Kardinal Koch wehrt sich gegen Vorwürfe von Bischof Bätzing

Kardinal Kurt Koch
Paul Badde / EWTN

Kurienkardinal Kurt Koch hat sich noch am Donnerstagabend in einer ausführlichen Stellungnahme gegen die Vorwürfe von Bischof Georg Bätzing gewehrt, wonach er sich „eine völlig inakzeptable Entgleisung“ erlaubt habe, „wenn er angesichts des Orientierungstextes einen Vergleich mit der Nazi-Zeit wählt“.

„Ich antworte umgehend, kann aber meine grundsätzliche Aussage nicht zurücknehmen, und zwar schlicht deshalb, weil ich keineswegs den Synodalen Weg mit einer Nazi-Ideologie verglichen habe, und ich werde dies auch nie tun“, erklärte Koch (vollständige Stellungnahme siehe unten).

Im einem Interview mit der katholischen Wochenzeitung „Die Tagespost“ hatte Koch, der Präsident des Dikasteriums zur Förderung der Einheit der Christen, gesagt, es erschrecke ihn, dass man gerade in Deutschland beim Synodalen Weg von neuen Offenbarungsquellen spreche: „Denn diese Erscheinung hat es bereits während der nationalsozialistischen Diktatur gegeben, als die sogenannten ‚Deutschen Christen‘ Gottes neue Offenbarung in Blut und Boden und im Aufstieg Hitlers gesehen haben.“

Demgegenüber habe „die Bekennende Kirche mit ihrer Barmer Theologischen Erklärung im Jahre 1934 protestiert, deren erste These heißt: ‚Wir verwerfen die falsche Lehre, als könne und müsse die Kirche als Quelle der Verkündigung außer und neben diesem einen Worte Gottes auch noch andere Ereignisse und Mächte, Gestalten und Wahrheiten als Gottes Offenbarung anerkennen.‘“

Koch erläuterte in seiner Stellungnahme: „Es war mir ein Anliegen, in diesem Zusammenhang die Barmer Theologische Erklärung in Erinnerung zu rufen, weil ich sie, auch aus ökumenischen Gründen, auch heute noch für wichtig halte. Um den Lesenden den Inhalt verständlich zu machen, musste ich kurz notieren, worauf diese Erklärung reagiert hat.“

„Damit habe ich in keiner Weise den Synodalen Weg mit der Mentalität der ‚Deutschen Christen‘ verglichen und auch nicht vergleichen wollen“, so Koch. „Wie die so genannten ‚Deutschen Christen‘ – Gott sei es gedankt – nicht alle Deutschen Christen gemeint hat, so habe ich mit meiner Aussage in keiner Weise alle Synodalen im Blick gehabt, sondern nur jene Christen, die die in der Frage formulierte Behauptung vertreten. Und ich hoffe, weiterhin davon ausgehen zu können, dass diese Behauptung nicht die Meinung des Synodalen Weges ist.“

Bischof Bätzing forderte „Entschuldigung“

Am Donnerstagnachmittag hatte Bischof Bätzing im Rahmen einer Pressekonferenz zum Abschluss der Herbst-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) verlangt, Koch müsse angesichts seiner Äußerungen „eine öffentliche Entschuldigung“ vornehmen. Andernfalls werde er „eine offizielle Beschwerde beim Heiligen Vater einreichen“, so der DBK-Vorsitzende.

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„Aus den Äußerungen spricht, wie häufiger bereits bei Kardinal Koch, pure Angst, dass sich etwas bewegt“, sagte Bätzing weiter. „Aber ich kann versprechen: Es wird sich etwas bewegen und das wird auch Kardinal Koch – schon gar nicht durch solche Äußerungen – aufhalten können.“

„Die Vollversammlung der Bischöfe hat mit Entsetzen auf diese Äußerung reagiert, mit der sich Kardinal Koch in der theologischen Debatte disqualifiziert“, sagte der Vorsitzende der DBK. Es gebe bereits seit einiger Zeit „Versuche der Delegitimierung des Synodalen Wegs“ durch den Kardinal.

Erwiderung von Kardinal Koch

„Diejenigen, die sich von mir verletzt fühlen, bitte ich um Entschuldigung und versichere sie, dass dies nicht meine Intention gewesen ist und nicht ist“, erwiderte Koch auf die Vorwürfe von Bätzing. Er sei „einfach davon ausgegangen, dass wir auch heute aus der Geschichte, auch aus einer sehr schwierigen, lernen können. Wie die heftige Reaktion von Bischof Bätzing und andere zeigen, muss ich nachträglich feststellen, dass dieser Versuch mir misslungen ist.“

„Meine kritische Rückfrage kann ich allerdings nicht zurücknehmen“, betonte der Kardinal. „Ich habe sie nicht aus ‚purer Angst, dass sich etwas bewegt‘, und nicht mit der Absicht der ‚Delegitimierung‘, wie mir Bischof Bätzing unterstellt, aufgeworfen, sondern aus theologischer Mit-Sorge um die Zukunft der Kirche in Deutschland.“

Tatsächlich stehe er mit seiner Kritik am Orientierungstext des Synodalen Wegs „nicht allein da“, erklärte Koch. „Wer beispielsweise die zweite Beilage der ‚Tagespost‘ wahrnimmt, wird feststellen, dass ähnliche Fragen von einem Alttestamentler, einem Dogmatiker, einem Praktischen Theologen und einem Philosophen, alles verdiente Universitätsprofessoren, an den ‚Orientierungstext‘ gestellt werden. Meine kritische Anmerkung kann also nicht einfach Ausdruck einer völlig verfehlten Theologie sein.“

Wortlaut der Erklärung von Kardinal Koch

Erklärung zum Interview in der „Tagespost“

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An der Pressekonferenz nach der Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz hat der Vorsitzende, Bischof Georg Bätzing, mir vorgeworfen, im Interview mit der „Tagespost“ hätte ich den Synodalen Weg mit einem Nazi-Vergleich heftig kritisiert. Er hat mich ultimativ aufgefordert, diese „inakzeptable Entgleisung“ zurückzunehmen und mich „umgehend zu entschuldigen“.

Ich antworte umgehend, kann aber meine grundsätzliche Aussage nicht zurücknehmen, und zwar schlicht deshalb, weil ich keineswegs den Synodalen Weg mit einer Nazi-Ideologie verglichen habe, und ich werde dies auch nie tun. Der Sachverhalt ist vielmehr folgender:

Im Interview wurde mir die Frage gestellt, man könne immer wieder hören, „dass es angeblich neue Offenbarungsquellen gibt“: „Der Zeitgeist und das – ich nenne das mal so – Gefühl spielt da offenbar eine Rolle. Lässt sich denn die Lehre der Kirche auf diese Weise ändern?“ Auf diese allgemein formulierte Frage habe ich auch in einem allgemeinen Sinn zu antworten versucht. Es war mir ein Anliegen, in diesem Zusammenhang die Barmer Theologische Erklärung in Erinnerung zu rufen, weil ich sie, auch aus ökumenischen Gründen, auch heute noch für wichtig halte. Um den Lesenden den Inhalt verständlich zu machen, musste ich kurz notieren, worauf diese Erklärung reagiert hat. Damit habe ich in keiner Weise den Synodalen Weg mit der Mentalität der „Deutschen Christen“ verglichen und auch nicht vergleichen wollen. Wie die so genannten „Deutschen Christen“ – Gott sei es gedankt – nicht alle Deutschen Christen gemeint hat, so habe ich mit meiner Aussage in keiner Weise alle Synodalen im Blick gehabt, sondern nur jene Christen, die die in der Frage formulierte Behauptung vertreten. Und ich hoffe, weiterhin davon ausgehen zu können, dass diese Behauptung nicht die Meinung des Synodalen Weges ist.

Um ein mögliches Missverständnis, das nun allerdings zu meinem Bedauern eingetreten ist, zu vermeiden, habe ich einen zweiten Abschnitt hinzugefügt, den ich hier in Gänze zitieren will, weil er für mich der wichtigste ist: „Der christliche Glaube muss stets ursprungsgetreu und zeitgemäss zugleich ausgelegt werden. Die Kirche ist deshalb gewiss verpflichtet, die Zeichen der Zeit aufmerksam zur Kenntnis und ernst zu nehmen. Sie sind aber nicht neue Offenbarungsquellen. Im Dreischritt der gläubigen Erkenntnis – Sehen, Urteilen und Handeln – gehören die Zeichen der Zeit zum Sehen und keineswegs zum Urteilen neben den Quellen der Offenbarung. Diese notwendige Unterscheidung vermisse ich im Orientierungstext des ‚Synodalen Weges‘ .“ Allein in diesem Zusammenhang habe ich eine Kritik am Orientierungstext formuliert, jedoch in keiner Weise den Synodalen Weg mit einem Nazi-Vergleich kritisiert. Wenn Bischof Bätzing in der Pressekonferenz erklärt hat, die Zeichen der Zeit seien „Quellen der Erkenntnis und für die Entwicklung der Lehre“, dann kann ich ihm durchaus zustimmen. Doch Quellen der Erkenntnis sind etwas anderes als „Offenbarungsquellen“ – davon abgesehen, dass ich diesen Begriff in sich für sehr problematisch halte. Und es stellt sich dann sogleich die weitere Frage, von welchen „Zeichen der Zeit“ als Quellen der Erkenntnis und mit welchem Interesse ausgegangen wird.

Diesbezüglich nehme ich offene Fragen im „Orientierungstext“ und in anderen Texten des „Synodalen Weges“ wahr. Und diesbezüglich stehe ich nicht allein da. Wer beispielsweise die zweite Beilage der „Tagespost“ wahrnimmt, wird feststellen, dass ähnliche Fragen von einem Alttestamentler, einem Dogmatiker, einem Praktischen Theologen und einem Philosophen, alles verdiente Universitätsprofessoren, an den „Orientierungstext“ gestellt werden. Meine kritische Anmerkung kann also nicht einfach Ausdruck einer völlig verfehlten Theologie sein.

Es war in keiner Weise meine Absicht, jemanden zu verletzen. Ich bin einfach davon ausgegangen, dass wir auch heute aus der Geschichte, auch aus einer sehr schwierigen, lernen können. Wie die heftige Reaktion von Bischof Bätzing und andere zeigen, muss ich nachträglich feststellen, dass dieser Versuch mir misslungen ist. Und ich muss wahrnehmen, dass Erinnerungen an Erscheinungen und Phänomene in der nationalsozialistischen Zeit in Deutschland offensichtlich tabu sind. Diejenigen, die sich von mir verletzt fühlen, bitte ich um Entschuldigung und versichere sie, dass dies nicht meine Intention gewesen ist und nicht ist.

Meine kritische Rückfrage kann ich allerdings nicht zurücknehmen. Ich habe sie nicht aus „purer Angst, dass sich etwas bewegt“, und nicht mit der Absicht der „Delegitimierung“, wie mir Bischof Bätzing unterstellt, aufgeworfen, sondern aus theologischer Mit-Sorge um die Zukunft der Kirche in Deutschland. Denn hinter meiner Anfrage steht die viel grundlegendere Frage, was unter „Offenbarung“ zu verstehen ist. Diese Frage sehe ich in den Texten des Synodalen Weges nicht in genügender Weise geklärt. Ich wäre dankbar, wenn diese wichtige Frage einer weiteren theologischen Klärung unterzogen würde.

Rom, 29. September 2022

Kurt Card. Koch

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