Umgang mit Missbrauch bei Piusbruderschaft: Zeitungsbericht erhebt Vorwürfe

Internationales Priesterseminar der Piusbruderschaft in Écône (Schweiz).
DICI/wikimedia. CC BY SA 4.0

Bei der Priesterbruderschaft St. Pius X. (SSPX) soll es über Jahre große Defizite im Umgang mit Missbrauchsfällen gegeben haben: Das berichtet die Schweizer Zeitung „Le Temps“. 

In der ausführlichen Recherche, die am 12. Januar veröffentlicht wurde, werfen die Journalisten ein Schlaglicht auf die Fälle von sechs Missbrauchstätern, die alle zu Haftstrafen verurteilt wurden.

In weiteren Fällen gestanden offenbar drei Kleriker der Bruderschaft Missbrauchsverhalten, wurden aber aus unterschiedlichen Gründen nicht verurteilt. Die aufgeführten Fälle reichen von physischer und psychischer Gewalt bis hin zu sexuellem Missbrauch. Im Gespräch mit der Zeitung kamen auch Betroffene und Angehörige zu Wort. 

„Anzeigen kommen sehr spät“

Recherchen der Zeitung zufolge hat die Piusbruderschaft immer das „gleiche System” angewendet: „Missbrauch, Anzeige bei der Bruderschaft, peinliches Schweigen, Versetzung, erneuter Missbrauch, bis hin zur Isolierung in Montgardin.”

Verhängte Sanktionen wären oft schwer durchsetzbar gewesen. Anzeigen seien verspätet oder gar nicht gekommen.

Das kontemplative Haus Notre-Dame de Montgardin wurde 2011 von der Piusbruderschaft erworben und diene als „goldenes Gefängnis”, für „Priester, die des sexuellen Missbrauchs verdächtigt wurden“, so die Tageszeitung unter Berufung auf Quellen.

Als Reaktion auf die Recherchen von „Le Temps” und den Missbrauchsvorwürfen kündigte der Walliser Bildungsdirektor Christophe Darbellay gegenüber dem Westschweizer Radio RTS an, Vorwürfe an einer von der Piusbruderschaft geleiteten Grundschule in Ecône näher zu untersuchen.

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2021 deckte eine unabhängige Kommission den vielfachen Missbrauch in der katholischen Kirche in Frankreich auf. Die Piusbruderschaft hatte damals ihre Archive nicht zur Verfügung gestellt.

Reaktion der Piusbruderschaft

Die Hauptsorge gelte den Opfern, antwortete die Priesterbruderschaft auf Anfrage von „Le Temps". Die SSPX wörtlich: „Wir bieten ihnen unsere Hilfe an, indem wir sie unterstützen und ermutigen, bei den Justizbehörden Anzeige zu erstatten, sie durch die rechtlichen Schritte führen und sie bei ihrem Wiederaufbau begleiten, soweit dies möglich ist."

Der damalige Generalobere Bischof Bernard Fellay schrieb demnach an eine Mutter nach dem Missbrauch ihres Sohnes durch einen Walliser Geistlichen: „Die Tatsache, dass er ein Priester ist und so schändliche Taten an Kindern begehen konnte, erfüllt uns mit Scham und Verwirrung."

Laut den Ordensoberen gilt in der Priesterbruderschaft die Regel, dass „jeder Missbrauchsfall, der den Behörden der Bruderschaft zur Kenntnis gebracht wird, behandelt werden muss.“ Kein Fall werde vertuscht.

Hintergrund: SSPX

Die 1970 von Erzbischof Marcel Lefebvre gegründete Piusbruderschaft hat nach eigenen Angaben über 700 Priester, die weltweit in knapp 800 Messzentren wirken und auf allen Erdteilen vertreten sind. Die Priestergemeinschaft hat keinen voll anerkannten kanonischen Status. Seit Jahren steht sie immer wieder in Verhandlungen mit dem Vatikan bezüglich einer vollen Anerkennung.

Im Jahr 2009 hob Papst Benedikt XVI. die Exkommunikation von vier unerlaubt geweihten Bischöfen aus dem Jahr 1988 auf, die ein Haupthindernis für eine Annäherung gewesen waren. Papst Franziskus verfügte im Zuge des Jahres der Barmherzigkeit 2015, dass die Beichte bei Priestern der Bruderschaft erlaubt gehört werden kann. Seit März 2017 können Priester nach Angaben der SSPX auch — eine weitere Erlaubnis von Franziskus — die Ehe zwischen Gläubigen schließen, die von ihnen pastoral betreut werden.

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