München - Donnerstag, 3. Februar 2022, 6:52 Uhr.
Kardinal Reinhard Marx fordert ein Ende der Ehelosigkeit für Priester der Katholischen Kirche. Im Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" (Donnerstag) sagte der Erzbischof von München und Freising wörtlich: "Es wäre besser für alle, die Möglichkeit für zölibatäre und verheiratete Priester zu schaffen".
Marx betonte: "Bei manchen Priestern wäre es besser, sie wären verheiratet. Nicht nur aus sexuellen Gründen, sondern weil es für ihr Leben besser wäre und sie nicht einsam wären."
Der Kardinal sagte über die priesterliche Ehelosigkeit weiter: "Es ist falsch, die Möglichkeit, den Zölibat zu leben, einfach auf den Einzelnen abzuladen". Als Lebensform sei der Zölibat der Priester "jedenfalls prekär, das sage ich jungen Priestern immer wieder".
Mit Blick auf die zu erwartende Kritik an seinen Äußerungen erklärte Marx: "Und einige werden sagen: Wenn wir den Pflichtzölibat nicht mehr haben, werden ja jetzt alle heiraten! Meine Antwort lautet: Und wenn schon! Wenn alle heiraten, wäre das doch erst recht ein Zeichen dafür, dass es so nicht gut funktioniert."
Auf die Frage, ob er einen Zusammenhang zwischen dieser Einsamkeit und dem sexuellen Missbrauch sehe, antwortete der Münchner Erzbischof: "Pauschal kann man das nicht sagen. Aber diese Lebensform und dieses Männerbündische ziehen auch Leute an, die nicht geeignet sind, die sexuell unreif sind."
Im eigenen Missbrauchsgutachten haben Gutachter dem Münchner Erzbischof vorgeworfen, selbst in zwei Fällen ein Fehlverhalten im Umgang mit Missbrauchsbetroffenen an den Tag gelegt zu haben. Das Gutachten hat eine "Flut" von Kirchenaustritten ausgelöst.
"Verklemmungen ausgelöst"
Im neuen Interview mit der "Süddeutschen" stellt Marx auch grundsätzlich die Sexualmoral der Katholischen Kirche in Frage.
Diese habe "viele Verklemmungen erzeugt. Da haben wir Schuld auf uns geladen". Ihm habe mal ein alter Priester gesagt: "Wenn ich alles wiedergutmachen könnte, was ich im Beichtstuhl angerichtet habe bei dem Thema." Das habe ihn, Marx erschüttert. "Und langsam bekommen wir eine Rechnung, die sich über Generationen hinweg angehäuft hat", fügte er hinzu.
Vorsichtiger äußerte sich Marx zur Frage, ob Frauen zu katholischen Priester geweiht werden können. "Ich kann das noch nicht beantworten. Das wäre auch nicht hilfreich, es jetzt zu beantworten, weil es gerade dazugehört, dass wir im Gespräch bleiben. Ich bin nicht nur einer, der eine Meinung hat, sondern ich muss auch den Laden zusammenhalten."
Warnung vor "Erleichterung" des Zölibats
Eine führende Theologin hat angesichts neuer Forderungen bereits im Oktober 2019 vor der "Verbürgerlichung" kirchlicher Ämter gewarnt. Weder beim Zölibat noch bei der Weihe geht es um Funktionen oder Macht, betonte Marianne Schlosser. Die eigentliche Ursache für die Krise des Zölibats sei letztlich die gleiche Ursache wie für die Krise der Ehe: Eine Krise des Glaubens.
"Zölibatäres und eheliches Leben haben etwas gemeinsam: Eine dauerhafte, lebenslängliche Entscheidung." Diese Form von Entscheidungen seien in der Krise, deren Ursache wiederum eine Krise des Glaubens ist, so Schlosser.
Die Ratzinger-Preisträgerin sagte gegenüber EWTN.TV, dass die Ehelosigkeit sich am Vorbild von Jesus Christus selbst orientierte, und das aus gutem Grund.
"Der Zölibat ist die verkörperte Bereitschaft zu wachsen in einer Liebe, wie es sie Jesus Christus selber hat – zum Heil der Menschen".
Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki hat bereits 2019 ebenfalls davor gewarnt, angesichts der Kirchenkrise "jetzt selber eine neue Kirche zu erfinden" und "Heiligen Geist spielen zu wollen", eine Abkehr von der Lehre und Tradition zu propagieren. Die Lösung sei nicht etwa die Abschaffung des Zölibats, die Weihe von Frauen zu Priestern oder eine neue Sexualmoral, so Woelki im Februar 2019.
Erklärung von Papst Benedikt XVI.
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Papst Benedikt XVI. antwortete dazu am 10. Juni 2010 auf Fragen von Priestern im Rahmen eines "Internationalen Treffens" im Priesterjahr: "Es ist wichtig, daß wir uns immer von neuem von dieser Identifikation des »Ichs« Christi mit uns durchdringen lassen, von diesem »Hinausgezogen werden« in die Welt der Auferstehung."
In dieser Hinsicht sei der Zölibat eine Vorwegnahme, so der damalige Papst: "Wir übersteigen diese Zeit und gehen weiter, und so »ziehen« wir uns selbst und unsere Zeit auf die Welt der Auferstehung hin, auf die Neuheit Christi, das neue und wahre Leben zu".
Das bedeute, der Zölibat sei eine Vorwegnahme, "die möglich wird durch die Gnade des Herrn, der uns zu sich »zieht«, zur Welt der Auferstehung hin; er lädt uns immer von neuem ein, uns selbst zu übersteigen, diese Gegenwart, hin auf die wahre Gegenwart der Zukunft, die heute Gegenwart wird. Und hier sind wir an einem sehr wichtigen Punkt angelangt".
Benedikt betonte: "Ein großes Problem des Christentums der heutigen Welt ist, daß man nicht mehr an die Zukunft Gottes denkt: die bloße Gegenwart dieser Welt scheint ausreichend zu sein. Wir wollen nur diese Welt haben, nur in dieser Welt leben. So schließen wir die Tür für die wahre Größe unseres Lebens".
Der Sinn des Zölibats als Vorwegnahme der Zukunft sei gerade das Öffnen dieser Türen, die Welt größer werden zu lassen, die Wirklichkeit der Zukunft zu zeigen, "die von uns schon jetzt als Gegenwart gelebt werden muß. So leben wir im Zeugnis des Glaubens: Wir glauben wirklich, daß es Gott gibt, daß Gott in meinem Leben eine Rolle spielt, daß ich mein Leben auf Christus bauen kann, auf das zukünftige Leben."
Zuletzt aktualisiert am 3. Februar um 7:23 Uhr mit weiteren Einzelheiten.
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