Essen, 06 Mai, 2021 / 8:57 AM
Der Essener Generalvikar Klaus Pfeffer hat den Umgang der Katholischen Kirche mit homosexuellen Paaren, die den kirchlichen Segen für ihre Beziehung erwarten, als "tief verletzend, Wunden schlagend, ganze Lebensgeschichten überschattend" bezeichnet. Auf der digitalen Fachtagung "Segen für alle. Segensfeiern für gleichgeschlechtliche Paare", die das Bistum Essen am vergangenen Freitag abhielt, sprachen sich mehrere Theologen dafür aus, dass sich die Kirche "aus der Vormoderne herausbewegen und auf den aktuellen Erkenntnisstand von Wissenschaft und Gesellschaft einlassen" müsse.
Angekündigt wurde dabei auch, dass entgegen der Weisung des Vatikans ein kirchliches Ritual für die Segnung homosexueller Verbindungen geplant sei: "Derzeit entwickeln einige Bistümer gemeinsam eine Handreichung zum Thema, die auch einen Vorschlag für den Ablauf einer Segensfeier enthalten wird", so die Hompage des Ruhrbistums am vergangenen Montag in ihrem Bericht über die Fachtagung unter dem Titel "Bistum Essen führt dringende Diskussionen um ein angstfreies Leben in der Kirche".
Durch das im März 2021 veröffentlichte Schreiben der Glaubenskongregation, das der Segnung gleichgeschlechtlicher Verbindungen eine definitive Absage erteilt hatte (CNA Deutsch hat berichtet), habe das Thema "aktuelle Brisanz" bekommen.
Als Reaktion darauf protestierten über 2.600 Theologen. Seelsorger riefen für den 10. Mai 2021 einen Aktionstag unter dem Motto "Segnungsgottesdiensten für Liebende" aus. Der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck erklärte bereits Mitte April in einem Interview, dass Priester in seinem Bistum mit keinen Konsequenzen rechnen müssten, wenn sie sich dem Verbot der Segnung homosexueller Verbindungen widersetzen. Er werde einen Priester seiner Diözese "nicht suspendieren oder andere Kirchenstrafen auf ihn legen", wenn dieser eine homosexuelle Beziehung segne.
Bistum Essen: "Nicht ob, sondern wie"
Auch der Essener Generalvikar Klaus Peffer unterstützt die Linie seines Bischofs, wie der Bericht auf der Essener Bistumsseite deutlich macht. Darin heißt es wörtlich:
"Tief verletzend, Wunden schlagend, ganze Lebensgeschichten überschattend: So agiert nach dem Eindruck des Essener Generalvikars Klaus Pfeffer die Kirche, wenn sie über das Leben homosexueller Paare urteilt, ihnen den Segen verweigert und es wagt, die verbindliche, treue Liebe zweier Menschen zur Sünde zu erklären. Damit soll nun endlich Schluss sein: Nicht ob, sondern wie sich Segensfeiern für homosexuelle Paare in der Kirche gestalten lassen, stand im Mittelpunkt der digitalen Fachtagung 'Segen für alle. Segensfeiern für gleichgeschlechtliche Paare' am Freitag, 30. April, im Bistum Essen."
Unter den rund 100 Teilnehmern der Tagung sei kein einziger dabeigewesen, der "die dringende Notwendigkeit dieser Segensfeiern in Frage gestellt hätte", heißt es weiter. Michael Dörnemann, Leiter des Dezernats Pastoral im Bistum Essen, bedauerte diesen Umstand, da es "für den Austausch der Argumente sicher hilfreich gewesen wäre".
Generalvikar Pfeffer betonte, dass man "in diesen aufgeladenen Zeiten beieinander bleiben" wolle. Einige Bistümer - welche das sind, wurde nicht deutlich gemacht - würden derzeit gemeinsam eine Handreichung erarbeiten, die auch einen Vorschlag für den Ablauf einer Segensfeier für homosexuelle Paare enthalten wird.
Der Liturgiewissenschaftler Benedikt Kranemann aus Erfurt plädierte dafür, eine vollständige, festliche Liturgie zu entwickeln mit Wortverkündigung, Segensgebet, Fürbitten und Ringtausch: "Segensfeiern sind Hochformen christlicher Liturgie, vergleichbar mit der Taufe" – und ein "Lackmustest" dafür, wie ernst es der Kirche mit ihrem neuen Blick auf gleichgeschlechtliche Partnerschaften sei, sagte Kranemann.
"Heutige Humanwissenschaften"
Der Mainzer Moraltheologe Stephan Goertz sagte auf der Tagung, das Lehramt der Kirche verkünde ein "vormodernes Konzept" von Sexualmoral, wenn es Sex und Zeugungsabsicht nicht trenne. Die Moraltheologie hingegen berücksichtige die Erkenntnisse "heutiger Humanwissenschaften zur freien Selbstbestimmungsfähigkeit des Menschen".
Für die Dogmatikerin Julia Knop aus Erfurt sei Homosexualität ein "vom Schöpfer gegebenes, prägendes Moment der Persönlichkeit, der Leiblichkeit, der Identität", auf dem Segen liege.
Der emeritierte Neutestamentler Michael Theobald aus Tübingen unterstützte diese Ansicht mit der Aussage , dass sich Homosexualität auch biblisch "als Variante der Schöpfung begründen" ließe. Die Bibeltexte stünden "mitunter in Spannung zueinander" und bräuchten "Sachkritik".
Dem Bistumsbericht zufolge wolle man nun "hartnäckig dran bleiben und mitreden, Texte schreiben, Tagungen veranstalten". Zudem sollen die Bischöfe darauf verpflichtet werden, sich an der Diskussion zu beteiligen und beispielsweise "an einem gemeinsam verabredeten Sonntag in allen Kirchen über Sex predigen". Beim strategischen Vorgehen könne man sich von der "Fridays for Future"-Bewegung "etwas abgucken".
Ein weitere Empfehlung des Plenums lautet, dass die Aktivisten ihre Solidarität öffentlich zeigen müssten, "damit die, die den Segen anbieten, keine Repressalien befürchten müssen".
(Die Geschichte geht unten weiter)
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Bätzing über geplanten Aktionstag: "Nicht hilfreich"
Für den kommenden Montag, dem 10. Mai, ist der bundesweite Aktionstag "Segnungsgottesdiensten für Liebende" geplant, bei dem auch gleichgeschlechtlichen Partnerschaften der Segen erteilt werden soll. Die Initiatoren protestieren damit ausdrücklich gegen die am 15. März 2021 von der Kongregation für die Glaubenslehre veröffentlichte Note, die erneut darlegte, warum die Kirche keinerlei Vollmacht habe, Verbindungen von Personen gleichen Geschlechts zu segnen.
Erst vergangene Woche bezeichnete der aktuelle Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing von Limburg, diese Protestaktion als "nicht hilfreich" (CNA hat berichtet) bezeichnet. In einer Pressemitteilung, die am 28. April von der deutschen Bischofskonferenz versendet wurde, mahnte Bätzing an, dass Segnungsgottesdienste "nicht als Instrument für kirchenpolitische Manifestationen oder Protestaktionen geeignet" seien.
Bätzing selbst ist ein Befürworter von kirchlichen Segnungen für gleichgeschlechtliche Paare und forderte erst im Dezember eine Umschreibung des Katechismus in Fragen der praktizierten Homosexualität.
Deutsche Bischöfe erneut im Blick der Weltkirche
Der offene Widerstand einer Gruppe deutscher Bischöfe – und von ihnen finanzierter Gremien und Medien – gegen die Bestätigung des Vatikans, dass homosexuelle Verbindungen in der Katholischen Kirche weiter nicht gesegnet werden können, sorgt seit Tagen für weltweites Aufsehen.
Bei einem Presse-Event, unter den Fahnen der LGBT-Bewegung und des "Zentralkomitee deutscher Katholiken", hatte Overbecks Aachener Amtsbruder Helmut Dieser am 27. März die Unterschriftenliste von zwei katholischen Priestern und LGBT-Aktivisten entgegengenommen und die Klarstellung aus Rom wörtlich als eine "Stellungnahme" bezeichnet, die für "Verärgerung und Irritationen" gesorgt habe. Die ihn begleitende ZdK-Funktionärin Birgit Mock ging noch weiter: Sie bezeichnete die Erklärung aus Rom als nicht vereinbar mit "unserem Menschen- und Gottesbild" und forderte – wie bereits Bischof Georg Bätzing und einige andere deutsche Kirchenvertreter – eine Abkehr von der bisherigen Lehre der Kirche.
Neben den Bischöfen Overbeck, Bätzing und Dieser haben sich auch Kardinal Reinhard Marx sowie die Bischöfe Franz-Josef Bode, Peter Kohlgraf und Heinrich Timmerevers für einen Segen für homosexuelle Partnerschaften ausgesprochen.
Andere Katholiken – darunter mehrere Kardinäle der Weltkiche und eine Zahl deutscher Bischöfe – haben das Schreiben des Vatikans dagegen ausdrücklich begrüßt und ihrerseits bestätigt, keine homosexuellen Verbindungen zu segnen. Dazu gehören Kardinal Rainer Maria Woelki von Köln und die Bischöfe Stephan Burger von Freiburg, Ulrich Neymeyer von Erfurt, Gregor Maria Hanke von Eichstätt, Wolfgang Ipolt von Görlitz, Stefan Oster von Passau, und Rudolf Voderholzer von Regensburg.
Unklar ist bislang, ob und wie der Vatikan – vor allem die Glaubenskongregation und Bischofskongregation – auf den offenen Widerspruch und angekündigte Segensfeiern reagieren werden angesichts der Tatsache, dass viele Bischöfe in Deutschland eine zumindest unklare Haltung zu dieser Situation einnehmen, sagen Beobachter.
Der australische Kardinal George Pell sagte in einem Interview mit Colm Flynn, das am 27. April auf EWTN ausgestrahlt wurde, dass "es einen Prozentsatz der deutschen Kirche gibt, der entschlossen in die falsche Richtung zu gehen scheint". Pell wörtlich:
"Die Pflicht der deutschen Bischöfe ist es, die Lehren der Heiligen Schrift zu vertreten, die Lehren der Kirche zu vertreten. Wir sind diesen Lehren verpflichtet. Sie haben keine Macht, diese zu ändern - keiner von uns hat diese Macht."
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