Vatikanstadt - Mittwoch, 10. Februar 2021, 12:35 Uhr.
Kardinal Kurt Koch, der "Ökumene-Minister" von Papst Franziskus, hat mit einem Offenen Brief auf Widersprüche zwischen Thesen der Unterstützer einer "Mahlgemeinschaft" und der tatsächlichen Praxis in protestantischen Gemeinden hingewiesen - und zugleich scharfe Vorwürfe und Forderungen des evangelischen Theologen Volker Leppinbeantwortet, die das deutsche Bischofskonferenz-Portal "katholisch.de" veröffentlicht hatte.
Der Offene Brief wurde vom Päpstlichen Rat für die Einheit der Christen des Vatikans im Internet veröffentlicht. Kardinal Koch, Präsident des Ökumene-Rates, antwortet darin auf die Anfang Februar geäußerte Kritik und Forderungen des protestantischen Professors. Zuerst lehnt Koch den Vorwurf einer "Gesprächsverweigerung" und "schroffen Abweisung" ab, den Leppin erhoben hatte.
Gleichzeitig weist der Schweizer Kurienkardinal darauf hin, dass sein Erstaunen über die Stellungnahme des "ökumenischen Arbeitskreises" protestantischer und katholischer Theologen aus Deutschland - kurz ÖAK - sehr konkret und auch theologisch begründet ist, und das in mehrfacher Weise.
"FUNDAMENT DER ÖKUMENE RELATIVIERT"
Koch stellt erneut eine "mangelnde Erdung" des vom Vatikan bereits deutlich und begründet abgelehnten Papiers fest. So weist der Kurienkardinal auf mehrere Widersprüche - eine "gravierende Diskrepanz" - zwischen der Realität in evangelischen Kirchen einerseits und die Behauptungen des ÖAK hin.
Dabei nennt Koch mehrere konkrete Beispiele. So werde in der evangelischen Kirche Hessen und Nassau explizit auch gegenüber nicht getauften Menschen zum Abendmahl eingeladen - während das "ÖAK"-Papier die These eines "Grundeinverständnis" vertrete, was eine analoge "Anerkennung" zur Taufe auch bei der "jeweils liturgischen Gestalt der Mahlfeier" betrifft.
"Wenn auf der einen Seite die Taufe und die Gegenseitige Anerkennung der Taufe das Fundament der Ökumene darstellen, und wenn auf der anderen Seite ein ökumenischer Partner die Taufe derart relativiert, dass sie nicht einmal mehr mehr Voraussetzung für die Teilnahme am Abendmahl ist, muss doch die Frage erlaubt sein, wer denn hier das Fundament der Ökumene in Frage stellt", schreibt Koch.
Er könne sein Erstaunen nicht verschweigen, "dass solche Diskrepanzen zwischen behaupteten ökumenischen Konsensen und der faktischen Realität in den Evangelischen Kirchen von den Mitgliedern des ÖAK nicht zur Kenntnis genommen oder, wenn dies der Fall sein sollte, nicht, jedenfalls nur in äusserst minimaler Weise ausgesprochen werden", so Koch.
Er sei dankbar, dass der Arbeitskreis "viel Energie und Herzblut" in die Überwindung kirchentrennender Fragen investiere. Realistisch und verantwortlich könne dies aber nur geschehen, "wenn solche Arbeit mit der konkreten Realität" konfrontiert werde.
Dies gelte vor allem, wenn man "praktische Handlungsanweisungen" durch ein "Votum" veröffentliche, wie es der ÖAK mit seinem "Mahlgemeinschaft"-Papier getan habe. Nicht gelöste Fragen müssten vielmehr offen benannt und aufgearbeitet werden, stellt Koch in seinem Brief an Leppin fest.
Volker Leppin lehrt Kirchengeschichte in Tübingen. Der protestantische Professor hatte auf "katholisch.de" unter anderem behauptet, es gebe einen "Spagat" zwischen "wissenschaftlichen Überlegungen" deutscher Bischöfe und "deutlichen Signalen aus Rom". Außerdem hatte er "das Büro des Einheitsrates" aufgefordert, "vielleicht einfach mal in eine beliebige katholische oder evangelische Gemeinde" zu gehen.
Hintergrund: ÖAK-Forderung einer "Mahlgemeinschaft"
Mit einem dreifachen "Erstaunen" hatte der Präsident des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen auf die ÖAK-Stellungnahme reagiert. Gegenüber CNA Deutsch hatte Koch dabei erklärt, ihn erstaune sowohl der Tonfall und die Wortwahl aus Deutschland, als auch der Inhalt und Zeitpunkt der Stellungnahme.
"Mich erstaunen der Duktus und der Ton der Stellungnahme", erklärte der Schweizer Kurienkardinal am 26. Januar. Diese war am vergangenen Sonntag im Wortlaut veröffentlicht worden.
"Nachdem über zwanzig Seiten dargetan worden ist, dass eigentlich keine Anfrage, die die Kongregation für die Glaubenslehre an das Votum des ÖAK gestellt hat, berechtigt sei, fragt man sich, wie ernst die am Schluss bekundete Bereitschaft der Autoren der Stellungnahme zu weiteren Gesprächen wirklich gemeint ist".
Zweitens sei er jedoch über den Inhalt der Stellungnahme erstaunt, so Koch weiter gegenüber CNA Deutsch.
"In ihr ebenso wie bereits im Votum finden sich gewiss viele gute Aussagen, die jedoch im rein akademischen Bereich verbleiben und nicht an die konkrete kirchliche Realität zurückgekoppelt sind", betont der Kardinal.
"Würden sie mit dieser konkreten Realität geerdet, müssten viele als fraglose Konsense ausgegebene Aussagen in Frage gestellt werden. Dass diese Erdung zu einem grossen Teil nicht geschehen ist, erstaunt umso mehr, als der ÖAK sich immer wieder auf den Primat der Praxis beruft, ihn aber weitgehend nicht einlöst".
Zum Dritten sei er jedoch auch über den Zeitpunkt der Veröffentlichung der Stellungnahme erstaunt, erklärte Koch gegenüber CNA Deutsch: "Die Kongregation für die Glaubenslehre hat ihr Schreiben an den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz adressiert; von ihm erwarten wir hier in Rom deshalb eine Antwort".
Seines Wissens habe der Vorsitzende - Bischof Georg Bätzing von Limburg - eine Stellungnahme vom ÖAK erbeten, um seine Antwort an die Kongregation für die Glaubenslehre vorzubereiten, fuhr Koch fort.
"Warum nun die Stellungnahme der Leitenden des ÖAK zwischen den Sitzungen der Ökumene- und der Glaubenskommission und vor der Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz veröffentlicht worden ist, entzieht sich meiner Kenntnis".
Koch abschließend: "Der jetzt gewählte Zeitpunkt der Veröffentlichung hinterlässt aber viele Fragen".
"Papst Franziskus besorgt"
Wie CNA Deutsch berichtete, hat die Glaubenskongregation im September 2020 der Forderung des von Bischof Bätzing mitgeleiteten "ökumenischen Arbeitskreises" eine klare Absage erteilt.
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Zwischen Katholiken und Protestanten kann es derzeit könne es keine Interkommunion in Form einer "Mahlgemeinschaft" geben, erinnerte Rom die deutschen Bischöfe.
Mit der Intervention gehe es weniger um die vielbeschworene Rede von einer "Öffnung" oder deren "Blockade" mit Blick auf ein gemeinsames "Mahl": Es geht um ein grundsätzlich anderes Verständnis von Eucharistie und Realpräsenz. Das haben auch mehrere deutsche Bischöfe schon bekräftigt, wollen offenbar die Bischöfe Georg Bätzing und Gerhard Feige aber offenbar nicht gelten lassen.
Dabei ist der Vatikan sehr deutlich geworden: Die "katholischen Grundverständnisse" von Kirche, dem Opferbegriff der Eucharistie und des Weiheamts sind "nicht ausreichend geklärt", monierte die Glaubenskongregation jedoch bereits damals. Damit würden "zentrale Themen des Depositum fidei, Glaubenswahrheiten, de fide tenendae"direkt berührt.
Eine weitere Warnung betrifft die Ökumene: Die Forderungen des Arbeitskreises mit Protestanten könnten ausgerechnet diese belasten, vor allem mit den Geschwistern der Orthodoxie. Dass sei gerade auch in Deutschland bedeutsam, da die Zahl der orientalischen Christen aus den noch nicht in voller Gemeinschaft mit der Katholischen Kirche stehenden Ostkirchen wachse.
Das Schreiben der Glaubenskongregation an den Vorsitzenden der deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, sei eine sehr ernstesachliche Auseinandersetzung mit dem Text "Gemeinsam am Tisch des Herrn", so Koch im September 2020.
Die Absage aus Rom an deutsche "Mahlgemeinschaften" mit Lutheranern komme zwar von Kardinal Luis Ladaria SJ, dem Präfekten der Glaubenskongregation. Doch auch Papst Franziskus sei besorgt "über die Situation der Kirche in Deutschland", betonte Koch damals, und zwar nicht nur mit Blick auf "Mahlgemeinschaften", sondern überhaupt:
"Ich erinnere auch daran, dass Papst Franziskus bereits im vergangenen Jahr einen langen Brief an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland geschrieben hat", so Koch.
In dem Brief warnt der Papst vor Spaltungen und ruft zur Evangelisierung und Einheit mit der Weltkirche auf. Tatsächlich war die Korrektur der Kongregation für die Glaubenslehre gegenüber Bätzing nicht die erste Intervention aus Rom in den vergangenen Monaten. Weitere Themen, die bis heute für Spannungen sorgen, sind die Pfarrei-Instruktion des Vatikans, der umstrittene "Synodale Weg" sowie die geplante Reduzierung der Zahl von Pfarreien in deutschen Bistümern.
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