Fulda, 23 September, 2021 / 3:40 PM
Mit einem Appell um Vertrauen – und das Bemühen um Vertrauen – haben die deutschen Bischöfe in Fulda ihre Vollversammlung beendet. Vor dem Hintergrund der Missbrauchs- und Vertuschungskrise kündigten die Kirchenvertreter die Einführung einheitlicher Personalakten für Kleriker in den deutschen Diözesen an.
Außerdem äußerten sie sich zur Missbrauchsaufarbeitung, zu Anerkennungszahlungen, der kommenden Weltsynode über Synodalität – und zum "Synodalen Weg". Hierbei gehe es um zwei Wege mit dem gleichen Ziel, so Bätzing am 23. September.
In der Abschlusspressekonferenz am Mittwochnachmittag (hier im Video) unterstrich der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing von Limburg, es gehe darum, das "Vertrauen derer, die zu uns gehören, nicht weiter zu enttäuschen".
Einen "Überlebenskampf" habe er nicht wahrgenommen, so Bätzing, stattdessen sei die Atmosphäre unter den Bischöfen "sehr hoffnungsvoll" gewesen.
In den vergangenen vier Tagen haben sich Deutschlands Bischöfe über die Aufarbeitung sexueller Gewalt und Vertuschung durch Kleriker und Mitarbeiter, den umstrittenen "Synodalen Weg" sowie die Lage Afghanistans unterhalten. Die über 60 Teilnehmer wählten auch neue Mitglieder der Kommissionen.
Zum "Synodalen Weg" soll nächste Woche in Frankfurt am Main die nächste Synodalversammlung stattfinden.
Neue "Personalaktenordnung"
In der Pressekonferenz erklärte Bätzing, dass eine Standardisierung der Personalaktenführung von Klerikern ab dem 1. Januar 2022 in Kraft treten soll. "Aufgrund einer heterogenen und nicht selten mangelhaften Praxis der Aktenführung sowie der Dokumentation von Hinweisen auf sexuellen Missbrauch" – so Bätzing wörtlich – habe die Vollversammlung diese Vereinheitlichung beschlossen.
Die Personalaktenordnung (PAO) soll als diözesanes Gesetz möglichst wortlautidentisch in den Amtsblättern der (Erz-)Diözesen veröffentlicht werden.
Die PAO auch vom Betroffenenbeirat "zustimmend zur Kenntnis genommen", teilte der Bischofskonferenz-Vorsitzende mit. Der Betroffenenbeirat erweise sich "als starkes Instrument" und als "kritischer Partner" in der Aufarbeitung, so Bätzing weiter.
Zusätzlich zu den unabhängigen Ansprechpersonen soll es auch unabhängige Anlaufstelle geben. Nichtkirchliche Fachberatungsstellen sollen Betroffenen eine "niedrigschwellige, unabhängige und ergebnisoffene Beratung auch zum kirchlichen Anerkennungsverfahren ermöglichen".
Anerkennungsleistungen für Betroffene
Wie CNA Deutsch berichtete, hatte die deutsche Bischofskonferenz bereits bei ihrer Herbst-Vollversammlung im vergangenen Jahr ein einheitliches, bistumübergreifendes System für die Zahlung von Anerkennungsleistungen an Opfer sexuellen Missbrauchs beschlossen. Demnach sollen Betroffene, die Opfer von Missbrauch durch kirchliche Mitarbeiter geworden sind, eine Einmalzahlung von bis zu 50.000 Euro erhalten, die sich an den gängigen Gerichtsurteilen orientiert.
Diese Verfahrensordnung trat zum 1. Januar 2021 in Kraft (CNA Deutsch hat berichtet). Bätzing sagte, dass das neue Verfahren den Forderungen nach mehr Unabhängigkeit, mehr Transparenz, Einheitlichkeit und höheren Leistungen nachkomme. "Aufgrund des hohen Antragsaufkommens in den ersten Monaten und der damit verbundenen Bearbeitungsdauer wird das Verfahren allerdings unter anderem von Betroffenen kritisiert", räumte der Limburger Bischof ein.
Die enttäuschten Erwartungen bedauere man sehr, so Bätzing. Jedoch trage das "weiterentwickelte Verfahren" zahlreichen Anforderungen Rechnung, "die seinerzeit von Betroffenen und aus der Wissenschaft eingebracht wurden".
Bätzing wörtlich: "Das Verfahren ist transparent, die Mitglieder der Kommission sind ebenso bekannt wie die Kriterien, die berücksichtigt werden. Das weiterentwickelte Verfahren ist auch ein einheitliches Verfahren für Diözesen und Orden. Auch die Leistungshöhe wurde deutlich angehoben. Hier lehnen wir uns an einen rechtsstaatlich üblichen und von der Kirche unabhängigen Referenzrahmen an. Die Höhe der Leistungen orientiert sich an Schmerzensgeldzahlungen staatlicher Gerichte in vergleichbaren Fällen."
(Die Geschichte geht unten weiter)
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Der "Synodale Weg" und die "systemischen Faktoren des Missbrauchs"
"Die Kirche muss sich ändern", so Bätzing. Die "systemischen Faktoren des Missbrauchs" müssten noch weiter erforscht werden. Auch damit befasse sich der "Synodale Weg". Die Kirche sei in der Diskussion um Reformen jedoch an gewissen Grundvoraussetzungen gebunden, räumte der Limburger Bischof ein: Die Heilige Schrift, die Tradition der Kirche, das Lehramt seien ein verbindliches Fundament. Allerdings müssten seines Erachtens zusätzlich "die Zeichen der Zeit" beachtet werden, wie auch der "Glaubenssinn der Gläubigen, der sich einfach artikuliert", so der Prälat wörtlich.
Dieser "Glaubenssinn der Gläubigen" entwickle im "Synodalen Weg" eine "erhebliche Kraft", behauptete Bätzing. Bischöfe könnten deshalb "nicht einfach sagen, das passt mir nicht".
"Deshalb gilt es, wie das Zweite Vatikanische Konzil es ausgedrückt hat, die Zeichen der Zeit im Licht des Evangeliums zu deuten. Dafür ist in einer synodal verfassten Kirche ein gutes Hören aufeinander wichtig, bei dem der Glaubenssinn der Gläubigen ebenso eine Bedeutung hat wie die theologische Reflexion und die Weisungen des kirchlichen Lehramtes."
Bätzing über die Weltsynode
Die Ankündigung von Papst Franziskus, eine weltweite Bischofssynode über Synodalität einzuberufen, bezeichnete Bätzing als ein "Zeichen der Hoffnung und Zuversicht". Papst Franziskus zeige mit der Synodalitätssynode "einen neuen Stil von Synodalität".
"Mich ermutigt das Dokument, diesen Weg mitzugehen und gleichzeitig die Erfahrungen des 'Synodalen Weges' bei uns in die weltkirchlichen Beratungen einzubringen. Unser Weg in Deutschland praktiziert bewusst die Weise der Unterscheidung und Umkehr - wie sie im römischen Dokument angesprochen wird - im Hinblick auf den spezifischen Kontext von Missbrauchserfahrungen einerseits sowie einer gelebten Zeitgenossenschaft andererseits."
Der "Synodale Weg" in Deutschland und die Weltsynode über Synodalität seien "zwei Wege", die das gemeinsame Ziel haben, "die Frohe Botschaft des Evangeliums heute unter den 'Zeichen der Zeit' sichtbar und lebbar zu machen".
Neue Leitlinien zur Jugendpastoral
Der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz verkündete heute auch, dass die neuen Leitlinien zur Jugendpastoral verabschiedet worden sind. "Mit Blick auf die veränderte Lebenswirklichkeit junger Menschen" habe sich die Jugendkommission (damals noch unter der Leitung von Bischof Stefan Oster) für eine Neufassung der Leitlinien zur Jugendpastoral aus dem Jahr 1991 ausgesprochen. "Dem haben wir zugestimmt und in dieser Vollversammlung die neuen Leitlinien zur Jugendpastoral beschlossen", so Bätzing. Weiter:
"Sie greifen theologische und pädagogische Weiterentwicklungen sowie die Papiere der Jugendsynode von 2019 auf. Wenn junge Menschen heute nach einem tragfähigen Lebens- und Gottesglauben suchen, so geschieht dies in einer weltanschaulichen Vielfalt und in einer Zeit, in der Kirche von vielen nicht mehr als Ort für weltanschauliche Orientierung oder sogar Gottessuche wahrgenommen wird."
"Haben das Thema 'Traditionis Custodis' nur kurz berührt"
Auf die Nachfrage, ob es schon einheitliche Regelungen zum Motu Proprio "Traditionis Custodis" gibt, welches Papst Franziskus am 16 Juli herausgegeben hatte (CNA Deutsch hat berichtet), erklärte der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, man habe dieses Thema "nur kurz berührt". Das Motu Proprio regle bereits "alles", so Bätzing. Jedoch habe man bereits einen Auftrag an die Liturgiekommission gegeben.
Gegenüber CNA Deutsch hatte das Bistum Limburg - dem Georg Bätzing als Bischof vorsteht - erklärt: An "der bisher bewährten Praxis - eigens für die außerordentlichen Form des römischen Ritus beauftragte Priester vollziehen die Feier an festgelegten Orten (z.B. Deutschordenskirche Frankfurt) - wird sich zunächst nichts ändern".
Mit dem Motu proprio "Traditionis Custodes" verfügt Papst Franziskus mit sofortiger Wirkung weitreichende und tiefgreifende Änderungen des Schreibens Summorum Pontificum seines Vorgängers Benedikt XVI. aus dem Jahr 2007. Dieses erkannte das Recht aller Priester an, die Messe unter Verwendung des Römischen Messbuchs von 1962 zu feiern.
In einem Begleitbrief an die Bischöfe, in dem er seine Entscheidung darlegt, schreibt Papst Franziskus: "Zur Verteidigung der Einheit des Leibes Christi sehe ich mich gezwungen, die von meinen Vorgängern gewährte Erlaubnis zu widerrufen. Der verzerrte Gebrauch, der von dieser Erlaubnis gemacht worden ist, steht im Widerspruch zu den Absichten, die zur Gewährung der Freiheit geführt haben, die Messe mit dem Missale Romanum von 1962 zu feiern."
Das neue Motu proprio, das mit sofortiger Wirkung herausgegeben wurde, besagt einerseits, dass ausschließlich der jeweilige Ortsbischof entscheiden kann, die Feier der lateinischen Messe in der überlieferten Form in seiner Diözese zu autorisieren. Andererseits setzt es fest, dass die Bischöfe keine Messen im usus antiquior in Pfarrkirchen feiern lassen dürfen, und jeder neu geweihte Priester, der die heilige Messe in dieser Form des römischen Ritus feiern will, muss nach diesen Maßgaben dafür einen Antrag in Rom stellen.
Erzbischof Heße wieder im Amt
Bereits vergangene Woche hatte der Vatikan mitgeteilt, dass Papst Franziskus den Amtsverzicht des Hamburger Erzbischofs Stefan Heße nicht annimmt (CNA Deutsch hat berichtet).
Das im März vorgestellte Missbrauchsgutachten des Erzbistums Köln belastet den früheren Personalchef schwer und weist ihm insgesamt elf Pflichtverletzungen in neun Aktenvorgängen nach. Heße hatte noch am selben Abend dem Papst seinen Rücktritt angeboten und war bis letzte Woche weitgehend aus der Öffentlichkeit verschwunden.
Bätzing betonte bei der Abschlusspressekonferenz, dass es "uns Bischöfen wirklich bewusst" sei, dass die Entscheidung des Papstes viele Menschen "irritiert" habe. Er biete dem Hamburger Erzbischof jedoch seine Unterstützung an, das verlorengegangene Vertrauen wiederzugewinnen.
Letzte Woche hatte der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz in einer ersten Reaktion erklärt, dass der Papst den Rücktritt Heßes nicht angenommen habe sei "gut so, und dafür bin ich dankbar".
Neuer Jugendbischof, Medienbischof Marx
Am Dienstag hatten die Mitglieder der 14 bischöflichen Kommissionen für die neue Arbeitsperiode 2021 bis 2026 gewählt. Der Passauer Bischof Stefan Oster ist künftig nur noch stellvertretender Vorsitzender der Jugendkommission. Sein Amt als Jugendbischof wird nun vom Osnabrücker Weihbischof Johannes Wübbe übernommen.
Neuer Medienbischof wird indes der Münchener Erzbischof, Kardinal Reinhard Marx. Auch die Glaubenskommission hat einen neuen Vorsitzenden. Bischof Franz-Josef Overbeck (Bistum Essen) wird sie künftig leiten. Stellvertretender Leiter ist Bischof Rudolf Voderholzer von Regensburg.
Weil der bisherige Leiter der Pastoralkommission, Bischof Franz-Josef Bode (Bistum Osnabrück), im Februar 2026 das 75. Lebensjahr erreicht und damit beim Papst seinen altersbedingten Rücktritt einreichen muss, gibt er ebenfalls den Vorsitz ab an den Mainzer Bischof Peter Kohlgraf.
Aus Altersgründen wird auch Erzbischof Ludwig Schick (Erzbistum Bamberg) nicht länger Vorsitzender der Kommission Weltkirche sein. Sein Nachfolger ist der Bischof von Augsburg, Bertram Meier. Ferner wurde der Fuldaer Bischof Michael Gerber zum Vorsitzenden der Kommission für Geistliche Berufe und Kirchliche Dienste gewählt, der Hildesheimer Bischof übernimmt den Vorsitz der Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen.
Nuntius mahnt zur Einheit mit der Weltkirche - erneut
Wiederholt hat der Apostolische Nunitus von Deutschland, Erzbischof Nikola Eterovic, die deutschen Bischöfe ermahnt, in der Einheit mit der Weltkirche zu bleiben (CNA Deutsch hat berichtet).
In seinem Grußwort zum Auftakt der Herbstvollversammlung der deutschen Bischofskonferenz (hier in voller Länge) ermahnte er die Hirten auch, die Weisungen des Papstes zu befolgen. Der Nuntius erinnerte an den Brief des Papstes "An das pilgernde Volk Gottes in Deutschland" und forderte, dass der Weg aus der Glaubenskrise heraus in der Evangelisierung liegen müsse.
Bischof Bätzing zitierte in der Pressekonferenz zum Abschluss der Herbstvollversammlung einen Auszug aus dem Grußwort des Nuntius, in dem Nikola Eterovic mit Nachdruck appellierte:
"Das Ziel jeder Reform und kirchlichen Erneuerung ist die Heiligkeit der Glieder der Kirche."
"Dem kann und möchte ich gerne und ausdrücklich zustimmen", so Bätzing in seinem Schlusswort am Donnerstag. "Die Worte von Papst Franziskus, die der Apostolische Nuntius zitiert, mache ich mir gerne zu eigen und rufe sie hier in Erinnerung: Es geht darum, 'den Glauben zu erneuern und somit die katholische Kirche im Einsatz für die Evangelisierung zu stärken'."
Bereits bei der Frühjahrsvollversammlung im Februar hatte Eterovic an den deutschen Episkopat appelliert, die "lebendige Tradition der Kirche" zu wahren (CNA Deutsch hat berichtet).
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