"Zeichen der Zeit" in Frankfurt: Der "Synodale Weg" stimmt über Macht ab

Die Flaggen des umstrittenen "Synodalen Weges" vor dem Congress Centrum Frankfurt
Max von Lachner / Synodaler Weg

Mit der Zustimmung zum "Orientierungstext" über die theologischen Grundlagen hat der "Synodale Weg" auf der dritten gemeinsamen Versammlung die Weichen für die weiteren Beratungen gestellt. Außerdem wurde ein Grundtext zum Thema "Macht und Gewaltenteilung" beschlossen.

Nach einer Diskussion über den Stellenwert der "Zeichen der Zeit" gab es im Congress Center der Messe Frankfurt ein eindeutiges Ergebnis und damit Rückenwind für die Kritiker der umstrittenen Debattenveranstaltung. Sie wurden in der Ansicht bestärkt, dass sich der "Synodale Weg" in Deutschland von der Glaubenslehre der Weltkirche entfernt. Befürworter sprachen von einem "theologischen Schritt nach vorne".

Voderholzer: Widerspruch gegen das Zweite Vatikanische Konzil

Von 212 Stimmberechtigten stimmten 86 Prozent dem Orientierungstext zu, von den anwesenden Bischöfen sprachen sich 72 Prozent dafür aus. Zuvor hatte Bischof Rudolf Voderholzer seine Bedenken geäußert. Er sagte: "Ich beobachte im Orientierungstext eine Kompetenzverschiebung vom ordentlichen Lehramt der Bischöfe zum Lehramt der Theologie, der ich nicht zustimmen kann. Sie widerspricht der überlieferten Lehre der Kirche, besonders dem 2. Vatikanischen Konzil." Weitere Bischöfe schlossen sich mit ihren Bedenken an.

Worum ging es? Waren es nur theologische Spitzfindigkeiten? Bloß ein Streit unter Fachleuten? Gewiss nicht. Es genügen drei Sätze aus der "Dogmatischen Konstitution Dei Verbum" des 2. Vatikanischen Konzils, Nr. 10, in der die wichtigsten Fundamente des katholischen Glaubens festgeschrieben sind. Sie geben Antwort darüber, was Katholiken glauben und wer darüber bestimmt. Bischof Voderholzer wies genau auf diese Stelle hin, in der es heißt: "Die Heilige Überlieferung und die Heilige Schrift bilden den einen der Kirche überlassenen heiligen Schatz des Wortes Gottes. … Die Aufgabe aber, das geschriebene oder überlieferte Wort Gottes verbindlich zu erklären, ist nur dem lebendigen Lehramt der Kirche anvertraut. Das Lehramt ist nicht über dem Wort Gottes, sondern dient ihm, indem es nichts lehrt, als was überliefert ist."

Bischof Rudolf Voderholzer warf nun den Autoren des Orientierungstextes vor, diese wichtige Aussage des Konzils zu unterschlagen, "mit der Folge einer erheblichen Entwertung des ordentlichen Lehramtes". Das Lehramt der Kirche besteht aus Papst und Bischöfen. Theologen haben die Aufgabe der Beratung, mehr nicht. 

"Zeichen der Zeit" und "Orte der Theologie"?

Das sehen die Betreiber und eine Mehrzahl der Teilnehmer der Veranstaltung anders. Die Wortführer sind hier hauptsächlich Theologen. Das wird spürbar, weil an der Stelle, an der die vom Konzil hervorgehobene Bedeutung des Lehramtes beschrieben werden könnte, von "Quellen" und "Orten der Theologie" die Rede ist. Dabei werden genannt: Heilige Schrift und die Tradition, die Zeichen der Zeit und der Glaubenssinn des Volkes Gottes, das Lehramt und die Theologie. 

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An dieser Stelle werden nun sechs Elemente als "Orte des Glaubens" genannt, die keineswegs den gleichen Stellenwert haben. Denn nur drei von ihnen werden vom Konzil in erster Linie genannt: Überlieferung, Heilige Schrift und Lehramt von Papst und Bischöfen. Diese nicht unabsichtliche Ausweitung hat bei Bischof Rudolf Voderholzer den Widerspruch ausgelöst. Er sagte: "Ich schätze die Theologie, denn ich habe selbst acht Jahre lang als Hochschullehrer gearbeitet. Aber das ordentliche Lehramt der Bischöfe ist konstitutiv für die Kirche und kann nicht von einem (neuen) Lehramt der Theologie übernommen werden." Ein Änderungsantrag zu Nr. 11 des in diesem Punkt kritisierten Orientierungstextes wurde aber mit 80 Prozent der Stimmen abgelehnt.

Einen weiteren Diskussionspunkt boten die vom Konzil erwähnten "Zeichen der Zeit". Dort heißt es in der Pastoralkonstitution "Gaudium et spes", Nr. 4: "Zur Erfüllung dieses ihres Auftrags obliegt der Kirche allzeit die Pflicht, nach den Zeichen der Zeit zu forschen und sie im Licht des Evangeliums zu deuten. … Es gilt also, die Welt, in der wir leben, ihre Erwartungen, Bestrebungen und ihren oft dramatischen Charakter zu erfassen und zu verstehen." Im 20-seitigen Orientierungstext des Synodalen Weges kommt dieser Begriff auf elf Seiten insgesamt 33 Mal vor. 

So hat der Orientierungstext die "Zeichen der Zeit" unter die "Quellen" und "Orte der Theologie" eingereiht, auf gleicher Ebene mit dem Lehramt.

Wo bleibt das Glaubensgut der Kirche? 

Warum wird diesem Begriff eine solche außerordentliche Bedeutung beigemessen? Die Antwort ist nahe liegend: Unter Berufung auf die "Zeichen der Zeit" werden in weiteren Texten der Veranstaltung theologische Veränderungen begründet, die nach Ansicht von Kritikern nicht mehr vereinbar sind mit dem Glaubensgut der Kirche. 

Die Richtung der Debatte änderte auch nicht nach dem Hinweis von Erzbischof Heiner Koch, der sagte: "Die Zeichen der Zeit sind immer an die Menschen gebunden, und sie werden oft ganz unterschiedlich wahrgenommen." So blieb es bei deren Aufwertung.

Zum Orientierungstext gab es insgesamt 195 Änderungsanträge, von denen 76 ablehnende Änderungswünsche ausdrückten. Nur einer wurde einzeln aufgerufen und einzeln darüber abgestimmt. In drei Blöcken wurde über jeweils 43, 73 und 77 Änderungsanträge abgestimmt, ohne dass sie einzeln behandelt wurden, ein Antrag entfiel. Es gab jeweils sehr große Zustimmungsquoten.

Auch die zweite Endabstimmung über den "Grundtext "Macht und Gewaltenteilung in der Kirche" verlief – mit einer Ausnahme – ähnlich. 117 Änderungsanträge wurden in einer Abstimmung gemeinsam abgelehnt, ohne ihren Inhalt einzeln aufzurufen und das Für und Wider anzuhören. Bei einem Antrag ging es um die Streichung einer Zwischenüberschrift, die abgelehnt wurde. Nur ein einziger Änderungsantrag fand gegen die Empfehlung der Antragskommission eine knappe Mehrheit.

Was leisten Strukturen für die Sendung der Kirche?

Es ging bei "Macht und Gewaltenteilung" zunächst um einen Grundtext, dem sich später sieben Einzelanträge anschließen. Die Richtung bestimmten unter anderem folgende Sätze, die "eine effektiven Reform innerkirchlicher Machtverhältnisse" als eine entscheidende Voraussetzung für die Missbrauchsaufarbeitung halten. "Eine Veränderung der kirchlichen Machtordnung ist aus Gründen gelingender Inkulturation in eine demokratisch geprägte freiheitlich-rechtsstaatliche Gesellschaft geboten." Und: "Angesichts des kirchlichen Machtmissbrauchs müssen die Theologie des kirchlichen Amtes und die Organisation kirchlicher Strukturen so weiterentwickelt werden, dass die Kirche ihre Sendung heute besser erfüllen kann."

Heikel wird es, wenn erneut geltende Grundsätze der katholischen Lehre abgeändert werden. Der Grundtext vertritt die Ansicht, dass das Kirchenrecht eine "Gewaltenteilung" nicht ausschließe. Einzelne Diskussionsredner vertraten die Ansicht, dass damit eine Stärkung des Lehramtes verbunden sei. Bischof Stephan Ackermann berichtete vom "Druck", dem er als Bischof ausgesetzt sei und versprach sich eine "Entlastung" durch die Beteiligung von gewählten Gremien.

Weihbischof Rolf Steinhäuser, der derzeit das Erzbistum Köln vertretungsweise leitet, sagte: "Wir brauchen keine Form des Absolutismus mehr. Das sage ich vor dem Hintergrund meiner Kölner Erfahrungen." Mehrere Redner sprachen von einer "Revision des kirchlichen Selbstverständnisses" durch die geplante Gewaltenteilung.

Kontroverse Debatte über Missbrauch der Macht

Eine kontroverse Debatte rief eine besondere Formulierung des Grundtextes über "Macht und Gewaltenteilung" hervor. Darin war folgende Formulierung vorgesehen: "Die Kirche muss auf die Stimme derer hören, die in der Kirche vom Missbrauch ihrer Macht betroffen waren und sind. Ihr besonderes Lehramt gilt es anzuerkennen, weil die Stimme Christi in ihnen vernehmbar wird."

Es ging also erneut um das kirchliche Lehramt, das derzeit allein Papst und Bischöfen zusteht. Verfügen nun die Betroffenen des sexuellen Missbrauchs über ein eigenes Lehramt? Mündlich wurde nun hervorgehoben, dass es sich dabei "um keine Instanz handelt, die mit den Rechten von Papst und Bischöfen konkurriert". Aber wer weiß das später, wenn es doch schwarz auf weiß da steht?

Bischof Karl-Heinz Wiesemann hatte einen Änderungsantrag eingereicht, der einzeln zur Abstimmung gestellt wurde. Das Ergebnis fiel knapp aus: 51,7 Prozent der Stimmberechtigten ging die Anerkennung der Missbrauchsbetroffenen als Inhaber eines besonderen Lehramtes zu weit. Die Neufassung brachte zum Ausdruck, dass auf ihre Stimme zu hören sei und in ihnen die Stimme Christi vernehmbar werde. "Ihr Schrei ist ein besonderer Ort der Theologie für unsere Zeit."

Bei der Schlussabstimmung nahmen 88 Prozent den Grundtext zur "Macht und Gewaltenteilung" an, 74 Prozent der Bischöfe stimmten zu. Unter den "nicht männlichen Teilnehmern" fand der Text eine Zustimmung von 92 Prozent.

Zu Beginn der Versammlung hatte Bischof Georg Bätzing den Teilnehmern einen neuen "Leitfaden für gute Kommunikation und Konfliktgestaltung" empfohlen. Den Anlass schilderte er so: "Die vergangene Synodalversammlung hat verschiedentlich zu erheblichen Irritationen geführt, wie hier auf der Tagung kommuniziert wird. Es stellte sich die Frage, welches Signal wir geben, wenn rote Karten sich nicht auf eine Aussage beziehen, sondern bereits hochgehalten werden, noch bevor jemand das Wort ergreift." Derlei Vorfälle blieben diesmal aus.

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