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Analyse zum "Synodalen Weg" in Frankfurt: Ein Stotterstart

Die Synodalkerze.

Mit einer Synodalkerze wurde am 1. Dezember 2019 der  "Synodale Weg" in Deutschland entzündet. Die Kerze hat für die Initiatoren eine hohe Symbolkraft; die Flamme der Erneuerung sollte überspringen und nicht nur den Glauben in Deutschland neu entfachen, sondern auch die "dringend nötigen Reformen" voranbringen.

Nun sind schon eineinhalb Jahre vergangen. Die Coronavirus-Pandemie hat den Prozess etwas verschleppt, dazu kommen innerkirchliche Querelen und vermehrt auch Warnsignale aus Rom, es mit den "Reformen" nicht zu weit zu treiben. Immer wieder ermahnt der Papst die Kirche in Deutschland - zuletzt bei der Herbstvollversammlung der deutschen Bischofskonferenz durch seinen Nuntius - die Einheit mit der Weltkirche zu wahren.

Am 30. September 2021 wurde nun in Frankfurt die zweite Synodalversammlung eröffnet. Sie dauert nun schon seit zwei Tagen und Beobachtern scheint es, als würde der "synodale Motor" ziemlich stottern.

Die missglückte Abstimmung über die Evangelisierung

CNA Deutsch hatte noch am Freitagmorgen von der Ablehnung eines Änderungsantrags berichtet, bei dem gefordert wurde, dass der Fokus auf die Evangelisierung stärker in der Präambel betont werden soll. Auf kuriose Art war dieser Antrag abgelehnt worden, obwohl er die einfach Mehrheit von 94 Ja-Stimmen auf sich vereinte, während 86 Teilnehmer dagegen stimmten und 15 Enthaltungen gezählt wurden.

Die Moderatorin Claudia Nothelle, Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), hatte daraufhin erklärt:

"Enthaltungen müssen als Ablehnung gerechnet werden, damit ist der Antrag abgelehnt."

Somit sollte es keine besondere Betonung der Evangelisierung in der Präambel des "Synodalen Weges" geben, weil trotz des leichten Übergewichts an Ja-Stimmen die 15 Enthaltungen als "Nein" gewertet wurden und so die "Mehrheit" zugunsten einer Ablehnung des Antrags haben kippen lassen. Diese Entscheidung hat bei Beobachtern für Verwunderung gesorgt.

Am Freitagvormittag dann die Rolle rückwärts. Das Präsidium ließ mitteilen, dass man nach Rücksprache mit der "Interpretationskommission" den Fall geprüft habe und feststellen musste, dass die Enthaltungen bei dieser Abstimmung fälschlicherweise als Nein-Stimmen gewertet wurden. Dabei werden Enthaltungen gar nicht gezählt, was bedeutet, dass das alte Übergewicht an Ja-Stimmen wieder gilt und der der Änderungsantrag auf einen stärkeren Fokus auf Evangelisierung beim "Synodalen Weg" damit nun doch angenommen wurde. Der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, bestätigte diese Entscheidung und räumte ein:

"Uns ist da gestern ein Fehler unterlaufen." 

Der Antrag eines Teilnehmers, nun noch einmal neu über den Änderungsantrag abzustimmen, wurde von der Synodalversammlung abgelehnt.

Technische Probleme

Doch auch ohne diese Panne kommt die Arbeit in der Synodalversammlung scheinbar nur schwer voran. Hin und wieder tauchen technische Mängel auf. Mal funktionieren die elektronischen Geräte zur Abstimmung nicht, das Internet im Saal ist streckenweise unbrauchbar und mitunter hat der Livestream Aussetzer.

Letzteres führt dazu, dass zwei Synodale, die im Vorfeld darum gebeten haben, die Synodalversammlung vom Hotel aus über das Internet zu verfolgen, zwischenzeitlich "blind" und "taub" sind und so an den Abstimmungen nicht teilnehmen können. Eine im Saal anwesende Synodale weist auf dieses Problem hin, sodass das Präsidium die Regie beauftragt, dieses Problem zu beheben.

Verständnisprobleme

Mehrfach wurde auch – wie schon bei der ersten Synodalversammlung im Februar 2020 – die Forderung an die Versammlung herangetragen, bei den Texten auf eine größere Verständlichkeit zu achten. Bislang seien die Dokumente oft "hochtheologisch" formuliert, die "Gläubigen da draußen" würden am Ende gar nicht verstehen können, worüber hier diskutiert wurde, bemängelt eine Teilnehmerin.

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Schwester Philippa Rath OSB und der Bamberger Pfarrer Christoph Uttenreuther plädierten wiederholt dafür, gegebenenfalls "Zusammenfassungen in leichter Sprache" zu erstellen. Uttenreuther schlug am Freitag in der Versammlung vor, am Ende sollte es eine "Fassung für das Volk" geben, zum Beispiel in Form eines Hirtenbriefes, der dann verlesen wird.

Konflikte um das Abstimmungsprozedere 

Am späten Freitagvormittag häuften sich auch die Geschäftsordnungsanträge. Die beiden Moderatoren, Andrea Heim (ZdK) und Weihbischof Udo Markus Bentz (Bistum Mainz) versuchten dieser Herr zu werden – und mussten dabei teilweise an die eigene Geschäftsordnung erinnert werden.

Als etwa der Antrag gestellt wurde, nach Geschlechtern getrennt über einen Text abzustimmen, um herauszukristallisieren, wie die anwesenden Frauen über ein bestimmtes Thema abstimmen, und das Podium bereits die Abstimmung einleitete, wurden die Moderatoren darauf hingewiesen, dass in einem früheren Änderungsantrag einmal festgelegt wurde, nicht mehr von "weiblichen", sondern von "nicht-männlichen" Teilnehmern der Synodalversammlung zu sprechen.

Ein weiterer Geschäftsordnungsantrag lautete, dass nun auch die Bischöfe einzeln abstimmen sollten, was vom Präsidium jedoch abgelehnt wurde mit der Begründung, dies sei "technisch nicht möglich".

Daraufhin wurde der Antrag gestellt, dass die Bischöfe zumindest alle namentlich abstimmen sollten. Ein solcher Antrag wurde jedoch bereits gestern abgelehnt, was bei einigen Teilnehmern für Unmut sorgte. Laut Geschäftsordnung darf jedoch ein Geschäftsordnungantrag nicht zweimal gestellt werden, wenn er beim ersten Mal abgelehnt worden ist.

Allerdings ist eine namentliche Abstimmung immer noch möglich, wenn es um die Beschlussfassung geht, die allerdings erst nach der zweiten Lesung der Vorlagentexte erfolgen wird.

Der durch die vielen Geschäftsordnungsanträge verursachte Zeitdruck sorgte im Laufe des Vormittags nicht nur für eine Reduzierung der Redezeit von zwei Minuten auf 60 Sekunden, sondern auch dafür, dass das Präsidium das Abstimmungstempo merklich anzog. "Ich darf Sie bitten, jetzt nicht mehr in die Diskussion zu gehen", rief Moderatorin Andrea Heim den Synodalen zu.

Dies führte jedoch auch dazu, dass Abstimmungen gestoppt und wiederholt werden mussten, weil manche Teilnehmer den Überblick verloren hatten. "Das Format und die Eile, mit der Texte durchgedrückt und umgesetzt werden sollen, geben eine synodale Diskussion nicht her", schreibt dazu die Synodenteilnehmerin Dorothea Schmidt. "Wie soll man ins Gespräch kommen, wenn man auf Redebeiträge fast nicht reagieren kann, weil die Redeliste schnell wieder geschlossen wird? Ich muss also a priori alles im Kopf haben." Und weiter:

"Ich plädiere für Gründlichkeit vor Eile für den des Synodalen Prozess. Mein Kopf raucht. Auch wenn ich das Prozedere und die politische Art gewohnt bin – es bleibt einfach wenig fromm. Dafür haben wir umso mehr Kirchenpolitik und langweilige Verbandsmeierei, die mich nicht erbaut. Wenig erbaulich ist auch, dass ZdK-Präsident Thomas Sternberg direkt zu Beginn uns Kritikern schon wieder öffentlich ins Gewissen redet: Es stimme nicht, dass kritische Stimmen nicht gehört oder ignoriert würden. Das sei unsozial und unsynodal."

Gibt es Tabuthemen?

Auffällig ist jedoch, dass trotz Sternbergs Bekräftigung, auch Kritiker dürften sich zu Wort melden, Wortführer gezielt versuchen, bestimmte Äußerungen in den Bereich des "Unsagbaren" zu verbannen.

So warnte der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, in seinem gestrigen Eröffnungsstatement alle Kritiker davor, zu sagen, die Missbrauchskrise der Kirche in Deutschland sei lediglich ein Vorwand, um mithilfe des "Synodalen Weges" zentrale Punkte der Kirchenlehre zu ändern. Bätzing sagte gestern wörtlich:

"Von Instrumentalisierung des Missbrauchs zu sprechen (...) finde ich, ist eine sehr unerlaubte, sehr anmaßende Stellungnahme und wird den Betroffenen nicht gerecht."

Tatsache bleibt jedoch, dass manche Missbrauchsbetroffene selbst diesen Vorwurf gegen den "Synodalen Weg" ins Feld führen, wie CNA Deutsch berichtet hat.

Tatsache ist auch, dass kurz nach Bätzings eindrücklicher Zurückweisung des Vorwurfs, man würde Missbrauch instrumentalisieren, ein Funktionär des Bundes der deutschen katholischen Jugend (BDKJ) in der Auftaktversammlung am Donnerstagabend die folgende Drohung an die Bischöfe richtete: Wer den Vorlagentexten nicht vorbehaltlos zustimme, mache sich "weiter schuldig am Missbrauch".

Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf reagierte verärgert auf diese Aussage und betonte später, er werde sich "sein eigenes Urteil zu den Texten" erlauben und die Vorlagen "nicht einfach durchwinken". Stattdessen sei ein "gemeinsames Ringen" in der Synodalversammlung nötig.

Auf vernehmbar wenig Gegenliebe stößt auch der wiederholte Vorschlag des Regensburger Bischofs Rudolf Voderholzer, fragwürdige Aspekte und den Umgang mit der MHG-Studie, die als Grundlage für den "Synodalen Weg" gilt, genauer und kritischer zu hinterfragen. Gestern erklärte Voderholzer der Synodalversammlung wörtlich:

"Wenn die MHG-Studie nur halbwegs so historisch-kritisch angegangen und analysiert würde wie hier für die Heilige Schrift vorgeschlagen wird, wären wir viel weiter und wahrscheinlich auch etwas glaubwürdiger."

Bereits auf der ersten Synodalversammlung hatte Voderholzer die Studie kritisiert und  erntete dort bereits empörten WiderspruchDabei ist der Regensburger Hirte mit seiner Kritik nicht allein. Schon kurz nach Veröffentlichung der Studie im Jahr 2018 bewertete der Arzt Manfred Lütz das Werk als "missglückte Studie". Auch der Publizist Bernhard Meuser – selbst Betroffener von Missbrauch – hat sich dieser Kritik angeschlossen und vor einem "Missbrauch des Missbrauchs" gewarnt.

Am Freitagvormittag erneuerte Bischof Rudolf Voderholzer seine Bedenken am Umgang mit der MHG-Studie, als es um eine Textvorlage ging, in der diese Studie rezipiert wurde. "Ich plädiere für den vorgelegten Alternativtext", so der Bischof. "Der vorliegende Text geht aus von einer unkritisch rezipierten, geradezu dogmatisch überhöhten MHG-Studie und hat andererseits erhebliche theologische Mängel."

Demokratie vs. Hierarchie

Auch scheint eine (vernehmbare) Mehrheit dem Narrativ anzuhängen, dass eine Demokratisierung der Kirche unabdingbar sei. Bischof Stefan Ackermann beklagte heute, dass demokratische Strukturen in der Synodalversammlung teils "wie ein zweites Evangelium" behandelt würden. Weitere Gegenstimmen, dass die Kirche eine Hierarchie mit Jesus Christus als dem Souverän ist und kein basisdemokratisches Parlament, stoßen auf bisweilen heftigen Widerspruch.

Es gebe "eine große, große Mehrheit, die ganz deutlich hinter den 'Synodalen Weg' steht", betont der Limburger Bischof. "Nicht alle Texte werden wohl eine Zweidrittelmehrheit erhalten, aber darum geht es jetzt noch nicht, es geht erst einmal um eine grundlegende Zustimmung."

Die Vizepräsidentin des ZdK, Karin Kortmann (SPD), fügte an, das "Demokratieverständnis" werde "von einigen Personen der Synodalversammlung" abgelehnt. Diese "Personen" seien der Ansicht, "dass Kirche und Demokratie nicht zusammengehen". 

Als am zweiten Tag über die Forderung diskutiert wurde, Synodalräte zu etablieren, die dann dafür sorgen, dass Laien bei der Bischofswahl erheblich an Einfluss gewännen, wies der ehemalige Richter Rainer Nominé darauf hin, das eine solche Entscheidung eventuell in Konflikt geraten könnte mit dem Staatskirchenrecht und den damit anhängigen Konkordaten, die bislang die Bischofswahlen und -ernennungen in den deutschen Diözesen regeln.

Auch der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf hatte Einwände gegen den Vorschlag des Bischofswahlrechts für Laien. Kohlgraf wörtlich:

"Ich möchte mir keinen Bischofswahlkampf vorstellen."

Synodalversammlung dauert bis Samstag

Die zweite Synodalversammlung tagt vom 30. September bis zum 2. Oktober im Frankfurter Congress Center. 

Nach der ersten Synodalversammlung am 30. Januar 2020, mit der ein "Synodaler Weg" begann  - sollte die zweite Synodalversammlung ursprünglich noch im September letzten Jahres stattfinden. Wegen der Coronavirus-Pandemie wurden stattdessen regionale Treffen arrangiert.

Im Frühjahr 2021 starteten die Initiatoren einen neuen Anlauf, eine zweite Synodalversammlung einzuberufen. Dort können laut Satzung unverbindliche "Beschlüsse" gefasst werden, doch fand sich im Vorfeld dafür keine Mehrheit. Also fand im Februar 2021 lediglich eine Online-Konferenz statt.

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