Denver - Mittwoch, 26. Mai 2021, 18:00 Uhr.
Eine Reihe theologischer Bedenken hat Erzbischof Samuel J. Aquila von Denver (USA) gegen den umstrittenen "Synodalen Weg" in Deutschland erhoben: Dessen Grundtext über "Macht und Gewaltenteilung in der Kirche" weise tiefe "Pathologien" auf und stelle ein Bekenntnis zu radikalem Relativismus dar, so Aquila in einem offenen Brief an die Bischöfe der weltweiten Katholischen Kirche, "und ganz besonders an die Bischöfe Deutschlands".
Der offizielle "Grundtext" des Forums über Macht beim "Synodalen Weg" leide nicht nur an erheblichen theologischen Mängeln und Schwächen und stehe letztlich "im Widerspruch zum endgültigen Verständnis der Kirche und ihrer Gründung durch Christus", so der 70-jährige Prälat. Erzbischof Aquila erhebt auch den Vorwurf "tendenziöser Darstellung" und gezielt unredlicher Arbeit mit Texten des Zweiten Vatikanischen Konzils.
"Auf einer tieferen Ebene behauptet der Synodale Weg zwar, sich im Zweiten Vatikanischen Konzil zu verankern, bedient sich aber einer selektiven und irreführenden Interpretation der Konzilsdokumente, um unhaltbare Ansichten über das Wesen der Kirche (Lumen gentium), ihre Beziehung zur Welt (Gaudium et spes) und ihre Begründung in der göttlichen Offenbarung (Dei Verbum) zu stützen, Ansichten, die unmöglich mit einer vollständigen Lektüre des Konzils in Verbindung gebracht werden können", schreibt Aquila.
Der Erzbischof betont: "In Anbetracht der heiligen Verantwortung, dem Zeugnis zu geben, der mich gesandt hat, schreibe ich diesen Brief aus Liebe zu Jesus Christus und zur Weltkirche, die die Braut Christi ist".
Der offene Brief des Erzbischofs ist auf Christi Himmelfahrt datiert – den 13. Mai 2021 – und in mehrere Sprachen übersetzt worden. Den vollen Wortlaut des in deutscher Sprache 16 Seiten langen Schreibens lesen Sie hier.
Aquila betont, dass der "Synodale Weg" Fragen von echter und dringender Bedeutung thematisiere, vor allem den sexuellen Missbrauch durch Kleriker und dessen Vertuschung durch einzelne Mitglieder der Hierarchie. Und er betont: "Obwohl die finanziellen Auswirkungen der Missbrauchsskandale auf die Kirche gravierend waren, darf dies nicht die Hauptmotivation für Reformen sein. In dem Maße, in dem solche Konsequenzen gerecht sind, sind sie nicht zu beklagen, sondern sollten wie aus der Hand des gerechten Gottes empfangen werden".
Ungeachtet mancher Eingeständnisse zeige der "Grundtext" des Forums über Macht auch "praktisch keine Wertschätzung dafür, wie die spezifischen Forderungen des Evangeliums, wie sie von der Kirche im Glauben und in der Nächstenliebe verkündet werden, den scharfen Widerstand hervorrufen können und es auch tun, den das Neue Testament konsequent zwischen dem Geist der Welt und der Treue zu Jesus Christus aufstellt", schreibt Aquila in seiner Analyse.
Darüber hinaus ignoriere der Grundtest den Anspruch der Jüngerschaft, wie ihn Christus im Evangelium artikuliert hat, so der Erzbischof.
Der "Grundtext des Synodalforums" ist auf der Webseite des "Synodalen Wegs" veröffentlicht worden. Die beiden Vorsitzenden des Gremiums sind der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck und die ZdK-Funktionärin Claudia Lücking-Michel (CDU).
Wie Erzbischof Aquila feststellt, bezieht dessen Text sich nicht nur auf das Thema "Macht und Gewaltenteilung" in der Kirche, sondern auch Fragen des Sakraments der Priesterweihe für Frauen und andere Themen.
Im Abschnitt über "das Sakrament des heiligen Priestertums und die Struktur der Kirche" erhebt Aquila den Vorwurf, der Grundtext versäume es, das "besondere Priestertum des Dienstes" eindeutig mit dem Sakrament des heiligen Priestertums zu verbinden, "das von Jesus Christus selbst gewollt und eingesetzt wurde, und dieses Versäumnis erweckt jeden Anschein, absichtlich zu sein".
Aquila wörtlich: "Der hier gewählte Ansatz scheint darauf abzuzielen, den endgültigen und dauerhaften Charakter des Sakraments des heiligen Priestertums zu untergraben".
Der Grundtext vom Forum I fordere direkt eine kritische Neubewertung der Bestimmung des hl. Johannes Paul II., "die Kirche habe kein Recht, Frauen zu Priestern zu weihen", deren "Geltungskraft" durch angeblich neue "Einsichten" aus dem letzten Vierteljahrhundert geprüft werden muss, die die "Kohärenz seiner Argumentation" in Frage stellten (Grundtext, S. 35).
"Diese Frage soll im Forum IV näher behandelt werden, aber ihre ekklesiologischen Grundlagen sind im Grundtext des Forums I angelegt", stellt der Erzbischof fest – und fährt fort: "Es wäre sowohl unmöglich als auch unerwünscht, Zeile für Zeile auf das gesamte Dokument zu antworten, aber es ist mehr erforderlich als eine oberflächliche Reaktion auf die Themen der Überschriften. Dies sind nur Symptome der tieferen Pathologien des Grundtextes und der theologischen Haltung des Synodalen Weges, dem das Dokument Ausdruck verleiht".
"Die Synodenversammlung schlägt in der Tat wirklich radikale Änderungen der Struktur der Kirche und ihres Verständnisses ihrer Sendung vor", so Aquila. Gleichzeitig stehe der Grundtext "im auffälligen Gegensatz zu Lumen gentium": Denn der Text des "Synodalen Wegs" spare die Lehre von der direkten bischöflichen Nachfolge von den Aposteln völlig aus.
"Das Fehlen von Verweisen auf die Beziehung Jesu zu den Zwölf im Grundtext steht in scharfem Gegensatz zu dem, was in den Dokumenten des Zweiten Vatikanischen Konzils zu finden ist", kritisiert der Erzbischof, der in diesem Zusammenhang auch Papst Franziskus und den Katechismus der Kirche zitiert.
Ähnlich deutlich und dezidiert schreibt Aquila über das Verständnis des deutschen Grundtextes der Sakramente der Kirche. "Die Sakramente – und noch viel weniger die Kirche! – sind nicht unsere 'Werkzeuge'. Sie sind Gottes Werkzeuge, denn er allein ist die wichtigste effiziente Ursache für alle Gnaden, die durch die Kirche und die Sakramente vermittelt werden".
In weiteren Abschnitten analysiert Aquila die Äußerungen des "Synodalen Wegs" zu Kirche, Welt und dem Wort Gottes.
"Die Neuinterpretation des munus docendi (Lehramt) durch den Grundtext entspricht seinem noch beunruhigenderen Bekenntnis zu einem expliziten, radikalen Relativismus der Lehre", schreibt er. Die göttliche Offenbarung werde hier im Grundtext "in einer endlos sich wechselnden Hermeneutik des 'Dialogs' gefangen gehalten.
Nüchtern stellt der Erzbischof fest: "Obwohl die finanziellen Auswirkungen der Missbrauchsskandale auf die Kirche gravierend waren, darf dies nicht die Hauptmotivation für Reformen sein".
Der Erzbischof fährt fort: "In dem Maße, in dem solche Konsequenzen gerecht sind, sind sie nicht zu beklagen, sondern sollten wie aus der Hand des gerechten Gottes empfangen werden. Stattdessen muss es uns am meisten darum gehen, das Vertrauen derer wiederzuerlangen, die Christus der Kirche anvertraut hat. Wir müssen uns verpflichten, denen, die durch die bösen Taten von Klerikern in der Kirche verwundet und oft am Boden zerstört wurden, seelsorgerische Hilfe anzubieten, Messen als Wiedergutmachung für die Sünden des Klerus und der Laien feiern, aufrichtige Reue und Buße öffentlich zu machen und echte Transparenz zu schaffen."
Nach der Kritik des renommierten Theologen und Kapuzinerpaters Thomas Weinandy – sowie mehrerer weiterer Professoren und Prälaten – ist der offene Brief des Erzbischofs von Denver die jüngste und ausführlichste Auseinandersetzung mit dem deutschen Prozess.
Auch der Brief an die deutschen Katholiken von Papst Franziskus äußerte sich zum "Synodalen Weg": Darin forderte der Pontifex schon im Jahr 2019 die Deutschen auf, mit der Weltkirche die Einheit zu wahren. Und: Papst Franziskus warnte auf seine Weise - hier der volle Wortlaut - dass Teilkirchen, "falls sie von der Weltkirche getrennt wären, würden (...) sich schwächen, verderben und sterben". Die damaligen Verantwortlichen des "Synodalen Wegs", Kardinal Reinhard Marx und ZdK-Präsident Thomas Sternberg (CDU) hatten dies damals als "Ermutigung" bezeichnet. Seitdem hat der Pontifex seine Kritik deutlicher ausgesprochen, und sowohl Kardinal Marx als auch Sternberg haben seitdem ihren Rückzug von der Präsidentschaft des "Synodalen Wegs" angekündigt.
Erzbischof Aquila erinnert in seinem offenen Brief auch an die Worte von Papst Franziskus, die dieser kurz nach seiner Wahl sprach, vor den Kardinälen in der Sixtinischen Kapelle: "Wir können gehen, wie weit wir wollen, wir können vieles aufbauen, aber wenn wir nicht Jesus Christus bekennen, geht die Sache nicht. Wir werden eine wohltätige NGO, aber nicht die Kirche, die Braut Christi."
Abschließend, schreibt der Bischof an seine Amtsbrüder, empfehle er "diesen Brief und diese Fragen unserem Gebet und unserem Nachdenken".
"Sind wir bereit, vom Kreuz zu sprechen? Haben wir den Mut, den Weg des Kreuzes zu gehen und die Verachtung der Welt aufgrund der Botschaft des Evangeliums zu ertragen? Werden wir selbst den Ruf des Herrn Jesus zur Umkehr beherzigen und den Mut haben, ihn in einer ungläubigen Welt zu verkünden?"
"Haben wir, wie die Kirche in Ephesus, zu der der auferstandene Jesus spricht, 'die erste Liebe verlassen, die wir hatten' (Offb 2,4)?"
Den vollen Wortlaut des in deutscher Sprache 16 Seiten langen Schreibens lesen Sie hier.
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