Hamburg - Freitag, 20. November 2020, 13:12 Uhr.
Der Hamburger Erzbischof Stefan Heße lässt vorerst sein Amt beim Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) ruhen. Dies teilte der Geistliche kurz vor der Vollversammlung des Germiums mit, wie das ZdK in einer gestrigen Pressemitteilung bekanntgab.
Hintergrund sind dabei die anhaltenden Vertuschungsvorwürfe gegen den Erzbischof. Verschiedene Presseberichte warfen Heße vor, zu seiner Zeit als Personalchef des Erzbistums Köln möglicherweise an der Vertuschung von sexuellem Missbrauchs beteiligt gewesen zu sein.
Laut der "Bild"-Zeitung und anderen Medien sei Stefan Heße in "Erklärungsnot" geraten, was den Fall eines heute 69 Jahre alten Priesters betrifft, der in den 1990er Jahren seine minderjährigen Nichten über Jahre schwer sexuell missbraucht haben soll.
Ende Oktober teilte das Erzbistum Köln mit, dass einige "in der Öffentlichkeit diskutierte Informationen nicht belastbar sind, teilweise Interpretationen darstellen und sich Sachverhalte vermischen". CNA Deutsch hat die Stellungnahme im Wortlaut dokumentiert.
ZdK: Heße lässt Amt "vorläufig ruhen"
Nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen Heße hatten laut Medienberichten andere Mitglieder des ZdK gefordert, dass der Erzbischof sein Amt als "Geistlicher Assistent" in diesem Gremium niederlege. Vor der Vollversammlung an diesem Wochenende vollzog der Geistliche nun diesen Schritt.
"Erzbischof Heße gab seinem Bedauern Ausdruck, dass seine Aufgabe für das Zentralkomitee zum gegenwärtigen Zeitpunkt durch die öffentliche Debatte über die Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs im Erzbistum Köln belastet ist", heißt es in einer am Donnerstag veröffentlichten Stellungnahme des ZdK. "Er kündigte an, sein Amt als Geistlicher Assistent mit sofortiger Wirkung vorläufig ruhen zu lassen, bis die Sachverhalte endgültig geklärt seien."
Vorerst wolle sich der Hamburger Erzbischof "auf eine angemessene Aufklärung aller zur Diskussion stehenden Sachverhalte konzentrieren.
Gutachten: "Fehlendes Problembewusstsein" bei Heße
In einem aufsehenerregenden Interview mit der Wochenpublikation "Die Zeit" hatte Heße Ende September erklärt, er habe in seiner Zeit als Personalchef des Erzbistums Köln "nach bestem Wissen und Gewissen" gehandelt. Den Vorwurf des "fehlenden Problembewusstseins" wies er zurück. Die Zeitung hatte den Geistlichen mit einer Passage aus der unveröffentlichten Studie konfrontiert, die im Auftrag des Erzbistum Köln erstellt wurde. Darin heißt es wörtlich:
"Dieser Befund gestattet die Schlussfolgerung, dass es sich bei den Unzulänglichkeiten, einschließlich fehlender Opferfürsorge, nicht um Einzelfälle handelt, sondern um regelmäßig wiederkehrende, durchgängig festzustellende Mängel in der Sachbehandlung von Missbrauchsfällen basierend auf einer indifferenten, von fehlendem Problembewusstsein geprägten Haltung des Dr. Heße gegenüber Fällen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger durch Kleriker."
Heße unterstrich, dass ihm von Beginn an "sehr bewusst" gewesen sei, dass es sich "um ein ganz schwieriges Thema und großes Unrecht handelt". Allerdings sei ihm "erst im Laufe der Zeit bewusster geworden, wie groß tatsächlich die Dimension ist". Hinsichtlich der Gründe für das große Ausmaße des Missbrauchsskandals in Deutschland kommt der Hamburger Erzbischof zu dem Schluss, dass es um "systemische Ursachen" handeln muss. So sagte er gegenüber der "Zeit":
"Dahinter stehen grundsätzliche Fragen: Wie geht die Kirche mit der Sexualität um? Wie mit dem Zölibat? Wie ist das mit der Macht in der römisch-katholischen Kirche?"
"Sexualmoral nicht ursächlich für Missbrauch"
Mehrere Experten, darunter die Wissenschaftlerin Katharina Westerhorstmann, hatten die Behauptung, das beispielsweise die katholische Sexualmoral die Voraussetzungen für sexuellen Missbrauch begünstigte, zurückgewiesen. Die Theologin arbeitet mit am sogenannten "Synodalen Weg", der sich nach Angaben der Initiatoren als "Reformprozess" versteht. In einem Beitrag für die "Herder-Korrespondenz" hatte Westerhorstmann auch die umstrittene "MHG-Studie" kritisiert, die von der deutschen Bischofskonferenz in Auftrag gegeben wurde und als Grundlage für die Arbeit des "Synodalen Weges" gilt.
Die Studie erwecke den Eindruck, der Zölibat wie auch die Sexualmoral hätten eine Auseinandersetzung mit der eigenen Sexualität erschwert oder verhindert und so zu Übergriffen geführt, kritisierte Westerhorstmann. "Dies wird ausdrücklich als Vermutung angegeben und noch nicht durch Daten belegt", betont die Wissenschaftlerin.
In der Vergangenheit wurde bei den bisherigen Veranstaltungen des "Synodalen Weges" von einer Mehrheit des Gremiums die eine "Weiterentwicklung" und "Änderung" der überlieferten katholischen Sexualmoral gefordert, weil die katholische Lehre Teil der "systemischen Ursachen" für Missbrauch sei. Manche Katholiken - darunter Betroffene von sexuellen Missbrauch durch Kleriker - kritisieren diese wissenschaftlich angezweifelte Hypothese und werfen den Initiatoren eine Instrumentalisierung des Leids für kirchenpolitische Zwecke vor.
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