbischof Heße werde damit weiterhin Mitglied der deutschen Bischofskonferenz sein, bestätigt Bätzing. Somit ist davon auszugehen, dass Heße auch nächste Woche an der Herbstvollversammlung der deutschen Bischöfe teilnimmt, die vom 20. bis zum 23. September in Fulda stattfinden wird. Bischof Bätzing weiter:
"Ich wünsche dem Erzbistum und seinem Erzbischof einen guten Neustart in gemeinsamer Verantwortung, der von gegenseitigem Vertrauen getragen ist. Vieles, was im vergangenen halben Jahr liegenbleiben musste, kann nun wieder beherzt angegangen werden. Bei allen, die nun möglicherweise irritiert sind, werbe ich um das Zutrauen, dass die Entscheidung des Papstes aufgrund von Beratung wohl überlegt und begründet ist."
Das ZdK-Vize: "Ein Schlag ins Gesicht"
"Schockiert" dagegen zeigt sich die Laien-Organisation ZdK, die gemeinsam mit der deutschen Bischofskonferenz den umstrittenen "Synodalen Weg" verwaltet. In der gestrigen Mitteilung erklärt ZdK-Vizepräsidentin Karin Kortmann, dass vor allem die Begründung des Papstes "ein Problem sei.
Zwar sei von "einem Mangel an Aufmerksamkeit und Sensibilität den von Missbrauch Betroffenen gegenüber" bei Heße in seiner Zeit als Generalvikar in Köln die Rede, jedoch habe Stefan Heße "nicht mit Absicht Fälle sexuellen Missbrauchs vertuscht". Wer so begründe, habe nicht verstanden, dass genau in diesem Mangel an Aufmerksamkeit und Sensibilität das Problem bestehe, so Kortmann. Weiter:
"Das hatte faktische Fehlentscheidungen zur Folge, Verfahrensfehler, die auch der Vatikan in seinem heutigen Bescheid sieht. Es ist ein Schlag ins Gesicht für Betroffene von sexueller Gewalt, wenn aus diesen Fehlentscheidungen keine persönlichen Konsequenzen folgen."
Kortmann stellt auch die Frage, wie das Vertrauen wieder hergestellt werden könne. Rom habe "die Frage nach der Glaubwürdigkeit eines Amtsträgers verdrängt", wirft die ZdK-Funktionärin dem Papst vor. "In Führungspositionen kann da nicht einfach zur Tagesordnung übergegangen werden". Die Katholiken in Deutschland hätten "andere Erfahrungen mit Verantwortungsübernahme im gesellschaftlichen und politischen Kontext".
Heße bis November noch "Geistlicher Assistent" des ZdK
Stefan Heße war bis zum November 2020 "Geistlicher Assistent" des ZdK. Noch vor Veröffentlichung des Kölner Missbrauchsgutachtens gab er bekannt, er wolle dieses Amt ruhen lassen, bis die Vorwürfe geklärt sind (CNA Deutsch hat berichtet).
"Erzbischof Heße gab seinem Bedauern Ausdruck, dass seine Aufgabe für das Zentralkomitee zum gegenwärtigen Zeitpunkt durch die öffentliche Debatte über die Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs im Erzbistum Köln belastet ist", hieß es in der im November veröffentlichten Stellungnahme des ZdK. "Er kündigte an, sein Amt als Geistlicher Assistent mit sofortiger Wirkung vorläufig ruhen zu lassen, bis die Sachverhalte endgültig geklärt seien."
Vorerst wolle sich der Hamburger Erzbischof "auf eine angemessene Aufklärung aller zur Diskussion stehenden Sachverhalte" konzentrieren.
(Die Geschichte geht unten weiter)
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Hintergrund
Wie CNA Deutsch berichtete, hatte der Hamburger Erzbischof Stefan Heße am 18. März 2021 seinen Amtsverzicht angeboten. Grund dafür war das am selben Tag in Köln vorgestellte Missbrauchsgutachten. Den Untersuchungen zufolge entfallen auf den früher im Erzbistum Köln tätigen Heße elf Pflichtverletzungen in neun Aktenvorgängen: Der ehemaligen Personalchef und Generalvikar in Köln hat laut Untersuchung ingesamt sechs Mal bei der Aufklärung und zwei Mal bei der Opferfürsorge sowie drei Mal bei der Meldung nicht korrekt gehandelt. Keine der Pflichtverletzungen habe zu einer Strafvereitelung geführt, so Professor Gercke, dessen Team das Gutachten federführend erstellte.
Verschiedene Presseberichte hatten schon früh die Frage der Rolle Heßes in seiner Zeit als Personalchef des Erzbistums Köln aufgeworfen. Laut der "Bild"-Zeitung und anderen Medien sei der jetzige Erzbischof von Hamburg in "Erklärungsnot" geraten, was den Fall eines heute 69 Jahre alten Priesters betrifft, der in den 1990er Jahren seine minderjährigen Nichten über Jahre schwer sexuell missbraucht haben soll.
Heße selbst hatte sich nach eigenen Angaben bereits im November 2020 an Rom gewandt und um eine Prüfung gebeten (CNA Deutsch hat berichtet). "Auf meine Bitte hin soll Rom prüfen, ob die dann vorliegenden Untersuchungsergebnisse Auswirkungen auf mein Amt als Erzbischof in Hamburg haben", so der Erzbischof damals.
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