München, 04 Januar, 2022 / 6:32 PM
Zwei Kirchenrechtler werfen in einer deutschen Zeitung Kardinal Reinhard Marx vor, Pflichtverletzungen im Umgang mit dem notorischen Missbrauchstäter und Priester "Peter H." aus Essen begangen zu haben. Kritik wird auch am Vorgehen seiner Vorgänger sowie der Essener Bischöfe Kardinal Franz Hengsbach und Franz-Josef Overbeck laut.
Professor Norbert Lüdecke sagt im Interview mit der "Zeit", nach den geltenden Leitlinien der deutschen Bischofskonferenz des Jahres 2008 hätte Kardinal Marx im Fall von "Peter H." eine kirchenrechtliche Untersuchung einleiten und den Vatikan in Kenntnis setzen müssen, was er nicht getan habe.
"Kirchenrechtlich hätte Marx", so Lüdecke wörtlich, "anstelle der psychiatrischen Begutachtung des H. hinsichtlich seiner Weiterverwendung eine kanonische Voruntersuchung einleiten und den Fall anschließend nach Rom melden müssen. Dass er dies nicht getan hat, stellt eine Pflichtverletzung dar."
Die Zeit berichtet weiter: Kardinal Marx beantworte dazu der Wochenzeitung keine Fragen. Der Erzbischof verweise auf die Untersuchung der Anwaltskanzlei, die demnächst veröffentlicht werden soll.
Die seit Sommer erwartete, aus unklaren Gründen verschobene Untersuchung des Umgangs mit sexueller Gewalt im Erzbistum München und Freising ist auch der Kontext, in dem in der "Zeit" eine Reihe von Vorwürfe erhoben werden, die sich vor allem um den Umgang mit dem Fall von "Pfarrer H." drehen – ein Fall, der seit Jahrzehnten öffentlich bekannt ist.
Papst emeritus Benedikt hat Vorwürfen in der Wochenzeitung kategorisch widersprechen lassen, er habe in seiner Zeit als Erzbischof von München und Freising von der Vorgeschichte des Priesters "Peter H." gewußt, als dieser in die Diözese im Jahr 1980 aufgenommen wurde. Der spätere Papst Benedikt war von 1978 bis 1982 Erzbischof von München und Freising.
"Die Behauptung, [Kardinal Joseph Ratzinger] hätte Kenntnis von der Vorgeschichte zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Aufnahme des Priesters H. gehabt, ist falsch", so die kategorische Absage an die Aussagen in der "Zeit".
Der emeritierte Papst habe auch nicht bewusst auf die Sanktionierung von H. verzichtet, ließ Benedikt über seinen Privatsekretär, Erzbischof Georg Gänswein, mitteilen – "Er hatte von den Vorwürfen sexueller Übergriffe keine Kenntnis".
Unabhängig von der Frage, ob und wie Kritik oder Vorwürfe der Kirchenrechtler Norbert Lüdecke aus Bonn und Bernhard Anuth aus Tübingen, die in der "Zeit" veröffentlicht worden ist, zutrifft: Nach bisheriger Kenntnislage ist klar, dass "Peter H." als Geistlicher mindestens 23 Jungen im Alter von 8 bis 16 Jahren sexuell missbraucht haben soll.
Seit dem Frühjahr 2021 soll der Priester wieder im Bistum Essen leben. Der Mann ist nach wie vor auf freiem Fuß.
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