"Es gibt keinen Anspruch auf ein fremdes Organ“

Organspende: Lebensrechtsverbände und Bischöfe kritisieren Widerspruchslösung

Operationsteam (Illustration)
Jafar Ahmed / Unsplash (CC0)

Im Vorfeld zur heutigen Entscheidung des Deutschen Bundestags zur Neuregelung der Organspende haben einige Bischöfe die sogenannte "Widerspruchslösung" kritisiert, die Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vorgelegt hat. Demnach soll jeder Bürger, der nicht ausdrücklich widerspricht, automatisch als Organspender zur Verfügung stehen. Am Mittag wurde bekanntgegeben, dass die Mehrheit in der namentlichen Abstimmung mit 382 zu 261 Stimmen gegen den Entwurf zur Widerspruchslösung stimmte. Eine Schlussabstimmung soll noch folgen.

In einem Videostatement warnte der Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki davor, dass der Mensch durch die Widerspruchslösung instrumentalisiert werden könne, was der personalen Freiheit nicht gerecht werden würde.

"Die Würde des Menschen ist auch im Sterben und sogar über den Tod hinaus unantastbar. Die Freiheit bei dieser Entscheidung darf deshalb nicht beschnitten werden. Was für jede Spende gilt, ist in diesem Fall ganz besonders wichtig: Die Organspende muss freiwillig sein."

Die Organspende sei ein besonderes Zeichen der Solidarität von Menschen untereinander sogar über den Tod hinaus, betonte der Kardinal. Wer sich für die Organspende entscheidet, verdiene deshalb die Hochachtung aller: "Ich bin für die freiwillige Organspende, denn sie kann Leben retten".

In einem Gastbeitrag für die Berliner Boulevardzeitung "B.Z." schlägt der Berliner Erzbischof Heiner Koch eine neue Lösung vor: "Warum sollte nicht jeder Erwachsene bei der Ausstellung eines Ausweispapiers mit der Frage konfrontiert werden, ob er Organe zu spenden bereit ist oder nicht oder diese Entscheidung derzeit treffen kann oder will". Dadurch gäbe es "eine Art Meldepflicht, aber gleichzeitig eine maximale Entscheidungsfreiheit". Dadurch müsste sich jeder mit dem Pro und Kontra einer Organ- oder Gewebespende auseinandersetzen: "Alle müssten sich, um es mit einem Wort der Bibel zu sagen, 'auf Herz und Nieren prüfen' und dann eine gut begründete Entscheidung treffen."

Erzbischof Koch betonte aber auch:

"Wer kein Organspender sein will, braucht niemandem darüber Rechenschaft abzulegen."

Auch der Bischof von Essen, Franz-Josef Overbeck, erinnerte an die Wichtigkeit der Freiwilligkeit. Gegenüber dem "Domradio" machte er deutlich:

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"Wichtig ist, darauf hinzuweisen: Es ist immer gut, ein Organ zu spenden. Aber es muss ein freier Akt sein, den ein Mensch als Person setzt. Denn es geht dabei um die Integrität des eigenen Körpers und damit auch des Menschen, der das Organ spendet. Das zweite ist: Eine Spende ist eine Spende, und die ist immer freiwillig. Darüber kann man nicht durch ein Gesetz von vornherein entscheiden."

In einer gemeinsamen Erklärung unterstützen der Bischof von Speyer, Karl-Heinz Wiesemann und der Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche der Pfalz, Christian Schad, das Ziel, die Zahl der Organspenden in Deutschland zu erhöhen. "Aus christlicher Sicht muss eine Organspende immer die Frucht einer persönlichen Auseinandersetzung und das Ergebnis einer freiwillig getroffenen Entscheidung sein." Die vorgeschlagene Widerspruchslösung sei daher "ethisch, rechtlich und seelsorglich hoch problematisch".

Auch der Lebensrechtsverband "Aktion Lebensrecht für Alle" (ALfA) kritisierte Spahns Entwurf:

"Der Gesetzentwurf (Drucksache 19/11096) läuft auf eine Vergesellschaftung des Körpers hinaus und degradiert den menschlichen Leib zu einem Ersatzteillager. Dass Menschen einer Organentnahme erst ausdrücklich widersprechen müssen, um ihr im Falle eines diagnostizierten Ausfalls sämtlicher Hirnfunktionen auch entkommen zu können, macht aus der Organspende unter der Hand eine Organabgabepflicht."

Stattdessen halte der Entwurf der Abgeordneten um Grünen-Chefin Annalena Baerbock "erfreulicherweise an der Organspende als einer ungeschuldeten Gabe fest". Auch der Vorschlag der AfD ziele auf eine Verbesserung der derzeit geltenden Gesetzlage, insbesondere durch eine umfassendere Aufklärung potentieller Spender sowie eine bessere Betreuung der Angehörigen von Organspendern. "Diese richtigen Forderungen dürften jedoch bedauerlicher Weise aufgrund des sonstigen und mitunter hoch problematischen Auftretens der Partei keine Aussicht haben, im Bundestag eine Mehrheit zu finden", so die ALfA in ihrer Stellungnahme.

Der Verband erinnerte außerdem daran, dass die Organspende an Voraussetzungen hinge, die ebenfalls noch nicht zu Ende diskutiert seien:

"Was in der Debatte grundsätzlich fehlt, ist eine vorurteilsfreie und ergebnisoffene Auseinandersetzung mit der Kritik, die zahlreiche Experten – darunter auch Neurologen, Chirurgen und Anästhesisten (z.B. D. Alan Shewmon, UCLA / Robert D. Truog, Harvard Medical School) – an der Hirntod-Theorie vorbringen. Diese ist als solche zwar nicht grundsätzlich neu, hat aber in den letzten Jahren derart beachtliche Weiterungen erfahren, dass es nicht länger statthaft sein sollte, zu behaupten, ein Patient, bei dem ein Ausfall sämtlicher Hirnfunktionen korrekt diagnostiziert wurde, sei auch in jedem Fall bereits tot. Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass es sich bei ihnen zumindest in vielen Fällen um Sterbende handelt, für die eine Rückkehr in ein bewusstes Leben medizinisch unmöglich geworden ist."

Der deutsche Ethikrat hatte in einer Stellungnahmein der Stellungnahme ("Hirntod und Entscheidung zur Organspende", Berlin 2015 S. 84ff) vermerkt, dass das eine Entnahme lebensnotwendiger Organe nicht in jedem Fall unmöglich mache, sollte allerdings nach Ansicht der ALfA bei der Aufklärung potenzieller Organspender zwingend Berücksichtigung finden. "Die unterschiedslose Rede von 'postmortaler Organspende' ist jedenfalls so unseriös wie falsch und verbietet sich daher", so die Lebensrechtler.

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Zuletzt aktualisiert um 11:47 Uhr mit dem Ergebnis der Abstimmung.

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