Redaktion - Mittwoch, 29. Januar 2025, 13:35 Uhr.
Das Katholische Büro in Berlin hat gemeinsam mit der Evangelischen Kirche in Deutschland (EDK) davor gewarnt, Gesetzesänderungen zum Thema Migration im Bundestag mit Stimmen der AfD durchzubringen. Der Schritt erfolgte im Alleingang des Katholischen Büros, ohne Abstimmung mit der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), wie später bekannt wurde.
Man habe sich im Bundestag darauf verständigt, keine Abstimmungen durchzuführen, in der die Stimmen der AfD ausschlaggebend seien, erklärten Prälat Karl Jüsten für das Katholische Büro und Anne Gidion für die EKD: „Wir befürchten, dass die deutsche Demokratie massiven Schaden nimmt, wenn dieses politische Versprechen aufgegeben wird.“
Die gegenwärtige Debatte sei dazu geeignet, „alle in Deutschland lebenden Migrantinnen und Migranten zu diffamieren, Vorurteile zu schüren“, hieß es außerdem.
Konkret geht es um zwei Anträge der Unionsparteien CDU und CSU. Ein Antrag ist überschrieben mit „Für einen Politikwechsel bei der Inneren Sicherheit“ und umfasst 27 Punkte. Die AfD hatte im Vorfeld erklärt, diesem Antrag nicht zuzustimmen. Ein weiterer Antrag trägt den Titel „Fünf Punkte für sichere Grenzen und das Ende der illegalen Migration“. Diesem Antrag will die AfD zustimmen.
Der Fünf-Punkte-Plan fordert etwa dauerhafte Kontrollen an allen deutschen Grenzen und eine Zurückweisung aller Personen, die keine gültigen Einreisedokumente mit sich führen. Dies gelte auch für Personen, die Asyl beantragen wollen, da die anderen EU-Staaten bereits sicher seien, es also keinen Grund gebe, bis nach Deutschland weiterzuziehen. Es müsse außerdem regelmäßig zu Abschiebungen kommen, wobei ausreisepflichtige Personen bis zur Abschiebung festzusetzen seien.
Neben den beiden Anträgen mit fünf bzw. 27 Punkten soll es am Freitag auf Betreiben von CDU und CSU auch zu einer Abstimmung über das sogenannte Zustrombegrenzungsgesetz kommen, das ähnliche gesetzliche Regelungen – und deren Vollzug – vorsieht wie in den Anträgen angesprochen.
Das Katholische Büro und die EKD erklärten zu dem Gesetzentwurf in einer auf Dienstag datierten Stellungnahme: „Die Begrenzung der Fluchtmigration und die Verstärkungen von Abschiebungen sollen dabei helfen, zukünftig Anschläge, wie sie in den letzten Monaten in Solingen, Magdeburg und Aschaffenburg begangen wurden, zu verhindern.“
Die Pläne der Unionsparteien hätten indes „nach aktuellem Wissensstand keinen der Anschläge verhindert“: „Die Attentate von Magdeburg am 20. Dezember 2024 und Aschaffenburg am 22. Januar 2025 wurden von offensichtlich psychisch kranken Personen begangen. Die Taten zeigen aus Sicht der Kirchen daher ein Defizit hinsichtlich des Informationsaustausches unterschiedlicher Behörden und einen eklatanten Mangel an adäquater Versorgung psychisch Kranker auf.“
Entsprechend seien die Pläne „nicht geeignet, zur Lösung der anstehenden migrationspolitischen Fragen beizutragen“, zeigten sich das Katholische Büro und die EKD überzeugt.
Zur Migration erklärte die Päpstliche Kommission Justitia et Pax bereits 1988: „Natürlich ist es Sache der für das Gemeinwohl verantwortlichen öffentlichen Stellen, die Zahl der Flüchtlinge oder Einwanderer zu bestimmen, die ihr Land aufnehmen kann, wobei sie ihre Beschäftigungsmöglichkeiten und Entwicklungsperspektiven, aber auch die Dringlichkeit der Not anderer zu berücksichtigen haben. Desgleichen muß der Staat dafür sorgen, daß kein ernsthaftes soziales Ungleichgewicht entsteht, mit dem soziologische Ablehnungsphänomene einhergingen, wie sie sich etwa einstellen können, wenn eine übermäßig starke Konzentration von Personen einer anderen Kultur unmittelbar die Identität und Gebräuche der sie aufnehmenden Gemeinschaft zu bedrohen scheint.“
Papst Benedikt XVI. verwies zum Welttag des Migranten und Flüchtlings im Jahr 2011 auf „das Recht, die Einwanderungsströme zu regeln und die eigenen Grenzen zu schützen, wobei die gebührende Achtung gegenüber der Würde einer jeden menschlichen Person stets gewährleistet sein muß. Die Einwanderer haben darüber hinaus die Pflicht, sich im Gastland zu integrieren, seine Gesetze und nationale Identität zu respektieren.“
Vor rund einem Jahr hat die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) Parteien wie die AfD als für Christen „nicht wählbar“ bezeichnet, weil sie nach Auffassung der deutschen Bischöfe einen „völkischen Nationalismus“ vertreten.
Das Volk, so die Bischöfe, werde hierbei „als ‚Ethnos‘ gedacht, als Gemeinschaft der ethnisch und kulturell Gleichen oder Ähnlichen. Dies ist die Ideologie des völkischen Nationalismus. Nach den Gräueln des Nationalsozialismus versteht unser Grundgesetz das Volk hingegen aus gutem Grund als ‚Demos‘, d. h. als Gemeinschaft der Gleichberechtigen, die auf der Grundlage der Menschen- und Bürgerrechte unsere Gesellschaft gemeinsam aufbauen und gestalten.“
Bereits 2021 hatte die AfD – mit Unterschrift aller wichtigen Politiker – erklärt, dass man das Volk nicht als Ethnos verstehe, also „auf das Ethnisch-Kulturelle verengt“. Vielmehr bekenne man sich „vorbehaltslos zum deutschen Staatsvolk als der Summe aller Personen, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Unabhängig davon, welchen ethnisch-kulturellen Hintergrund jemand hat, wie kurz oder lange seine Einbürgerung oder die seiner Vorfahren zurückliegt, er ist vor dem Gesetz genauso deutsch wie der Abkömmling einer seit Jahrhunderten in Deutschland lebenden Familie, genießt dieselben Rechte und hat dieselben Pflichten. Staatsbürger erster und zweiter Klasse gibt es für uns nicht.“
„Gleichwohl ist es ein völlig legitimes politisches Ziel, welches sowohl dem Geist als auch den Buchstaben des Grundgesetzes entspricht, das deutsche Volk, seine Sprache und seine gewachsenen Traditionen langfristig erhalten zu wollen“, hieß es außerdem. „Demokratie und Rechtsstaatlichkeit“ seien „nur dann in einem Gemeinwesen dauerhaft garantiert, wenn dieses durch ein einigendes kulturelles Band zusammengehalten wird und nicht in Teilgesellschaften zerfällt, die einander fremd bis feindselig gegenüberstehen“.
Zuletzt aktualisiert am 29. Januar 2025 um 18:05 Uhr: Die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) hat sich vom Schreiben des Katholischen Büros distanziert: „Die mehrheitliche Meinung im Ständigen Rat war, dass es in der aktuellen Situation nicht sinnvoll ist, in die Debatte und damit in den Wahlkampf öffentlich einzugreifen.“