"Mach weiter": Papst Franziskus lehnt Rücktrittsgesuch von Kardinal Marx ab

Kardinal Reinhard Marx, damals noch Vorsitzender der deutschen Bischofskonferenz (DBK), bei einer Pressekonferenz um "Synodalen Weg" im Januar 2020.
Rudolf Gehrig / CNA Deutsch

Papst Franziskus hat das Rücktrittsgesuch von Kardinal Reinhard Marx abgelehnt. 

In einem Schreiben an den Erzbischof von München und Freising, das der Vatikan am heutigen Donnerstag veröffentlichte – hier der volle Wortlaut – erklärt der Pontifex, es habe ihm gefallen, dass Marx "weiterhin gerne Priester und Bischof dieser Kirche" sei und "die nächsten Jahre" verstärkt der Seelsorge widmen und sich einsetzen für eine geistliche Erneuerung der Kirche wolle.

"Mach weiter, so wie Du es vorschlägst, aber als Erzbischof von München und Freising. Und wenn Du versucht bist, zu denken dass dieser  Bischof von Rom (Dein Bruder, der Dich liebt), indem er Deine Sendung bestätigt und Deinen  Rücktritt nicht annimmt, Dich nicht versteht, dann denk an das, was Petrus im Angesicht des Herrn  hörte, als er ihm auf seine Weise seinen Verzicht anbot: "Geh weg von mir, denn ich bin ein  Sünder" – und die Antwort hörte "Weide meine Schafe". 

Vor allem danke er Marx für seinen Mut, schreibt der Papst: "Es ist ein christlicher Mut, der sich nicht vor dem Kreuz  fürchtet, und der keine Angst davor hat, sich angesichts der schrecklichen Wirklichkeit der Sünde zu erniedrigen."

Kardinal Marx hatte mit seinem Rücktrittsgesuch weltweit Schlagzeilen gemacht, polarisiert und polemische Reaktionen provoziert

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In einem auf den 21. Mai datierten Brief an Papst Franziskus hatte der 67 Jahre alte Prälat persönlich den Pontifex "sehr" gebeten, seinen Verzicht auf das Amt des Erzbischofs von München und Freising anzunehmen.

Marx schrieb, aus seiner Sicht sei "die katholische Kirche an einem toten Punkt" angekommen. Mit seinem Amtsverzicht könne er "vielleicht" – bei aller Bescheidenheit – "ein persönliches Zeichen setzen". 

Im Kern gehe es ihm darum, "Mitverantwortung zu tragen für die Katastrophe des sexuellen Missbrauchs durch Amtsträger der Kirche in den vergangenen Jahrzehnten" – indem er zurücktrete, so der Kardinal weiter.

Papst Franziskus schreibt in einer Fußnote seines kurzen Briefs: "Es besteht die Gefahr, die Krise nicht anzunehmen und sich in Konflikte zu flüchten, eine Verhaltensweise, die damit  endet, zu ersticken und jede mögliche Veränderung zu verhindern. Denn in der Krise steckt ein Keim der Hoffnung, im  Konflikt hingegen ein Keim der Hoffnungslosigkeit."

Der Pontifex schreibt an den deutschen Kardinal: "Das mea culpa angesichts so vieler Fehler in der Vergangenheit haben wir schon mehr als  einmal ausgesprochen, in vielen Situationen, auch wenn wir persönlich an dieser historischen Phase nicht beteiligt waren".

Tatsächlich sind Vertuschungsvorwürfe gegen Marx in seiner Zeit als Bischof bislang nicht ausgeräumt worden, wie CNA Deutsch berichtete

Mit Blick auf die Kirchenkrise erklärt der Pontifex: "Man verlangt  von uns eine Reform, die – in diesem Fall – nicht in Worten besteht, sondern in Verhaltensweisen,  die den Mut haben, sich dieser Krise auszusetzen, die Realität anzunehmen, wohin auch immer das  führen wird".

Jede Reform beginne bei sich selbst, fährt Franziskus fort: "Die Reform in der Kirche haben Männer und  Frauen bewirkt, die keine Angst hatten, sich der Krise auszusetzen und sich selbst vom Herrn  reformieren zu lassen. Das ist der einzige Weg; andernfalls wären wir nur 'Ideologen der Reformen', ohne das eigene Fleisch aufs Spiel zu setzen". 

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Der Papst betont weiter: "Der Herr hat sich niemals auf eine 'Reformation' (ich bitte um Erlaubnis für diese  Formulierung) eingelassen: weder auf das Projekt der Pharisäer, noch auf das der Sadduzäer, der  Zeloten oder der Essener. Sondern er hat sie mit seinem Leben bewirkt, mit seiner Geschichte, mit seinem Fleisch, am Kreuz. Und das ist der Weg, den auch Du, lieber Bruder, annimmst, indem Du  Deinen Amtsverzicht anbietest". 

Nach Erzbischof Stefan Heße von Hamburg war Marx der zweite deutsche Ortsbischof, der seinen Rücktritt in der Kirchenkrise angeboten hat. Heße hat im März den Papst um die sofortige Entbindung von seinen Aufgaben als Erzbischof gebeten: Hintergrund waren die gegen Heße erhobenen Vertuschungsvorwürfe im bahnbrechenden Kölner Missbrauchsgutachten (CNA Deutsch hat berichtet). 

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