Redaktion - Freitag, 27. Juni 2025, 7:00 Uhr.
Angesichts dramatisch sinkender Priesterzahlen in Deutschland sieht der Fuldaer Bischof Michael Gerber die Ursachen nicht allein im kirchlichen System, sondern in einem tiefergehenden gesellschaftlichen Wandel: „In den jüngeren Jahrgängen sehe ich immer wieder Priester, die mir signalisieren, dass sie nur bedingt belastbar sind, stärker auf die eigene Work-Life-Balance achten wollen, und sich ungern in Milieus wagen, die ihnen fremd sind“, sagte Gerber in einem Interview mit dem Portal Kirche und Leben.
Im Jahr 2024 wurden in Deutschland nur noch 29 Priester geweiht – der niedrigste Wert seit Beginn der Aufzeichnungen. Zum Vergleich: 1962 waren es noch 557 Weihen, 2004 immerhin 122 und 2014 noch 75. Elf der 27 deutschen Bistümer meldeten 2024 keine einzige Priesterweihe. Das Bistum Trier führte mit vier Weihen die Statistik an, wie CNA Deutsch berichtete.
Aufgrund des Priestermangels wurden Pfarreien in den letzten Jahren zunehmend zusammengelegt. Nur noch etwa 50 Prozent der verbliebenen Priester arbeiten in der Pfarrseelsorge. In vielen Gemeinden fehlt damit der für Sakramente notwendige Priester.
Auch im Bistum Fulda wird es in den kommenden sieben Jahren voraussichtlich keine Priesterweihen geben. Dies sei, so der Bischof, ein tiefer Einschnitt: „Persönlich bewegt mich das sehr. Seit knapp 25 Jahren bin ich in unterschiedlichen Funktionen für Priesterausbildung und Berufungspastoral verantwortlich.“
In dieser Zeit habe er, so Gerber, viele fruchtbare Initiativen erlebt, darunter das sogenannte „Jahr der Berufung“ 2006 im Erzbistum Freiburg, das sich an den Weltjugendtag in Köln anschloss. Auch aktuell gebe es Gespräche mit jungen Männern, die sich mit der Frage einer möglichen Berufung zum Priesteramt auseinandersetzen.
Mit Blick auf die bundesweite Situation stellte Gerber fest, dass sich hier die religiöse Lage der Gesellschaft insgesamt widerspiegele. Die Gesellschaft sei „zunehmend plural und in weiten Kreisen religiös gleichgültig“.
Viele Menschen stellten die Gottesfrage nicht mehr, der Kirche werde wenig Bedeutung beigemessen. Eine priesterliche Berufung aber sei im Kern ein „Sprung“ – die Bereitschaft, dem Ruf Jesu zu vertrauen –, was den Glauben an einen rufenden Gott voraussetze.
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Doch selbst wenn dieser Glaube vorhanden sei, treffe ein Berufungsinteressierter auf erhebliche Widerstände. Gerber beschreibt die Realität so: „Wer sich schließlich für einen kirchlichen Beruf interessiert, stößt auf vielerlei Anfragen, mitunter auf Skepsis und Unverständnis. Er muss bereit und fähig sein, komplexe Herausforderungen zu bewältigen. Davor schrecken viele junge Leute zurück.“
Besonders auffällig sei auch ein Generationenunterschied unter den bereits geweihten Priestern. Unter den älteren Jahrgängen gebe es viele leitende Pfarrer, die eine hohe Belastbarkeit zeigten.
Jüngere hingegen seien häufig vorsichtiger, zögen sich aus schwierigen sozialen Kontexten eher zurück. Gerber betonte, dies sei „nicht einfach eine Frage des Willens“, vielmehr stießen viele an reale persönliche Grenzen. Dennoch bleibe er überzeugt, dass Gott auch heute Menschen „zum Zeugnis herausruft“.
Mit Blick auf die Priesterausbildung verwies der Bischof auf hohe Standards: „Die Priesterausbildung in Deutschland basiert auf sehr guten Qualitätsstandards, das heißt, sie fördert grundlegende Dynamiken, die für die Persönlichkeitsentwicklung der Kandidaten wichtig sind.“
Gleichzeitig machte er deutlich: „Aber sie ist nicht ausschlaggebend dafür, ob sich Kandidaten bewerben oder nicht. Sie kann nur Berufungen aufnehmen und unterstützen, die schon da sind.“ Deshalb müsse man früher ansetzen und sich fragen, „welche unserer Projekte tatsächlich in einer Weise wirksam sind, dass Menschen tiefer in den Glauben finden, dass sie den Geist des Evangeliums kennen und mit ihren existenziellen Fragen in Verbindung bringen“.
Um hier besser zu verstehen, was junge Menschen im Glauben trägt, plant Gerber ein neues Format, nämlich „ein Jugendhearing, bei dem wir bewusst junge Menschen einladen, die einen tieferen Zugang zum Glauben gefunden haben. Wir fragen sie: ‚Was hat euch dabei geholfen?‘ Zeigen uns diese offenbar gelingenden Wege eine Richtung auf, wo und wie wir in Zukunft Schwerpunkte setzen müssen?“