Berlin - Mittwoch, 11. Dezember 2019, 19:04 Uhr.
Bedarf die Lehre der Weltkirche zur Homosexualität, zur Empfängnisverhütung und weiteren Aspekten der Sexualmoral im Zuge von Amoris Laetitia und im Rahmen des deutschen "Synodalen Wegs" einer Abkehr oder Änderung?
Dieser Frage widmen derzeit die Bischöfe in Deutschland vor allem beim "Synodalen Weg" beträchtliche Ressourcen. Weitere Gremien und Verbände wenden sich an die Öffentlichkeit mit klaren Forderungen – im Fall einer lokalen BDKJ-Gruppe bis hin zum Umgang mit Abtreibung.
Beratungen in Berlin
In Berlin trafen sich am 5. Dezember Erzbischof Heiner Koch, Bischof Franz-Josef Bode aus Osnabrück, Bischof Wolfgang Ipolt von Görlitz, der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf sowie mehrere Weihbischöfe aus der Glaubens- und der Familienkommission der Bischofskonferenz. Die Kirchenmänner berieten sich mit Sexualmedizinern, Moraltheologen, Dogmatikern und Kirchenrechtlern zum Thema: "Die Sexualität des Menschen – wie wissenschaftlich-theologisch erörtern und kirchlich beurteilen?" Dabei unterstrichen sowohl Erzbischof Koch als auch Bischof Bode, in Amoris Laetitia gebe es schon feststellbare "Entwicklungen" der kirchlichen Lehre und Praxis.
So sei eine sexuelle Beziehung seit Amoris Laetitia nach Scheidung und Wiederheirat "nicht weiter pauschal als schwere Sünde qualifiziert". Außerdem sei ein "genereller Ausschluss vom Empfang der Eucharistie" seit Veröffentlichung des Nachsynodalen Schreibens nicht mehr zu rechtfertigen. Bode wie Koch betonten zudem die Bedeutung einer "soliden, von Humanwissenschaften und Theologie gestützten Diskussion".
Ausgangspunkt für die Berliner Veranstaltung der Bischöfe war der "Synodale Weg". Bereits in der Vorbereitungsphase gab es dazu ein Forum, dass sich mit der Sexualmoral beschäftigte. Die Kommission wollte nach eigenen Angaben mit der "Konsultation" das Thema "aus sexualmedizinischer, theologisch-anthropologischer und moraltheologischer Sicht und den Stand des kirchlichen Lehramts zu Fragen der Sexualmoral zu erörtern sowie die Historie und Hintergründe der katholischen Sexuallehre zu beleuchten".
Der Vorsitzende der Familienkommission, Erzbischof Heiner Koch, sagte, dass der "Synodale Weg" zwar "unvoreingenommen" und ohne schon festliegende Positionen begonnen werden solle. Gleichzeitig gehe es um die "Kenntnis des Standes der Wissenschaften". Alle Teilnehmer seien sich darin einig, dass die menschliche Sexualität eine "Lust-, Fortpflanzungs- und Beziehungsdimension" umfasse, so Koch.
Weiter heißt es in der Mitteilung der deutschen Bischofskonferenz, es herrsche "Einverständnis" darüber, "dass die sexuelle Präferenz des Menschen sich in der Pubertät ausprägt und eine hetero- oder homosexuelle Ausrichtung annimmt. Beide gehören zu den normalen Formen einer sexuellen Prädisposition, die durch keine spezifische Sozialisation veränderbar ist oder verändert werden müsste".
Die Versammlung habe betont, dass dieser Standpunkt für die Kirche zur Folge haben müsse, dass jedwede Form einer Diskriminierung von homosexuell veranlagten Menschen zurückgewiesen werden müsse, wie es schon länger lehramtlich gefordert werde und auch von Papst Franziskus in Amoris Laetitia ausdrücklich betont werde.
Zumindest uneinig sind die Bischöfe offenbar bei der Frage, ob das lehramtliche Verbot praktizierter Homosexualität "noch zeitgemäß" ist. "Neu diskutiert" werden vom deutschen synodalen Prozess soll zudem die Lehre der Kirche zur künstlichen Empfängnisverhütung – wie etwa in der Enzyklika Humanae Vitae festgelegt.
Eine Abkehr oder Aufhebung der bisherigen Regelung – die Kirche empfiehlt unter anderem eine Natürliche Empfängnisregelung – gelte demnach aus dieser Sicht "in der Ehe und bei nichtverheirateten Paaren". Bisher lehrte die Kirche, dass der einzige Ort gelebter Sexualität die sakramentale Ehe zwischen Mann und Frau ist – und empfiehlt daher klar, auf vorehelichen Sex zu verzichten.
Die Ergebnisse der Fachkonsultation sollen im "Synodalen Weg" in das Forum "Leben in gelingenden Beziehungen – Liebe leben in Sexualität und Partnerschaft" einfließen, das im Februar 2020 seine Arbeit aufnimmt.
Klare Forderungen von Verbänden
Der Prozess ist nicht der einzige Rahmen für deutsche Forderungen nach Änderungen und einer etwaigen Abkehr von der bisherigen Lehre der Katholischen Kirche. Verschiedene Verbände, Gremien und Gruppen fordern etwa die Aufhebung des Zölibats, die Einführung des Frauenpriestertums und eine grundsätzliche Änderung der Lehre.
Einer davon ist die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (KFD). Deren stellvertretende Bundesvorsitzende, Agnes Wuckelt, forderte in einem Interview auf "katholisch.de", Frauen sollten in der Kirche zu Priestern geweiht werden, "gerne in einem ersten Schritt über den sakramentalen Diakonat der Frau".
Für Aufsehen sorgte auch eine Aktion des Kölner Diözesanverbandes des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ), dessen Parolen ein BDKJ-Präses als "häretisch" kritisierte (CNA Deutsch hat berichtet).
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Der Kölner Verband ist kein Einzelfall: Auch der BDKJ im Dekanat Trudering (Erzbistum München und Freising) fordert eine Abkehr von der Lehre der Kirche zu vorehelichem Sex, Homosexualität, Empfängnisverhütung und Abtreibung.
In der veröffentlichten Stellungnahme des Arbeitskreises fordert der Jugendverband unter anderem offen ein "Recht" auf die Entscheidung zur Abtreibung:
"Die Entscheidung für oder gegen einen Schwangerschaftsabbruch liegt bei der Mutter beziehungsweise dem Paar. Die Kirche soll sie auf dem Weg zu der Entscheidung begleiten und im Anschluss unterstützen. Jede ungewollte Schwangerschaft muss aufgrund der möglichen psychischen, finanziellen und körperlichen Belastung individuell betrachtet werden. Dabei gibt es keine universell richtige Entscheidung. Um eine Antwort zu finden, muss die Kirche offen für Gespräche sein. Sie soll über die Tragweite beider Entscheidungsmöglichkeiten allumfassend informieren und dabei besonders auf den Wert des ungeborenen Lebens eingehen."
Der Arbeitskreis, der aus sechs Dekanatssprechern, einer Pfarrjugendleiterin, der Jugendvertreterin im Pfarrgemeinderat und dem Oberministranten der Gemeinde in Trudering besteht, fordert außerdem ein kirchliches "Ritual" für homosexuelle Paare, "das der Eheschließung zwischen Mann und Frau gleichgestellt ist". Zudem soll Masturbation "nicht als sündhaft oder moralisch verwerflich gelten", da sie "keine Gefahr für eine funktionierende Beziehung" darstelle.
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