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Neuer Rekord: 272.771 Katholiken kehrten 2019 der Kirche in Deutschland den Rücken

Leere Kirchenbänke (Referenzbild)

Es ist eine Bilanz des Scheiterns, die allerdings niemanden überrascht: So viele getaufte Katholiken wie noch nie haben sich im Jahr 2019 per Austritt von der Katholischen Kirche in Deutschland verabschiedet. Von denen, die noch offiziell dabei sind, empfangen immer weniger die Sakramente. 

Das belegen die "Eckdaten" der offiziellen Kirchenstatistik, die am heutigen Freitag von der deutschen Bischofskonferenz vorgestellt wurden. Sie werfen ein Schlaglicht auf die Dramatik der Lage in den 27 deutschen Diözesen:

  • 272.771 Katholiken sind 2019 aus ihrer Kirche ausgetreten – ein neuer Rekord; im Jahr 2018 waren es 216.078 Katholiken. 
  • Die Zahl der eigentlich praktizierenden Katholiken sinkt ebenfalls: Es gab 2019 weniger Taufen, Trauungen, Erstkommunionen und Firmungen, aber auch weniger Bestattungen. 
  • Das Sonntagsgebot wird im Durchschnitt von 90 Prozent der Katholiken ignoriert: Die Zahl der Gottesdienstbesucher ist auf durchschnittlich 9,1 Prozent gesunken.
  • Das Sakrament der Beichte ist offenbar "verschwunden": Es wird nicht statistisch erhoben oder auch nur erwähnt.
  • Die Zahl der angeführten Priester ist um 300 gesunken, auf 12.989.
  • Die Zahl der Pfarreien ist auf unter 10.000 gefallen.
  • Der Anteil der offiziell katholischen Bevölkerung in Deutschland liegt nun bei 22,6 Millionen Personen – das sind 27,2 Prozent der Gesamtbevölkerung.
  • Evangelisierung findet offenbar nicht messbar statt: Kircheneintritte gibt es verschwindend wenige; 2019 waren es 2330 Personen (davon 1989 Protestanten), und die ohnehin geringe Zahl der Wiederaufnahmen ist ebenfalls gesunken, auf 5.339.

Bischof Georg Bätzing von Limburg teilte in seiner Rolle als Vorsitzender der Bischofskonferenz am 26. Juni mit, an diesen Zahlen gebe es "nichts schönzureden". Er bedaure jeden Austritt und empfinde diese Rekordzahl als "belastend". Die Frage ist nun, ob und wie die Bischöfe diesmal reagieren werden. 

Ruf nach "mutigen Veränderungen"

Für Bischof Bätzing scheint der Fall klar zu sein: In seiner Stellungnahme fordert der Limburger Hirte "mutige Veränderungen in den eigenen Reihen".

"Deshalb haben wir uns im vergangenen Jahr auf den Synodalen Weg der Kirche in Deutschland gemacht, um zu fragen, was Gott heute von uns in dieser Welt will. Wir werden die heute veröffentlichten Zahlen ernst nehmen und mit in die Diskussionen des Synodalen Weges einbringen", so Bätzing. 

Aber ist es wirklich der sogenannte "Synodale Weg", den Gott von den Katholiken in Deutschland heute will? Oder ist es doch eher eine Frage der Evangelisierung? Bischof Bätzing wirft diese Frage am heutigen Freitag indirekt selber auf:

"Gleichzeitig müssen wir uns auch die Frage stellen, wie Evangelisierung unter den konkreten Zeitzeichen gelingen kann, die uns alle in einer freiheitlichen Gesellschaft prägen", so Bätzing in seiner Stellungnahme.

Die Befürchtung, dass der "Synodale Weg" das von Papst Franziskus vorgegebene Ziel der geistlichen Erneuerung und der Neuevangelisierung verfehle, hat in der Vergangenheit – neben mehreren anderen – auch der Jugendbischof der Bischofskonferenz, Stefan Oster, geäußert:

"Entleerter Glaubensinhalt und Struktur werden benutzt und missbraucht, um nur mehr Eigeninteressen zu verfolgen. Die Gefahr der Konzentration auf strukturelle Änderungen sehe ich auch für den 'Synodalen Weg' und bin deshalb dankbar um das Wort des Papstes, der auf den nötigen Primat der Evangelisierung auf diesem Weg hingewiesen hat."

Papst Franziskus hat in seinem Brief "An das pilgernde Volk Gottes in Deutschland" zur Neuevangelisierung aufgerufen und davor gewarnt, dass aktionistische Reformbemühungen "das Herz unseres Volkes einschläfern und zähmen und die lebendige Kraft des Evangeliums, die der Geist schenken möchte, verringern oder gar zum Schweigen bringen".

Wie kann also vor diesem Hintergrund der "Synodale Prozess" dazu führen, dass die Kirche unter ihren Gläubigen an Glaubwürdigkeit gewinnt? Das ist für die Bischöfe nun eine drängende Frage, zumal erstens dessen Grundlage, die "MHG-Studie", sowohl aus medizinischer Expertensicht wie Einschätzung einzelner Bischöfe in der Kritik steht; und zweitens viele der dort geforderten Änderungen zwar von protestantischen Geschwistern umgesetzt worden ist – aber ohne Relevanzgewinn: Laut der ebenfalls diese Woche veröffentlichten neuesten Statistik steht die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) noch deutlich schlechter da – obwohl diese einen Großteil der "Reformen" eingeführt hat, die einige Bischöfe und Theologen vom "Synodalen Weg" fordern.

Eines zeichnet sich ab: Die Rekord-Austritte werden die Debatte über den umstrittenen "Synodalen Weg" nicht zur Ruhe kommen lassen – im Klerus wie unter den Laien – so wie bereits die Millionen-Einbrüche bei den Kirchensteuereinnahmen das Risiko eines Verteilungskampfs bringen.

(Die Geschichte geht unten weiter)

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Kirchensteuer auf den Prüfstand?

Der Zusammenbruch der qualitativen wie quantitiven Zahlen der Kirche in Deutschland eskaliert nicht nur seit Jahrzehnten – er wird voraussichtlich auch anhalten: Bis zum Jahr 2060 soll sich die Zahl der Kirchensteuer zahlenden Christen in Deutschland halbieren, laut einer 2019 vorgestellten Prognose eines Projekts von Wissenschaftlern der Universität Freiburg.

Grund für den Einbruch sind auch hier vor allem hohe Austrittszahlen und weniger Taufen, aber auch der Mangel an Nachwuchs: Kindermangel und Überalterung in Deutschland allein bedeuten laut Prognose bis 2060 einen Rückgang von 21 Prozent - gut ein Fünftel also.

Andere Faktoren - etwa Austritte - bedeuten einen Rückgang von 28 Prozent - knapp ein Drittel der derzeitigen Mitgliedszahlen.

Insgesamt wird sich die Zahl der Kirchenmitglieder in Deutschland demzufolge um 49 Prozent verringern - zumindest derer, die auch Kirchensteuer zahlen, wie CNA Deutsch berichtete

Wie angesichts solcher Entwicklungen eine - ohnehin theologisch umstrittene - Kirchensteuer nach bisheriger Art aufrecht erhalten werden kann, ist eine zentrale Frage.

Ende März 2019 hatte der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke die Bischöfe aufgefordert, das Thema zu diskutieren

"Wir, die deutschen Bischöfe, müssen uns dringend damit befassen, wie es mit der Kirchensteuer weitergehen kann und soll. Diese Diskussion vermisse ich. Denn die katholische, aber auch die evangelische Kirche sieht sich jedes Jahr mit einer großen Zahl von Kirchenaustritten konfrontiert."

Zudem führe die Überalterung und der Kindermangel  – Hanke sprach von der "demografischen Entwicklung" – zu Konsequenzen.

"Spätestens in zehn Jahren werden die Kirchensteuereinnahmen einbrechen."

Ein besserer Weg für die Zukunft sei Freiwilligkeit, schlug Bischof Hanke vor. Die offizielle Website der Bischofskonferenz räumt auf ihrer "Projektseite" zu den Prognosen bereits 2019 ein, dass der Großteil des Rückgangs allein daran liegt, dass sich die Menschen von der katholischen - und evangelischen - Amtskirche abwenden.

Wie die Evangelisierung – trotz "Synodalen Wegs" – aussehen wird, angesichts der massiven Kirchenkrise und daraus resultierenden Glaubwürdigkeitskrise: Darauf werden auch die Bischöfe nun weiterhin Antworten finden müssen - und diese umsetzen. 

Bischof Bätzing kündigte heute an, dass ein Studientag auf der nächsten Herbst-Vollversammlung der Bischofskonferenz in Fulda dazu dienen soll.

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