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Um eine Philosophie des Guten: 41. Finis operis und Maximen

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Es gibt kategorische Handlungsverbote, weil es Handlungen gibt, die in sich schlecht sind. Ein Beispiel, das die Philosophin G. E. M. Anscombe anführt, ist die ungerechte Verurteilung eines Unschuldigen durch einen Richter. Sie will mit jemanden, der dies für moralisch vertretbar hält, gar nicht erst diskutieren, denn: „he shows a corrupt mind.“

Es gibt böse Handlungen, die mit einer guten Gesinnung unvereinbar sind. Das Umgekehrte gilt nicht: Jede gute Handlung kann mit einer schlechten Gesinnung verbunden sein. Taten der Nächstenliebe beispielsweise können mit einer schlechten Absicht vollzogen werden. In einem solchen Fall habe ich eine gute Gesinnung vorgetäuscht, ohne sie wirklich zu besitzen. Das Umgekehrte ist nicht möglich: Ich kann nicht einen Menschen betrügen, ausbeuten oder quälen und dann sagen: „Meine schlechte Gesinnung ist nur vorgetäuscht, in Wirklichkeit achte und liebe ich dich.“ Wahre Achtung vor dem Nächsten verbietet es, ihn zu instrumentalisieren.

Hier gibt es also eine Asymmetrie: Schlechte Taten können durch eine gute Absicht nicht in gute Taten verwandelt werden. Wohl aber können gute Taten durch eine schlechte Absicht in moralisch schlechte verwandelt werden. Der gute Zweck heiligt nicht die schlechten Mittel. Aber der schlechte Zweck verdirbt die guten Mittel. Ich kann zum Beispiel Almosen geben allein um des eitlen Ruhmes willen. Böse Menschen können aus Täuschungsabsichten Gutes tun. Das Umgekehrte ist nicht auf beliebige Weise möglich. Sicherlich kann es Fälle geben, in denen es erlaubt ist, die gute Absicht zu verbergen. Aber ich darf zu diesem Zweck nichts Böses tun.

Es gibt Handlungen, die ich nicht vollziehen kann, ohne dadurch aufzuhören, ein guter Mensch zu sein. Es gibt Handlungen, die meine moralische Integrität zerstören – oder aber beweisen, dass ich schon zuvor „a corrupt mind“, einen verdorbenen Charakter besaß.

Dem aufmerksamen Leser wird nicht entgangen sein, dass ich in diesen Ausführungen die Ausdrücke „gute Absicht“ und „gute Gesinnung“ in einem Sinne gebraucht habe, der sie austauschbar macht. Bei Immanuel Kant ist das anders. Bei ihm gibt es einen Gebrauch des Absichts-Begriffs, der ihm eine Bedeutung unterstellt, die von der Gesinnung unabhängig ist.

Schauen wir uns die folgende Stelle aus seiner Grundlegung an: „Eine Handlung aus Pflicht hat ihren moralischen Wert nicht in der Absicht, welche erreicht werden soll, sondern in der Maxime, nach der sie beschlossen wird“ (GMS 399, 36 f). Die Absicht geht auf den Handlungszweck. Ich will mit meiner Handlung irgendetwas in der Erscheinungswelt bewirken. Der Zweck ist also etwas Empirisches. Da Kant den moralischen Wert von aller Empirie unabhängig machen will, muss er folglich der Absicht jede Relevanz für den moralischen Wert der Handlung absprechen. Genau das tut er hier!

Stattdessen hängt nach Kant der moralische Wert der Handlung von der Maxime ab, nach der sie beschlossen wird. Die Maxime muss nämlich gesetzestauglich sein. Die Maxime ist es, durch die die Handlung in ein Verhältnis zum Sittengesetz gebracht wird, und von diesem Verhältnis hängt ihre Moralität ab. Das Sittengesetz gebietet kategorisch a priori, also unabhängig von einer empirischen Bedingung. Für den moralischen Wert der Handlung ist also nicht ihre Beziehung zum Handlungszweck, sondern die zum Sittengesetz verantwortlich.

Dieses Auseinanderklaffen von Handlungszweck und Sittengesetz ist ein Kennzeichen von Kants Formalismus, und es ist klar, welches Problem sich hier sofort ergibt: Wie finden beide zueinander? Kant kann die (erst in der „Metaphysik der Sitten“ explizierte) Identität eines konkreten Handlungszwecks mit der Pflicht nur über die Idee des Maximengebrauchs vermitteln, und das in einer Weise, die – wie Dieter Henrich richtig bemerkt – „die Intention des sittlichen Bewusstseins“ verfehlt, weil ich zum Beispiel dem Nächsten nicht um des Nächsten willen helfe, sondern um der Gesetzestauglichkeit meiner Maximen willen.

In der aristotelisch-thomistischen Tradition ergibt sich dieses Problem nicht. Der Handlungszweck ist das Handlungsobjekt, der finis operis. Er spezifiziert die Handlung, d. h. er macht die Handlung zu dieser oder jener bestimmten Art von Handlung oder Handlungstyp, z. B. Almosengeben, Lügen, Stehlen. Der finis operis ist gleichzeitig auch für die Moralität der Handlung verantwortlich. Diese beiden Funktionen des finis operis, Handlungsspezifikation und moralische Qualifizierung der Handlung, fallen zusammen. Sie sind untrennbar verbunden. Almosengeben ist eine besondere Art von Hilfe, Hilfe ist eine besondere Art praktizierter Nächstenliebe, und das ist etwas Gutes. Folglich ist Almosengeben aufgrund seiner empirischen Eigenart eine gute Handlung. Wenn ich nach Maximen handle, dann ist es wiederum der finis operis, der über den Wert der Maximen entscheidet, nicht umgekehrt wie bei Kant.

Vom finis operis unterscheidet die klassische Moralphilosophie den finis operantis, d. i. den subjektiven Zweck, also die Absicht, die ich mit der Handlung verbinde. Stimmt meine Absicht mit dem finis operis überein, ist die objektiv gute Handlung auch subjektiv gut und besitzt jenen moralischen Wert, um den es Kant geht. Erst weil es objektiv gute Handlungen gibt, ist eine Verstellung aus Täuschungsabsichten, wie eingangs beschrieben, überhaupt möglich, nämlich immer dann, wenn der finis operantis vom finis operis abweicht: Ich gebe das Almosen nicht, weil ich dem Bedürftigen helfen will, sondern um in den Augen der Menschen gut dazustehen.

Die objektive Gutheit der Handlung ist also von meiner subjektiven Absicht und Gesinnung unabhängig. Wenn es sie nicht gäbe, könnte ich Moralität gar nicht vortäuschen. Statt „objektiver Gutheit“ kann man auch „Richtigkeit“ sagen. Das bedeutet dann: Ich tue das Richtige entweder, weil es richtig ist, oder aus einer anderen Absicht, die die Richtigkeit der Handlung zu anderen Zwecken instrumentalisiert. Umgekehrt aber ist es gerade die Richtigkeit der Handlung, ihre „objektive“ Moralität, die meine subjektive Absicht orientiert und meiner Handlung einen moralischen Wert verleiht, wenn ich mich von ihr orientieren und motivieren lasse: Weil es gut ist, Almosen zu geben, tue ich es auch.

Diese Möglichkeit steht Kant nicht zur Verfügung. Er kann aufgrund seiner Voraussetzungen die empirische Eigenart der Handlung nicht zur Bedingung ihrer Moralität machen. Diese macht er vielmehr ausschließlich von der Triebfeder des Handelns, also von der Motivation – von ihm „Bestimmungsgrund“ genannt – abhängig, und zwar in einer Weise, dass dieser Bestimmungsgrund um seiner Reinheit willen jeden empirischen Bestimmungsgrund, also den finis operis, ausschließt. Der einzige Bestimmungsgrund, der der Handlung ihren moralischen Wert verleiht, ist das Sittengesetz. In diesem Fall handle ich aus Achtung fürs Sittengesetz, d. i. aus Pflicht.

Allerdings offenbart, wie wir sehen werden, ein genauerer Blick, dass das Handeln aus Pflicht nicht identisch ist mit dem Handeln nach gesetzestauglichen Maximen, obwohl Kant genau diese Identität voraussetzt.

Die bisherigen Folgen im Überblick:

Hinweis: Meinungsbeiträge wie dieser spiegeln die Ansichten der jeweiligen Gast-Autoren wider, nicht notwendigerweise jene der Redaktion von CNA Deutsch.

(Die Geschichte geht unten weiter)

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