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"Gefahr der Banalisierung": "Maria 1.0" fordert Bischof Dieser zu "Umkehr" auf

Bischof Helmut Dieser

Bischof Helmut Dieser hat seine Forderung nach einer Änderung der katholischen Sexualmoral bekräftigt. Die katholische Initiative Maria 1.0 widerspricht dem Aachener Bischof deutlich und fordert ihn auf, sich von seinen Äußerungen zu distanzieren. 

"Ich möchte aus der extremen Defensive, der Gefahr der Ghettoisierung der Kirche und des Rückzugs heraus", sagte Bischof Dieser im Interview der Zeitungen der Verlagsgruppe Bistumspresse am Sonntag in Osnabrück. "Wir müssen es schaffen, Menschen zu zeigen, dass dieser Glaube ein Plus ins Leben bringt."

Mit Blick auf die Sexualmoral der Kirche fordert der Geistliche sogar: "Wir brauchen den Anstoß für eine Weiterentwicklung der Lehre."

Kein Wort verliere Bischof Dieser über das Naturrecht, wenn er die Haltung seiner Kirche zu homosexuellen Partnerschaften bedauert, bemängelt Clara Steinbrecher, Sprecherin von Maria 1.0.

Die 23-jährige Studentin zeigt sich entsetzt über die "Gedankenspiele" des Bischofs und bewertet diese als "grob fahrlässig". Die Bischöfe seien Hüter der Liturgie und des Lehramtes, so Steinbrecher.

"Wenn Bischof Dieser in seinem Bistum oder darüber hinaus die Beobachtung gemacht hat, dass die Sexualmoral nicht verstanden oder akzeptiert wird, müsste er an der Katechese etwas ändern", so die junge Katholikin.

Die Maria 1.0-Sprecherin bemüht einen Vergleich: "Kein Vater und keine Mutter würden Verbote aufheben, wenn sich das Kind nicht daranhält. Wenn ich meinem Kind verbiete, Cannabis zu konsumieren und es tut es dennoch, erlaube ich es doch nicht einfach. Immerhin war mit dem Verbot keine kaltherzige Sanktion, sondern das Kindeswohl verbunden", erläutert Steinbrecher. So sei es auch mit der Sexualmoral. Diese richte sich an der Würde des Menschen aus und sei zu seinem Wohl.

Die Frauen der Initiative Maria 1.0 seien entgegen der Überlegungen Diesers der Auffassung, dass der Glaube banalisiert und verramscht wird, wenn alle Positionen aufgeweicht werden, die in einer "hedonistischen, post-christlichen Gesellschaft" Anstoß erregten. "Wir sind größtenteils junge Frauen zwischen 20 und 40 Jahren und leben ja auch nicht frömmelnd hinter hohen Mauern, sondern mitten in der Welt", erzählt die Eichstätterin Steinbrecher – "natürlich wissen wir, dass die katholische Sexualmoral selbst unter Katholiken kaum akzeptiert wird". Doch das mache die Sexualmoral ja nicht zu einer falschen Moral.

Maria 1.0 fordert daher die Stärkung des katholischen Religionsunterrichts, etwa mit der "Theologie des Leibes" vom heiligen Johannes Paul II., als Pflichtstoff ab Klasse 9 und entsprechenden Investitionen der Bistümer in die Sakramentenkatechese. "Die Kirche muss die besten und charismatischsten Katecheten auf die Gläubigen loslassen, die den Glaubensschatz begeistert und begeisternd vermitteln", so die Frauen.

"Bischof Dieser möchte, dass der Glaube den Menschen 'ein Plus im Leben' bringt. Dann sollte er sich mal fragen, weshalb es ihm als Priester und Bischof offenbar didaktisch misslingt, die katholische Sexualmoral, etwa in der Theologie des Leibes, als Plus im Leben seiner Pfarrkinder zu vermitteln. Echte Liebe mit Leib und Seele ist Erfüllung. Und Erfüllung ist ungleich mehr als Befriedigung", so Steinbrecher.

Missbrauchsopfer kritisch über "Synodalen Weg"?

Wie CNA Deutsch berichtet hat, wird dem "Synodalen Weg" von Missbrauchsbetroffenen  vorgeworfen, ihr erfahrenes Leid für kirchenpolitische Ziele wie die Abschaffung des Zölibats, die Einführung der Frauenweihe oder für eine Änderung der Sexualmoral zu instrumentalisieren. Diesem Eindruck der Opfer widerspricht Bischof Dieser im Interview mit den Zeitungen der Verlagsgruppe Bistumspresse.

Der Missbrauch werde nicht instrumentalisiert, behauptet der Bischof. Vielmehr sei "unsere Deutung von Sexualität" bislang negativ geprägt gewesen, beim Sakrament der Versöhnung - der Beichte - sei es gar zu "Gängelungen" gekommen. Dieser wörtlich:

"Der 'Synodale Weg' basiert nicht auf der Instrumentalisierung des Missbrauchs. Unsere Beratung ist ein Teil dessen, was wir als Kirche dazugelernt haben. Unsere Deutung von Sexualität lag bisher doch eher in einem Misstrauen gegenüber der Sexualität an sich, weniger im vertrauenden Gestalten. Dieser Verdacht einer dauernden Gefährdung des Heils des Menschen hat zu Verdrängungsphänomenen geführt. Und auch im Beichtstuhl zu sehr vielen übergriffigen Gängelungen."

Der "Synodale Weg" habe durch die von Papst Franziskus angekündigte Weltsynode nun die "riesige Chance", aus einer "Isolierung" herauszukommen, fährt Dieser fort. So könnte die Kirche in Deutschland "Ergebnisse einbringen".

Der Papst habe "zwar nicht den roten Teppich ausgerollt, aber Türen geöffnet". Ähnlich wie der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing (Zitat Bätzing: "Stehen mit dem 'Synodalen Weg' genau in der Spur dessen, was der Papst will"), gibt sich der Aachener Bischof davon überzeugt, dass sich der "Synodale Weg" ganz auf der Linie von Papst Franziskus befindet, obwohl der Pontifex wiederholt Kritik am Vorgehen in Deutschland geäußert hat. Im Interview mit den Zeitungen der Verlagsgruppe Bistumspresse sagt Dieser wörtlich:

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"Es ist also gar nichts Exklusives, was wir in Deutschland machen, sondern etwas, das der Papst will."

Tatsächlich ist jedoch der innerkirchlich umstrittene "Synodale Weg" keine Synode, sondern eine Debattenveranstaltung "sui generis", deren Rolle im weltweiten Synodalen Prozess noch völlig unklar ist. 

Kritik am Forum über Sexualität

Nicht nur der "Synodale Weg" im Allgemeinen sieht sich schwerer Kritik im In- und Ausland ausgesetzt. Auch das von Bischof Dieser selbst geleitete Synodalforum steht im Zentrum kirchenpolitischer Konflikte.

Nachdem innerhalb Diesers Arbeitsgruppe festgelegt wurde, dass dessen grundsätzliche Ausrichtung auf eine Veränderung der katholischen Sexualmoral abzielt, hatte der Kölner Weihbischof Dominikus Schwaderlapp bereits im Mai 2020 dieses Gremium verlassen (CNA Deutsch hat berichtet). 

Wie Schwaderlapp damals mitteilte, sei der Entschluss des Rückzugs aus diesem Forum in ihm gereift, als im "Beschlusstext" der Arbeitsgruppe die These vertreten wurde, dass Sexualität "polyvalent" sei.

"Die Trennung von Fruchtbarkeit und Liebe wird damit - im Gegensatz zum Lehramt der Kirche - für möglich gehalten", so der Weihbischof. Damit könnten empfängnisverhütende Maßnahmen ebenso gerechtfertigt werden wie Masturbation oder homosexueller Geschlechtsverkehr. Auch das "Nein" der Kirche zur Praxis der künstlichen Befruchtung sollte auf Grundlage des Arbeitspapiers "neu bewertet" werden - dies seien jedoch Schritte, die der Geistliche nicht mitgehen könne.

Gegenüber CNA Deutsch erklärte Schwaderlapp daraufhin:

"Gerade in den letzten 50 Jahren hat sich das Lehramt dezidiert zu Fragen der Sexualmoral geäußert. Dabei hat es die Lehre der Kirche vertieft und weiterentwickelt. 'Weiterentwicklung' bedeutet ja nie Bestehendes zu zerstören, sondern darauf aufzubauen. So haben sich insbesondere die heiligen Päpste Paul VI. und Johannes Paul II. verbindlich dazu geäußert, dass die Sexualität von der Schöpfung her zwei Sinngehalte umfasst, die untrennbar miteinander verknüpft sind: die Weitergabe von Leben und die Mitteilung von Liebe."

Dennoch setzt der Aachener Bischof weiterhin auf seine Vorstellungen, fordert sichtbare Ergebnisse. Erst im Juni 2020 betonte Dieser mit Nachdruck: "Unser Forum und der 'Synodale Weg' müssen ein Erfolg werden". Die Katholische Kirche werde seines Erachtens zur "Sekte", sollte der "Synodale Weg" nicht in seinem Sinne erfolgreich sein. Wörtlich: 

"Wenn wir da keinen Erfolg im 'Synodalen Weg' haben, dann fürchte ich, werden wir zunächst einmal zu einer Sekte."

Auch der Passauer Bischof Stefan Oster SDB gehört dem Synodalforum "Leben in gelingenden Beziehungen – Liebe leben in Sexualität und Partnerschaft" an. In einem Facebook-Beitrag vom 8. Juni 2020 berichtete Oster von einem Treffen mit Bischof Dieser. Das Gespräch sei "intensiv und sehr persönlich" gewesen. "Vieles verbindet uns in den Anliegen des Glaubens und der Kirche. In manchem unterscheiden wir uns - auch in manchen Punkten der herausfordernden Themen des Synodalforums", so Oster.

Der Passauer Bischof hatte nach eigenen Angaben eine "ausführliche interne schriftliche Stellungnahmen zu den besprochenen Themen" abgegeben, woraufhin Dieser zu einem persönlichen Gespräch "eigens aus Aachen nach Passau gekommen" sei.

Dieser über Vatikan: "Verärgerung und Irritationen"

Nachdem der Vatikan Mitte März erneut bestätigt hatte, dass die Kirche keine homosexuellen Verbindungen in einer kirchlichen Feier segnen kann (CNA Deutsch hat berichtet), sorgte Bischof Dieser erneut für Aufsehen, als er gemeinsam mit der Vizepräsidentin des Katholischen Deutschen Frauenbundes (KDFB) und ZdK-Funktionärin Birgit Mock eine Unterschriftenliste entgegennahm, bei der 2.600 Unterschriften "von Seelsorgerinnen und Seelsorgern" hinterlegt waren, die für eine Segnung homosexueller Partnerschaften eintreten.

Laut einer Pressemitteilung des "Synodalen Wegs" bedankten sich die beiden bei den Unterzeichnern der Protestaktion. In diesem Kontext bezeichnete Bischof Helmut Dieser das buchstäbliche "Nein" aus Rom zur Segnung homosexueller Verbindungen als – so wörtlich – eine "Stellungnahme", die für "Verärgerung und Irritationen" gesorgt habe. 

Die Unterschriftenliste wurde von zwei Priestern überreicht, die sich für die Anliegen der LGBT-Bewegung engagieren: Pfarrer Burkhard Hose von der Katholischen Hochschulgemeinde Würzburg und Pfarrer Bend Mönkebüscher vom Erzbistum Paderborn. Der Event dieser Übergabe wurde unter zwei gehissten Fahnen abgehalten: Dem Regenbogen-Banner der LGBT-Bewegung sowie einer Fahne des ZdK.

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