Hong Kong, China und der Vatikan: Kardinal Zen meldet sich zu Wort, um Papst zu erreichen

Kardinal Joseph Zen
CNA/ Petrik Bohumil

Es ist auf den Tag genau ein Jahr her: Der ehemalige Bischof von Hong Kong, Kardinal Joseph Zen, hat am 6. Juli 2019 die "pastorale Handreichung" des Vatikans für Katholiken scharf kritisiert und mehrere Fragen veröffentlicht, die er als "Dubia" bezeichnete.

Am heutigen Montag nun hat sich der Kardinal zu Wort gemeldet. Er schildert, was damals und seitdem passiert ist – sowohl auf seinem Blog als auch auf Twitter – und begründet seine Entscheidung, sich an die Öffentlichkeit zu wenden. 

"Es ist nun ein ganzes Jahr seit meinem Besuch bei Papst Franziskus vergangen, aber immer noch kein Wort von ihm. Ich bin mir nicht sicher, ob meine Briefe ihn erreichen können, deshalb habe ich jetzt in meinen Blog geschrieben, was ich sagen möchte, in der Hoffnung, dass er vielleicht die Gelegenheit bekommt, es durch jemanden zu lesen", so Zen am heutigen Montag.

Angesichts der neuen "Sicherheitsgesetze" in Hong Kong erinnerten sich manche Menschen vielleicht an den 1. Juli 1997, schreibt der Kardinal. Damals wurde offiziell im "Handover" Hong Kong vom Vereinigten Königreich an China übertragen.

Er denke jedoch daran, was ihm am 3. Juli vor einem Jahr in Rom widerfahren sei, so der ehemalige Hirte von Hong Kong.

"Am 3. Juli lud mich der Heilige Vater zum Abendessen in Anwesenheit von [Kardinalstaatssekretär Pietro] Parolin ein. Ich dachte, ich hätte eine Chance", schreibt Zen, der nach Rom gekommen war um seine schweren Bedenken über die "pastoralen Leitlinien" dem Papst zu überstellen.

"Das Abendessen war sehr einfach, während dessen ich über die Situation in Hongkong sprach. Parolin sagte kein Wort. Am Ende sagte ich: 'Dürfen wir über das Dokument sprechen?' Die Antwort des Heiligen Vaters lautete: 'Ich werde der Sache nachgehen'. Dann führte er mich zur Tür. Diese Antwort war die einzige Belohnung für meine lange Reise? Nicht ganz. Während des Abendessens bemerkte ich beim Heiligen Vater viel Zuneigung für mich, aber auch eine gewisse Peinlichkeit. Ich verstand, dass das Abendessen ein Plan von Parolin war, der mir sagen wollte: 'Der Heilige Vater hat viel Zuneigung für Sie, aber er hört mir zu, nicht Ihnen; und ich weigere mich, mit Ihnen in seiner Gegenwart über die Pastoralen Leitlinien zu sprechen. Das war es also. Gehen Sie nach Hause und kommen Sie nicht mehr wieder.' Ich bin also nicht mit leeren Händen zurückgekommen. Ich hatte die Gelegenheit, mit meinen Augen zu sehen, dass Parolin den Heiligen Vater manipuliert", so Zen.

Nachdem der Papst ihm tatsächlich keine Nachricht geschickt habe, fährt der Kardinal fort, habe er sich an die anderen Kardinäle in einem Schreiben gewandt. 

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"Ich erhielt einige Antworten, die von Mitgefühl und vielversprechenden Gebeten zeugen. Bedauerlicherweise schrieb der neue Dekan des Kardinalskollegiums, Kardinal [Giovanni Battista] Re, einen Brief an alle Kardinäle, in dem er meinen Brief kritisierte. Offensichtlich wurde ihm das von Parolin aufgezwungen".

Vatikan und Volksrepublik


Was war der Auslöser dieses Eklats? Kardinal Zen erklärte 2019 in einem Blogpost, dass das Schreiben des Vatikans gegen alle Grundlagen der Moraltheologie verstoße. Bis heute wurden indessen seine Dubia nicht beantwortet.

Nun hat die Realität in Hong Kong die Warnungen des Kardinals überholt: Das kommunistische Regime in Peking unter dem "Präsidenten auf Lebenszeit", Xi Jinping, hat mit seinem "Sicherheitsgesetz" faktisch einen weiteren Schritt zur vollen Machtübernahme in Hong Kong vollzogen. 

Papst Franziskus sollte am gestrigen Sonntag in seiner Ansprache zum Angelus eigentlich über Hong Kong sprechen, berichteten Vatikanisten, darunter Marco Tosatti, gestern mit Verweis auf eine entsprechende Ankündigung des Presse-Amts des Heiligen Stuhls. Tatsächlich sprach der Papst am 5. Juli dann nicht zu Hong Kong und der Lage der Christen in der ehemaligen Kronkolonie. Der Vatikan hat auch während der dortigen Demokratie-Proteste beharrlich geschwiegen

Im Gegensatz dazu hat Papst Franziskus die verfolgten Katholiken in China mehrfach aufgerufen, "gute Bürger" zu sein. Und, wie CNA Deutsch berichtete, wurden mit der "pastoralen Handreichung" katholische Kleriker ermutigt, sich staatlich registrieren zu lassen und aufgefordert, wenn sie "Erklärungen" mit ihrem Namen unterschreiben, die nicht "den katholischen Glauben respektieren", dann sollten sie gleichzeitig mindestens mündlich vor einem Zeugen erklären, dass sie sehr wohl "treu zu den Grundsätzen der katholischen Glaubenslehre stehen".

Kardinal Zen nahm damals zu diesen Anweisungen kein Blatt vor den Mund. Die Leitlinien würden sogar einen Abfall vom Glauben rechtfertigbar machen, so der chinesische Würdenträger. Offenbar hoffe man im Vatikan, dass die "Untergrundkirche" eines "natürlichen Todes" sterbe. 

"Dieses Dokument hat radikal auf den Kopf gestellt, was normal ist und was nicht", so der Kardinal im Jahr 2019, wie mehrere Agenturen berichteten.

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Hintergrund der "Leitlinien" ist das umstrittene "vorläufige Abkommen" des Vatikans mit der kommunistischen Volksrepublik vom September 2018. Seitdem hat die Verfolgung und Unterdrückung von Christen in China nach einhelliger Einschätzung von Menschenrechtlern und Experten sowie Vertretern westlicher Regierungen weiter zugenommen.

Zudem versucht das kommunistische Regime mit seiner Strategie der "Sinisierung" unter anderem, christliche Bräuche bei Beerdigungen abzuschaffen, die Bibel umzuschreiben und die Zehn Gebote zu verändern – neben zahlreichen weiteren Repressalien. 

Die offenbar vom Vatikan erhoffte Ernennung neuer Bischöfe, die das – inhaltlich geheime – Abkommen offenbar regeln sollte, ist weitestgehend ausgeblieben.

Kardinal Joseph Zen war von Anfang eine warnende Stimme und entschiedener Gegner des Abkommens, das Vertreter des Vatikans wiederholt verteidigt haben.

Der 87-jährige war von 2002 bis 2009 Bischof von Hong Kong und ist bekannt als unerschrockener Verfechter der Menschenrechte, politischer Freiheit und Religionsfreiheit. Unter anderem erhielt der Salesianerpater dafür den Stephanus-Preis für verfolgte Christen.

Stichwort: "Dubia"


In der der Katholischen Kirche sind Dubia - buchstäblich "Zweifel" - eine seit langem praktizierte, traditionelle Form der Äußerung von Fragen zur Klärung wichtiger Zweifel. Bekannt wurde der Begriff durch die - bis heute ebenfalls unbeantworteten - Fragen über die "ungelösten Knoten" in dem Schreiben Amoris Laetitia.  

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