Vatikanstadt - Freitag, 15. April 2022, 6:00 Uhr.
Der Schweizer "Ökumene-Minister" des Papstes, Kurienkardinal Kurt Koch, hat die Ansicht von Papst Franziskus unterstrichen, wonach jede religiöse Rechtfertigung für den Krieg in der Ukraine "Blasphemie" sei. "Der Missbrauch der Religion spielt eine große Rolle", so Koch in einem Interview mit EWTN Vatican am Mittwoch.
Kardinal Koch ist Präsident des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen und sprach im Interview auch über die Sorgen des Papstes hinsichtlich des deutschen "Synodalen Weges". Über die internationale Kritik an der umstrittenen Veranstaltung sagte Koch, dass er hoffe, dass die deutschen Bischöfe "nicht einfach verteidigend abwehren", weil sich dahinter "berechtigte Sorgen" befänden, die man ernst nehmen müsse.
Was Papst Franziskus unter Synodalität verstehe, sei etwas anderes, als was der deutsche "Synodale Weg" betreibe.
Das Interview wurde von EWTN Vatican vorgestern aufgezeichnet und wird demnächst im EWTN-Nachrichtenmagazin "Vaticano" weltweit ausgestrahlt.
"Wie glaubwürdig sind wir, wenn Christen Christen umbringen?"
Das EWTN-Gespräch drehte sich zumnächst um die Situation der Kirche in der Ukraine. "Der Missbrauch der Religion spielt eine große Rolle", sagte Kardinal Koch im Gespräch mit dem Bürochef von EWTN Vatican, Andreas Thonhauser. "Das ist das Tragische, dass Christen Christen umbringen, ja sogar Orthodoxe Orthodoxe umbringen. Das ist für mich etwas wirklich Schreckliches", so der Kardinal.
Die russische Orthodoxie verstehe als "Verteidiger der verfolgten Christen in der Welt", erläuterte Koch weiter. "Das ist eine wunderbare Idee, die auch richtig ist. Wir müssen für die verfolgten Christen die Stimme erheben." Koch ergänzte:
"Aber wenn sich nun Christen selber gegenseitig umbringen, sich Orthodoxe gegenseitig umbringen, wie glaubwürdig ist dann unser Einsatz dafür? Deshalb glaube ich das, was Papst Franziskus gesagt hat, dass eine religiöse Legitimation des Krieges den Namen 'Blasphemie' verdient. Denn Gott ist ein Gott des Friedens und nicht des Krieges. Wer den Krieg im Namen Gottes legitmiert, kann nicht im Namen des christlichen Gottes sprechen."
Die Idee für ein Treffen des Papstes mit dem russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill von Moskau gab es schon "lange vor dem Krieg", bestätigte Koch im EWTN-Interview. Wie CNA Deutsch berichtete, trafen sich das Oberhaupt der Katholischen Kirche und der russisch-orthodoxe Patriarch Mitte März in einer Videokonferenz. Kyrill I. gilt als Verbündeter und Unterstützer des russischen Präsidenten Wladimir Putin.
Papst Franziskus: "Wir sind nicht Kleriker des Staates, sondern Hirten des Volkes"
Ein weiteres Treffen des Papstes mit Kyrill müsse man genau abwägen, erklärte der Präsident des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen gestern. "Auf der einen Seite dürfen wir die Beziehungen mit Moskau nicht abbrechen, sonst haben wir überhaupt keinen Kontakt mehr", sagte Kardinal Koch. Auf der anderen Seite müsse natürlich verhindert werden, dass der Eindruck entsteht, der Heilige Vater unterstütze die Position des russisch-orthodoxen Patriarchen "zur Legitimierung des Krieges".
Beim letzten Gespräch zwischen Papst Franziskus und Kyrill habe der Papst stark "auf den Frieden gedrängt" und die Beendigung des Krieges gefordert. Kardinal Koch wörtlich:
"Papst Franziskus hat seine Überzeugung zum Ausdruck gebracht, wir bezahlen ja den Krieg, es sind die einfachen Leute, unsere Herden, die diesen hohen Preis eines Krieges zahlen, deshalb ist es unsere pastorale Verantwortung. Der Papst hat ganz deutlich gesagt: 'Wir sind nicht Kleriker des Staates, sondern Hirten des Volkes'."
Schon vor dem Überfall Russlands auf die Ukraine sei die Beziehung der Katholischen Kirche zur Orthodoxie nicht immer unproblematisch gewesen, erklärte Koch. Im Jahr 2000 hatte orthodoxe Seite den Dialog mit der Katholischen Kirche sogar zwischenzeitlich ganz abgebrochen, der dann erst im Jahre 2005 wiederbelebt werden konnte "dank der starken Initiative von Papst Benedikt XVI. kurz nach Beginn seines Pontifikats", so Koch.
Internationale Kritik am deutschen "Synodalen Weg" ist "berechtigt"
Der Präsident des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen sprach mit EWTN Vatican auch über den umstrittenen "Synodalen Weg" in Deutschland. Wie CNA Deutsch berichtete, will der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, den auf mehrere Jahre angelegten "Synodalen Weg" zu einer permanenten Einrichtung machen.
"Ich denke, dass die protestantischen Kirchen, die evangelischen Kirchen diesen 'Synodalen Weg' anders beurteilen werden als die orthodoxen Christen", so Kardinal Koch gegenüber EWTN. Von orthodoxer Seite höre man "nicht sehr viel". Viel Kritik an diesem "Prozess" gebe es allerdings aus dem Inneren der Katholischen Kirche. Koch erinnerte an die teils scharfe Kritik vonseiten des Vorsitzenden der polnischen Bischofskonferenz und der nordischen Bischofskonferenz, sowie an den aufsehenerregenden öffentlichen Brandbrief von insgesamt vier Kardinälen und 70 Bischöfen aus aller Welt, die darin aus "wachsender Sorge über den Charakter des gesamten Synodalen Weges und den Inhalt der synodalen Dokumente" an die deutschen Bischöfe appellierten (CNA Deutsch hat berichtet).
In ihrem Schreiben – hier der volle Wortlaut – warnen die Unterzeichner, dass der sogenannte "Synodale Weg" in eine – so wörtlich – "Sackgasse" zu führen droht und "zerstörerische Effekte" hat. Kardinal Koch äußerte sich am Mittwoch gegenüber EWTN dazu wie folgt:
"Ich hoffe sehr, dass die deutschen Bischöfe nicht einfach verteidigend abwehren, sondern wirklich in einen Dialog eintreten. Denn dahinter stehen berechtigte Sorgen, die man ernst nehmen muss."
Die katholische Initiative "Neuer Anfang" hatte den Brandbrief als Paukenschlag und "Abfuhr erster Klasse" für den "Traum eines deutschen Sonderwegs" bezeichnet.
Ist der "Synodaler Weg" in Deutschland im Sinne von Papst Franziskus?
Man müsse nun darüber ins Gespräch kommen, "was der Heilige Vater und was die deutschen Bischöfe jeweils unter dem Synodalen Weg verstehen", so Koch weiter. Wörtlich:
"Ich sehe nicht, dass das identisch ist. Für den Papst ist Synodalität ein geistliches, ein spirituelles Geschehen. Das heißt: Er lädt dazu ein, aufeinander zu hören und im Aufeinanderhören auf den Heiligen Geist zu hören, was er uns sagen will. In Deutschland, habe ich den Eindruck, besteht Synodalität darin, dass man sich mit den Strukturen beschäftigt, etwas, das Papst Franziskus ja schon in seinem Brief an das Volk Gottes sehr energisch angemahnt hat, dass es in erster Linie nicht um Strukturen geht, sondern ein geistliches Geschehen. Und zweitens, dass die ganze Synodalität der Evangelisierung dienen soll, so wie das der Papst jetzt auch in der Apostolischen Konstitution für die römische Kurie festgeschrieben hat."
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Wie CNA Deutsch berichtete, hatte sich Papst Franziskus vor fast drei Jahren in einem historischen Brief direkt an die Katholiken in Deutschland gewandt. Darin ruft der Papst angesichts der "Erosion" und des "Verfalls des Glaubens" im Land die Gläubigen zur Bekehrung, zum Gebet und Fasten auf – und er fordert, das Evangelium zu verkünden.
Die Verkündigung des Glaubens ist der erste und eigentliche Auftrag der Kirche, und dies muss somit auch das Ziel eines "synodalen Wegs" sein, mahnte der Pontifex damals. Im Interview mit EWTN Vatican erklärte Kardinal Koch, dass Papst Franziskus dieser Glaubensverkündigung den höchsten Stellenwert einräumt."Auf diesem Hintergrund", so der Kardinal wörtlich, "muss man auch seinen Brief an Deutschland verstehen, von dem ich nicht den Eindruck habe, dass er wirklich wahrgenommen worden ist."
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Papst Franziskus hat einen Brief an die Katholiken in Deutschland geschrieben und vor voreiligen Reformen gewarnt. Das Schreiben liegt der EWTN-Mediengruppe vor. Hier der Bericht von @CNAdeutsch:https://t.co/5VGI32uDFY
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