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Sexueller Missbrauch und die Lösung der Kirchenkrise: Benedikt XVI. meldet sich zu Wort

Benedikt XVI.

Papst emeritus Benedikt XVI. hat sich zu den Skandalen sexuellen Missbrauchs in der Kirche zu Wort gemeldet. Er benennt Ursachen, schlägt vor, wie der Kirchenkrise zu begegnen ist – und warnt deutlich vor falschen Ansätzen.

In einem von CNA Deutsch veröffentlichten Aufsatz beschreibt Benedikt die Auswirkungen der Sexuellen Revolution der 1960er, diagnostiziert einen davon unabhängigen Zusammenbruch der katholischen Morallehre, und benennt die Folgen auf die Ausbildung von Priestern und deren Leben. 

Benedikt schlägt vor, wie der Kirchenkrise zu begegnen ist – und warnt deutlich vor falschen Ansätzen.

"Die Idee einer von uns selbst besser gemachten Kirche ist in Wirklichkeit ein Vorschlag des Teufels, mit dem er uns vom lebendigen Gott abbringen will durch eine lügnerische Logik, auf die wir zu leicht hereinfallen."

Doch die Kirche bestehe auch heute nicht nur aus "bösen Fischen" und aus "Unkraut", betont Benedikt in Anspielung auf zwei Bilder der Heiligen Schrift.

"Die Kirche Gottes gibt es auch heute, und sie ist gerade auch heute das Werkzeug, durch das Gott uns rettet. Es ist sehr wichtig, den Lügen und Halbwahrheiten des Teufels die ganze Wahrheit entgegenzustellen: Ja, es gibt Sünde in der Kirche und Böses. Aber es gibt auch heute die heilige Kirche, die unzerstörbar ist."

Es gebe auch heute viele glaubende, leidende und liebende Menschen, in denen sich der wirkliche Gott zeigt, fährt der bayerische Pontifex fort. Gott habe auch heute seine Zeugen in der Welt.

Der Essay von Benedikt wurde ursprünglich für das "Klerusblatt" verfasst und weltweit am 11. April von mehreren Medien in Deutsch, Spanisch, Italienisch und Englisch veröffentlicht.

Benedikt analysiert darin die Ursachen der Kirchenkrise. Diese könne nicht verstanden werden, ohne einen Blick auf die Sexuelle Revolution und ihre Auswirkungen zu werfen.

"Man kann sagen, dass in den 20 Jahren von 1960 – 1980 die bisher geltenden Maßstäbe in Fragen Sexualität vollkommen weggebrochen sind und eine Normlosigkeit entstanden ist, die man inzwischen abzufangen sich gemüht hat."

Benedikt beschreibt die "Physiognomie der 68er Revolution", zu der "auch Pädophilie als erlaubt und als angemessen diagnostiziert wurde." 

Unabhängig davon habe sich in derselben Zeit ein Zusammenbruch der katholischen Moraltheologie ereignet, der "die Kirche wehrlos gegenüber den Vorgängen in der Gesellschaft machte", so der Papst emeritus.

Mit der Abkehr von der naturrechtlichen Begründung der Moraltheologie im Zuge des Zweiten Vatikanischen Konzils hätte man versucht, die Moraltheologie allein aus der Bibel heraus zu begründen und aufzubauen. Dieser Versuch sei jedoch gescheitert, mit der Folge, dass der Relativismus die Moral bestimmen sollte.

"Schließlich hat sich dann weitgehend die These durchgesetzt, dass Moral allein von den Zwecken des menschlichen Handelns her zu bestimmen sei. Der alte Satz 'Der Zweck heiligt die Mittel' wurde zwar nicht in dieser groben Form bestätigt, aber seine Denkform war bestimmend geworden."

Darauf habe Papst Johannes Paul II. mit seiner Enzyklika Veritatis Splendor geantwortet, schreibt Benedikt weiter, und erinnert an die heftigen Gegenreaktionen darauf, auch und gerade im deutschsprachigen Raum.

Der Zusammenbruch der Moraltheologie habe auch dazu geführt, dass viele der Kirche ihre eigene Moral abgesprochen haben, fährt der Papst emeritus fort.

(Die Geschichte geht unten weiter)

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Auswirkungen auf alle Bereiche der Kirche beschreibt Benedikt infolge des so von ihm diagnostizierten Auflösungsprozesses der christlichen Auffassung von Moral wie der Lehrautorität der Kirche.

"In verschiedenen Priesterseminaren bildeten sich homosexuelle Clubs, die mehr oder weniger offen agierten und das Klima in den Seminaren deutlich veränderten."

Die Auswahl und Ernennung von Bischöfen habe sich zudem nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil geändert, schreibt Benedikt weiter.

"Als Kriterium für die Ernennung neuer Bischöfe wurde nun vor allen Dingen ihre 'Konziliarität' angesehen, worunter freilich sehr Verschiedenes verstanden werden konnte."

Dadurch habe sich die Ausbildung – und das Leben – katholischer Priester völlig verändert, analysiert der Papst emeritus. Das Klima an Priesterseminaren wie der Umgang der neuen Bischöfe damit habe unter anderem dazu geführt, dass seine Bücher an manchen Seminaren " wie schlechte Literatur verborgen und nur gleichsam unter der Bank gelesen" werden konnten.

Ausführlich widmet sich Benedikt der Frage der Pädophilie und des kirchenrechtlichen Umgangs mit Straftätern in Fällen sexueller Gewalt, auch seiner eigenen Rolle während seiner Zeit als Präfekt der Glaubenskongregation und als Papst. Er warnt vor einem überzogenen Schutz von mutmaßlichen Tätern, betont, dass sexuelle Gewalt sich "in der Kirche und unter Priestern ausbreiten konnte, muss uns in besonderem Maß erschüttern".

Vor diesem Hintergrund analysiert Benedikt auch die weitere Entwicklung und Rolle des Kirchenrechts.

"Der Glaube erscheint im allgemeinen Rechtsbewusstsein nicht mehr den Rang eines zu schützenden Gutes zu haben. Dies ist eine bedenkliche Situation, die von den Hirten der Kirche bedacht und ernstgenommen werden muss."

Nicht nur in der Kirche konstatiert Benedikt ein mangelndes Glaubensverständnis. "Eine Gesellschaft, in der Gott abwesend ist – eine Gesellschaft, die ihn nicht kennt und als inexistent behandelt, ist eine Gesellschaft, die ihr Maß verliert", schreibt er.

"In unserer Gegenwart wurde das Stichwort vom Tod Gottes erfunden. Wenn Gott in einer Gesellschaft stirbt, wird sie frei, wurde uns versichert. In Wahrheit bedeutet das Sterben Gottes in einer Gesellschaft auch das Ende ihrer Freiheit, weil der Sinn stirbt, der Orientierung gibt."

Eine erste Aufgabe, die aus den moralischen Erschütterungen nun folgen muss, so Benedikt, sei, "dass wir selbst wieder anfangen, von Gott und auf ihn hin zu leben".

"Wir müssen vor allen Dingen selbst wieder lernen, Gott als Grundlage unseres Lebens zu erkennen und nicht als eine irgendwie unwirkliche Floskel beiseite zu lassen."

Das Thema Gott scheine so weit von den Dingen entfernt. "Und doch wird alles anders, wenn man Gott nicht voraussetzt, sondern vorsetzt", betont Benedikt.

Die Lösung sei nicht eine neue Kirche zu machen: Das sei eine Versuchung des Teufels, warnt er.

"Ja, es gibt Sünde in der Kirche und Böses. Aber es gibt auch heute die heilige Kirche, die unzerstörbar ist. Es gibt auch heute viele demütig glaubende, leidende und liebende Menschen, in denen der wirkliche Gott, der liebende Gott sich uns zeigt."

Gott habe auch heute seine Zeugen in der Welt, und Zeugen seien buchstäblich "martyres": "Das Wort Märtyrer ist dem Prozessrecht entnommen. Im Prozess gegen den Teufel ist Jesus Christus der erste und eigentliche Zeuge für Gott, der erste Märtyrer, dem seitdem Unzählige gefolgt sind. Die Kirche von heute ist mehr denn je eine Kirche der Märtyrer und so Zeuge des lebendigen Gottes"

Solche Zeugen gebe es auch heute überall zu entdecken, so Benedikt abschließend. Es sei eine "Trägheit des Herzens", wenn man diese nicht wahrnehmen wolle. Er schließt mit den Worten:

"Zu den großen und wesentlichen Aufgaben unserer Verkündigung gehört es, soweit wir können, Lebensorte des Glaubens zu schaffen und vor allen Dingen sie zu finden und anzuerkennen."

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