Paris, 24 Juli, 2020 / 10:04 AM
Weltweit wurde über den Brand berichtet, der am 18. Juli in der gotischen Kathedrale St. Peter und St. Paul in Nantes wütete. Aber mutmaßliche Brandanschläge auf französische Kirchen machen in der Regel keine internationalen Schlagzeilen.
Seit dem Jahr 2010 dokumentiert das in Paris ansässige Observatoire de la Christianophobie – die Beobachtungsstelle für Christophobie – antichristliche Vorfälle in Frankreich und auf der ganzen Welt.
Auf interaktiven Karten werden die Attacken seit 2017 Monat für Monat eingetragen. Die Beobachtungsstelle ordnet sie in sechs Kategorien ein: Brandstiftung, Mord / Überfall, Vandalismus, Diebstahl, Bombenanschläge und Entführung.
Nach dem Brand von Nantes am vergangenen Samstag berichtete die Organisation von mehreren weniger öffentlich bekannten Vorfällen, darunter die Zerstörung eines Kruzifixes auf der Île-d'Arz in der Bretagne, das Vernichtung von Gemälden in einer Kirche in Auxerre und die Enthauptung einer Marienstatue in Montaud.
Statistiken zeigen, dass es in Frankreich – das manchmal als "älteste Tochter der Kirche" bezeichnet wird, weil der fränkische König Chlodwig I. im Jahr 496 den Katholizismus angenommen hat – fast drei solcher Angriffe pro Tag gibt.
Das französische Innenministerium verzeichnete im Jahr 2019 insgesamt 996 antichristliche Vorfälle - durchschnittlich 2,7 pro Tag. Die tatsächliche Zahl könnte höher liegen, da man davon ausgeht, dass die Beamten Brände aus unbestimmter Ursache in Kirchen im ganzen Land nicht zählen.
So verwüstete etwa am 4. Juli ein Feuer die Pfarrei St. Paul in Corbeil-Essonnes. Die Ermittler kamen zu dem Schluss, dass der Brand auf ein von Hausbesetzern verursachtes Gasleck zurückzuführen war, aber Einheimische bezweifeln diese offizielle Begründung.
Samuel Gregg, Forschungsdirektor am Acton Institute, sagte gegenüber CNA, die Flut von Zwischenfällen habe die französischen Behörden gezwungen, das Problem offen anzusprechen.
"In den vergangenen zwei Jahren haben französische Regierungsvertreter begonnen, öffentlich darüber zu sprechen, vielleicht weil die Sichtbarkeit solcher Angriffe jetzt so groß ist. Sowohl Präsident Emmanuel Macron als auch sein neuer Premierminister Jean Castex haben sich beispielsweise klar und deutlich zu dem jüngsten Anschlag auf die Kathedrale von Nantes geäussert", sagte er.
Während die Zahl der offiziell registrierten antichristlichen Vorfälle in den letzten zwei Jahren konstant geblieben ist (1.063 im Jahr 2018 und 1.052 im Jahr 2019), ist sie laut Ellen Fantini zwischen 2008 und 2019 um 285% gestiegen.
Fantini, die Direktorin des Observatoriums für Intoleranz und Diskriminierung von Christen in Europa (OIDACE) in Wien, sagte, der Trend steigender Angriffe beschränke sich nicht auf Frankreich. OIDACE verzeichnet auf seiner Website Angriffe auf Kirchen in Europa, aber offizielle Angaben sind schwer zu bekommen.
"Die meisten europäischen Länder stellen keine Statistiken über antichristliche Vorfälle zur Verfügung. Viele erfassen sie nicht einmal als solche. Ein weiteres Problem ist, dass viele Kirchenvertreter Vorfälle nicht einmal melden - sie machen einfach irgendwie weiter: aufräumen und weitermachen", sagte sie gegenüber CNA.
"In den Ländern, die Vorfälle melden, nehmen diese Zahlen ebenfalls zu. Nach den Daten, die Großbritannien der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) zur Verfügung gestellt hat, haben sich beispielsweise die antichristlichen Verbrechen von 2017 bis 2018 verdoppelt. Wir wissen, dass sie auch in Spanien, Deutschland und Schweden zunehmen".
In England und Wales bietet die Regierung Gotteshäusern, die potenziellen Hassattacken ausgesetzt sind, finanzielle Unterstützung an.
Auf die Frage, warum die Angriffe zunehmen, sagte Fantini: "Diese Frage ist kompliziert zu beantworten, weil wir so oft die Identität - oder sogar die ideologischen Beweggründe - der Täter nicht kennen. Manchmal sind die Motive klar, aber manchmal müssen wir nach bestem Wissen und Gewissen urteilen. In dem Maße, wie radikalisierte Bewegungen sowohl zahlenmäßig als auch in ihrer Intensität zunehmen, scheint auch die Zahl der Angriffe auf Kirchen zu steigen".
Sie fuhr fort: "Ich habe schon früher gesagt, dass Kirchen 'Blitzableiter' für Aktivisten sind. Und jede Gruppe hat ihre eigenen Gründe für ihre Entscheidung, eine Kirche anzugreifen. Kirchen können 'das Patriarchat', 'Autorität', 'Tradition', 'Homophobie', 'das christliche Abendland' usw. repräsentieren. Islamisten nehmen Kirchen aus anderen Gründen ins Visier als z.B. Anarchisten. Aber all diese Gruppen sind heutzutage mehr und mehr aktiv".
(Die Geschichte geht unten weiter)
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"Ein weiteres erschwerendes Problem ist die besondere Eigenschaft von Kirchen, die dazu neigt, sie verwundbarer zu machen - sie sind tagsüber für die Öffentlichkeit zugänglich und haben normalerweise nicht viel, wenn überhaupt, Sicherheit.
Für Fantini ist die wirksamste Art und Weise, auf die Angriffe zu reagieren, eine Aktion vor Ort.
Sie sagte: "Ich denke, es fängt bei den Kirchengemeinden und den Gläubigen an. Sie müssen Schutz fordern und ihre Stimme erheben, wenn ihre Kirchen ins Visier genommen werden. In Frankreich gibt es eine ausgezeichnete Initiative, die im vergangenen Jahr unter dem Namen "Protège ton église" (Schütze Deine Kirche) gestartet wurde. Junge Katholiken organisieren sich in Städten in ganz Frankreich, um ihre Kirchen nachts zu kontrollieren, Vandalen friedlich abzuschrecken oder zu melden und ihre Anwesenheit allgemein bekannt zu machen".
"Auch die Regierungen müssen anfangen, gefährdete Kirchen mit der gleichen Aufmerksamkeit zu schützen wie andere gefährdete Gotteshäuser".
Gregg stellte fest, dass französische Bischöfe sich zu den Angriffen geäußert haben, darunter Erzbischof Michel Aupetit von Paris und Erzbischof Éric de Moulins-Beaufort, Vorsitzender der französischen Bischofskonferenz.
"Es war auch ein Thema, das die französischen Bischöfe bei regelmäßig stattfindenden Treffen mit den staatlichen Behörden zur Sprache gebracht haben, unter anderem erst im März dieses Jahres, als sie um die Einführung eines Sicherheitsplans für die Kirchen baten", sagte er.
"Einige französische Bischöfe haben sich also proaktiv zu diesem Thema geäußert. Nichtsdestotrotz gehen die Angriffe weiter. Ein Teil der Herausforderung besteht darin, dass es sich dabei größtenteils um offene Gebäude handelt, so dass Katholiken und andere Menschen sie betreten und beten können; sie können und sollen nicht nur ein Museumsstück sein".
Gregg schlug vor, dass die Bischöfe in anderen europäischen Ländern dem Beispiel der französischen Bischöfe folgen sollten.
"Damit meine ich nicht eine weitere schmerzlose NGO-ähnliche Erklärung der Art, wie sie allzu viele europäische Bischöfe und Bischofskonferenzbürokratien herauszugeben geneigt sind und die niemand liest", sagte er. "Ich meine Bischöfe und Geistliche, die mit den Gläubigen über das Thema sprechen und häufiger in der Öffentlichkeit darüber sprechen", sagte er.
"Sie könnten Fragen stellen wie: 'Warum sind so viele Europäer angesichts von Angriffen auf Gebäude und Stätten, die Teil der europäischen Kulturlandschaft sind, ziemlich blasiert? Oder: 'Was sagt der anhaltende Vandalismus an religiösen Stätten über die Einstellung der Europäer zur religiösen Toleranz aus?
"Mit anderen Worten, es ist eine Gelegenheit, breitere Diskussionen über Themen anzuregen, die vom Stellenwert der Religion im modernen Europa bis zum unersetzlichen Beitrag des Christentums zur Entwicklung der westlichen Zivilisation reichen.
P. Benedict Kiely, der Gründer von Nasarean.org, einer Wohltätigkeitsorganisation, die verfolgte Christen unterstützt, sagte gegenüber CNA, dass Christen nicht schweigend zusehen sollten, wenn Kirchen angegriffen werden.
"Praktisch gesehen müssen Kathedralen usw. angemessenen Schutz durch zivile Behörden erhalten, und alle Angriffe auf Kirchen oder religiöse Darstellungen müssen als das behandelt werden, was sie sind - Hassverbrechen", sagte der Priester.
"Zweitens müssen wir unsere Stimme laut erheben, um diese anhaltenden Angriffe zu verurteilen und uns nicht zum Schweigen zwingen zu lassen. Unsere Führungskräfte müssen mutig sein".
Mit Blick auf die Zukunft sagte Fantini: "Wie viel schlimmer es werden kann, hängt davon ab, wie weit Aktivisten bereit sind, zu gehen. Wird ihnen das Niederbrennen von Kirchen reichen? Wird ihnen die Enthauptung von Statuen ausreichen? Auf jeden Fall stimmt mich das heutige Klima, sowohl in Europa als auch in Amerika, nicht optimistisch, dass sich die Lage bald bessern wird".
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