Umgang mit Missbrauch im Erzbistum Paderborn: Schwere Vorwürfe gegen zwei Erzbischöfe

Kardinal Johannes Joachim Degenhardt
Kardinal Johannes Joachim Degenhardt
Pressestelle EGV / Wikimedia (CC BY-SA 3.0)
Der Paderborner Dom.
Der Paderborner Dom.
Wikimedia / CC BY 2.0 de

Schwere Vorwürfe gegen zwei Erzbischöfe hat eine Zwischenbilanz des Untersuchungsberichts sexueller Gewalt im Erzbistum Paderborn erhoben. Darin stellen Forscher ein gravierendes Fehlverhalten der Kardinäle Lorenz Jaeger und Johannes Joachim Degenhardt fest.

Der Zwischenbericht wurde am gestrigen Montag in Paderborn vorgestellt. 

Die Historikerinnen Christine Hartig und Nicole Priesching der Universität Paderborn prüfen im Auftrag der Diözese die Fälle. Die Untersuchung „Missbrauch im Erzbistum Paderborn – Eine kirchenhistorische Einordnung. Die Amtszeiten von Lorenz Jaeger und Johannes Joachim Degenhardt (1941-2002)“ ist auf vier Jahre angelegt.

Nach Angaben der Wissenschaftlerinnen sollen 160 beschuldigte Priester im Zeitraum von 1941 bis 2002 weitaus mehr Kinder und Jugendliche sexuell missbraucht haben als bisher bekannt.

Wieviele Opfer es genau durch Missbrauch und Vertuschung gab, ist unklar. Neben einer vermutlich hohen Dunkelziffer gebe es oft nur ungenügende oder geschwärzte Angaben in kirchlichen wie weltlichen Akten, so Professor Nicole Priesching laut einem Bericht des WDR.

Eine ganze Reihe schwerer Vorwürfe werden in diesem Zusammenhang gegen die zu dieser Zeit amtierenden Erzbischöfe Lorenz Jaeger und Johannes Joachim Degenhardt erhoben. Diese seien dafür verantwortlich, dass die beschuldigten Priester versetzt wurden –  nicht selten wurden am neuen Einsatzort wieder sexuelle Gewalttaten begangen.

„In manchen Fällen hat es Vereinbarungen mit Staatsanwaltschaften gegeben, dass auf Bewährung verurteilte Täter nicht mehr in Gemeinden eingesetzt werden sollen, und dennoch ist das geschehen“, so Priesching. Auch sei vom Erzbistum Druck auf Betroffene und ihre Familien ausgeübt, keine Anzeige zu erstatten. 

„Dass es oft nicht zur Strafverfolgung gekommen ist, lag nicht nur daran, dass es einen untätigen Erzbischof in Paderborn gab, sondern an vielen anderen Hürden“, berichtet Christine Hartig weiter. In vielen Familien wurde den Kindern nicht geglaubt. Wenn sie versucht haben, sich zu schützen und etwa nicht mehr zum Ministrantenunterricht gegangen sind, haben manche Eltern Druck ausgeübt, dass sie dorthin gehen. Im Falle einer Strafanzeige seien Familien oft an Ermittlungsbehörden geraten, die ihnen nicht geglaubt und den Kindern gedroht haben.  

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Kardinal Lorenz Jaeger (Bundesarchiv/Brodde/CC-BY-SA 3.0de) 

Kardinal Jaeger (1892-1975) war ab 1941 Erzbischof von Paderborn. Seine Ehrenbürgerschaft Paderborns löste bereits 2015 eine Kontroverse aus, weil dem einflussreichen Kirchenmann vorgeworfen wird, ein Kollaborateur der Nazis gewesen zu sein. Diese Vowürfe sind ebenfalls Gegenstand einer 450 Seiten langen Studie im Auftrag der Erzdiözese geworden. Darin wird der Kirchenmann als "nationalreligiöser Kriegsbefürworter" bewertet, der jedoch kein rassistischer Nationalsozialist gewesen sei. 

Kardinal Degenhardt (1926-2002) war Träger zahlreicher hoher Orden und Auszeichnungen, unter anderem war auch er Ehrenbürger der Stadt Paderborn. Am 27. Oktober 1993 wurde ihm vom damaligen nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Johannes Rau das Große Bundesverdienstkreuz mit Stern verliehen. Sein Nachfolger seit 2003 ist Hans-Josef Becker.

LINK-TIPP: Betroffene und Zeitzeugen finden auf der Projektseite der Untersuchung weitere Informationen und Kontaktangaben. 

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