Paris, 20 Oktober, 2017 / 7:09 AM
Am vergangenen Sonntag wählte Österreich eine neue Regierung. Der 31 Jahre alte Sebastian Kurz ist im Begriff, Europas jüngster Regierungschef zu werden. Der nächste Kanzler Österreichs ist ein Katholik, der von sich selber sagt, dass ein Kreuz in seiner Wohnung hängt, und der Glaube für ihn wichtig sei – auch wenn er nicht so oft in die Kirche komme, wie er es gerne würde.
Zwei Strategien waren entscheidend für den Wahlerfolg von Sebastian Kurz. Erstens, Österreichs nationale Identität stärker zu profilieren, und zweitens, in der Frage der Massenmigration einen harten Kurs zu fahren – zumindest nach westeuropäischen Maßstäben.
Das mag man gut finden oder nicht – und das deutschsprachige Kommentariat zeigte sich meist entsetzt – das Wahlergebnis ist, ungeachtet der österreichischen Eigenarten, Teil einer breiteren Revolte gegen die EU und wofür diese steht.
Am 7. Oktober, eine Woche vor dem Urnengang der österreichischen Wähler, veröffentlichten zehn Intellektuelle aus acht europäischen Nationen einen Aufruf zu einem "Europa wo(ran) wir glauben können".
Die "Pariser Erklärung", schreiben sie, möchte "aktiv das beste an unserer Tradition wiederherstellen", und eine "friedliche, hoffnungsfrohe und vornehme gemeinsame Zukunft" aufbauen. Das mehr als 4.000 Worte starke Manifest erinnert daran, wovor die Päpste Europa immer wieder gewarnt haben: ihre christliche Seele zu verlieren.
So sagte Papst Franziskus dem Europa-Parlament am 25. November 2014:
"Von mehreren Seiten aus gewinnt man den Gesamteindruck der Müdigkeit, der Alterung, die Impression eines Europas, das Großmutter und nicht mehr fruchtbar und lebendig ist. Demnach scheinen die großen Ideale, die Europa inspiriert haben, ihre Anziehungskraft verloren zu haben zugunsten von bürokratischen Verwaltungsapparaten seiner Institutionen."
Drei Jahre später ist diese europäische Krankheit wie ein Ausschlag ausgebrochen, von Barcelonas Straßen zu den Bürokratien in Brüssel und Berlin, von der Londoner City zu den Stränden Lampedusas.
Wie die Pariser Erklärung warnt, steht Europa vor einer Herausforderung gewaltigen, in der Tat historischen Ausmaßes, zu deren Symptome der demographische Niedergang, Misstrauen in die Institutionen, Aufstieg des Populismus und Unabhängigkeitsbewegungen, Wellen unregulierter Massen-Einwanderung und wachsende Sorge über den Islamismus zählen.
Was auf dem Spiel steht, so die Unterzeichner – darunter die katholischen Philosophen Robert Spaemann (Freund und Berater der Vorgänger von Papst Franziskus), Rémi Brague (ein Ratzinger Preisträger), und Ryszard Legutko (Mitglied der polnischen Regierung) – ist tiefgreifender: Wenn Europa seine christlichen Wurzeln kappt, statt sich aus ihnen heraus zu erneuern, werden Europas Völker und Kulturen ihre Heimat verlieren.
Der deutsche Begriff unterstreicht, dass es dabei nicht um ein Dach über den Kopf geht, oder ein Zuhause. Heimat ist ontologisch verortet: Ein Ort des Daheim-Seins, des Gehörens. Das Gegenteil ist nicht Obdachlosigkeit, sondern Auslöschung, sei sie kultureller oder physischer Art – wie die Christen im Nahen Osten wissen.
Vom 9. bis 13. Oktober trafen sich Regierungsvertreter, Entscheidungsträger religiöser Gemeinschaften und Nichtregierungsorgansiationen, darunter die Alliance Defending Freedom (ADF), in Budapest zu einer Internationalen Beratung über die Christenverfolgung.
ADF-Executive Director Paul Coleman sagte im Vorfeld der Veranstaltung:
"Im Nahen Osten hat der IS [Islamische Staat, Anm.d.R.] gezielt versucht, die christlichen Gemeinden zu vernichten. Wir waren in Beirut, Amman und Erbil um uns mit christlichen Flüchtlingen aus dem Irak zu unterhalten. Wir sprachen mit ihnen, weinten mit ihnen, beteten mit ihnen. Wir dokumentierten ihre Erlebnisse, und gaben diese Beweise den Entscheidungsträgern. Immer mehr Regierungen, und jüngst sogar die USA, erkennen an, dass der IS einen Völkermord begeht".
Vor rund 300 Teilnehmern aus 30 Nationen sagte Ungarns Regierungschef, Ministerpräsident Viktor Orbán, dass die "intellektuelle Diskriminierung" gegen Christen in Europa "schmerzhaft aber auszuhalten" sei, aber die physischen Leiden der Christen in Afrika und im Nahen Osten werde von einem "apathischen Europa" ignoriert, dass "seine christlichen Wurzeln verleugnet".
"Eine Gruppe intellektueller und politischer Führer in Europa will eine gemischte Gesellschaft herbeiführen, welche die kulturelle und ethnische Identität Europas sowie seine christlichen Merkmale völlig verändern würde, in nur wenigen Generationen", sagte Orbán. "Ungarn dagegen tut das Gegenteil dessen, was Europa gerade tut."
(Die Geschichte geht unten weiter)
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Der britische Philosoph Sir Roger Scruton, einer der Unterzeichner der Pariser Erklärung, stimmte in einem Email-Interview mit CNA zu:
"Polen und Ungarn sind auf dem richtigen Weg. Man muss sich nur den Dogmatismus und die Grausamkeit des islamischen Wiedererwachens in Afrika und dem Nahen osten ansehen um zu erkennen, wie bedroht wir sind".
Sogar Kritiker der Pariser Erklärer räumen ein, dass es gute Gründe für diese existentielle Angst um Europa gibt. Eher tadeln sie die gelehrten Unterzeichner dafür, dies nicht noch klarer herausgearbeitet zu haben.
"Was ist Europa?" fragt Matthew Walther in "The Week”, um fortzufahren:
"Ich finde, Hilaire Belloc brachte es am besten auf den Punkt: ‘'Europa ist der Glauben, und der Glauben ist Europa'" – lakonisch fügt Walther hinzu: "Er hätte besser sagen sollen 'war'".
Nicht jeder ist so pessimistisch – am allerwenigsten die Päpste. Anfang der 2000er Jahre drängte der heilige Papst Johannes Paul II. eloquent, aber letztlich erfolglos, darauf, dass die Verfassung der EU die christlichen Wurzeln Europas erwähnt.
Unverdrossen kämpfe der damalige Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal Joseph Ratzinger, weiter. In einem Interview mit "Le Figaro" beurteilte er die Entscheidung der EU, jede Erwähnung Gottes zu vermeiden, als einen Fehler.
Als Papst Benedikt XVI. nutzte er 2005 die Gelegenheit seiner allerersten Generalaudienz, um an "die unverzichtbaren christlichen Wurzeln der europäischen Kultur und Zivilisation" zu erinnern.
Beim Besuch des Weltjugendtages in Köln im gleichen Jahr ermutigte er die über eine Million Christen, die zur Feier der heiligen Messe auf der Ebene von Marienfeld gekommen waren, ihre christliche Identität wiederzuentdecken, zum Teil ihres Lebens zu machen und an andere weiterzugeben.
Immer wieder betonte Papst Benedikt, dass die Zukunft des Christentums eine strahlende ist, auch in Europa – wenn auch aus langfristiger Perspektive.
Für den Augenblick steht Europa vor einem Kreuzweg; welche Rolle die Kirche dabei spielen sollte, dem Kontinent zu helfen bei der Wieder-Entdeckung seiner christlichen Seele, ist klar – zumindest für Roger Scruton.
"Die Katholische Kirche sollte tun, wozu sie berufen ist, namentlich das Evangelium predigen und den Glauben verteidigen", sagte er CNA.
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