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Kardinal Koch: „Ohne die Einheit aller Christen ist Kirche nicht realisiert“

Kardinal Kurt Koch beim Symposium zu Ehren seines kommenden Geburtstagsjubiläums. Der Theologenkongress fand vom 6. bis 8. März 2024 in Rom statt.
Blick in den Saal des Instituts für Ökumenische Studien der Päpstlichen Universität St. Thomas von Aquin (Angelicum) in Rom.
Beim dreitägigen Symposium mit dem Titel „Einheit und Einzigkeit“ war neben weiteren Theologen unter anderem auch Professor Karl-Heinz Menke (r.) als Redner eingeladen.

Der Ökumene-Minister des Vatikan, Kardinal Kurt Koch, wird im nächsten Jahr 75 Jahre alt. Sein Geburtstagsgeschenk hat er jedoch schon jetzt erhalten. Bei einem dreitägigen Symposium mit theologischen Vorträgen zur Einheit der Kirche wird auch Kritik am Kirchensteuersystem in Deutschland laut. Ein Bericht von Rom-Korrespondent Rudolf Gehrig.

Aberglaube ist eher nicht so das Ding von Kardinal Kurt Koch. Während es in Deutschland viele Menschen gibt, die abergläubisch darauf bestehen, dass sie keinesfalls verfrühte Geburtstagsglückwünsche erhalten möchten, weil das angeblich „Unglück“ bringt, wirkt Kardinal Koch alles andere als unglücklich. Vielleicht, weil er kein Deutscher, sondern Schweizer ist. Vielleicht aber auch, weil er ein Mann des Glaubens ist, dem Aberglauben nichts anhaben kann.

Nächste Woche, am Freitag, wird Kardinal Koch 74 Jahre alt, doch gefeiert hat der Schweizer seinen Geburtstag bereits in den vergangenen drei Tagen in Rom. Wie wenig er von Aberglauben hält, zeigt sich auch darin, dass Koch nicht etwa seinen 74. Geburtstag im Voraus feierte, sondern bereits seinen 75., der – so Gott will – doch erst nächstes Jahr am 15. März 2025 sein wird.

Geburtstagsgeschenk für den Ökumene-Minister

„Ein Geburtstag ist auch immer eine Erinnerung daran, dass uns das Entscheidende im Leben gegeben ist. Ich bin für Vieles schuldig als Kardinal, aber für meine Geburt bin ich nicht schuldig.“ – Das sagte Kardinal Koch am Freitag in das Mikrofon von EWTN News.

Die Idee für die vorgezogene Geburtstagsfeier ist dagegen das Ergebnis einer pragmatischen Problemlösung: Schuld daran sind Terminkollisionen. Ursprünglich wollte das Römische Institut der Görres-Gesellschaft in Kooperation mit dem Institut für Ökumenische Studien der Päpstlichen Universität St. Thomas von Aquin (Angelicum) und der Theologischen Fakultät der Päpstlichen Universität Gregoriana dem Kardinal eine Freude machen, indem sie ihm anlässlich seines 75. Geburtstages im nächsten Jahr ein dreitägiges Symposium ausrichten wollten, also eine theologische Fachkonferenz, bei der Experten der Theologie zum Thema „Einheit und Einzigkeit“ referieren sollen. Für Koch, der als Präfekt des Dikasteriums zur Förderung der Einheit der Christen gewissermaßen der „Ökumene-Minister“ des Vatikans ist, ein Leib- und Magenthema.

Nun ist es so, dass das Jahr 2025 für die katholische Kirche insgesamt ein großes Jubiläumsjahr ist. Die Weltkirche feiert zum Beispiel das 1.700-jährige Jubliäum des Konzils von Nicäa, dem die Kirche unter anderem das Glaubensbekenntnis verdankt. Dazu hat Papst Franziskus das kommende Jahr als „Heiliges Jahr“ ausgerufen. Viel zu tun für Kardinal Koch. Aber da man Feste nun einmal feiern soll, wie sie (ge)fallen, zog man das geplante Geburtstagsgeschenk eben vor.

„Einheit und Einzigkeit“

„Das Symposium wird aus einer katholischen und darum ökumenischen Perspektive verschiedene Facetten der Verwirklichung der ‚einen und einzigen Kirche’ (Lumen gentium 23 bzw. Unitatis redintegratio 3) in einem weiteren theologischen Horizont erfassen und präsentieren“, hieß es in der Broschüre zur Konferenz, die am Mittwoch, dem 6. März, im Angelicum in Rom begann. Verschiedene Granden aus der deutschsprachigen Theologie waren dafür angereist, um den Kardinal und die Zuhörerschaft mit ihren „ekklesiologischen Konkretionen in ökumenischer Perspektive“ zu erfreuen. 

Den Auftakt machte Karl-Heinz Menke. Der emeritierte Professor für Dogmatik und Propädeutik sprach leidenschaftlich zum Thema der „Inkarnatorischen Ekklesiologie“. „Wenn jeder in seiner jeweiligen Konfession wirklich mit Christus sakramental kommunizieren würde, wenn er das, was er verstanden hat von Christus, auch dialogisch und karitativ mitteilen würde, dann wäre die Einheit wieder hergestellt“, unterstrich Menke im Hinblick auf die Ökumene.

Kritik am Kirchensteuer-System in Deutschland

In der ersten Kaffeepause ist der Professor bereit für ein kurzes Interview mit EWTN News. Auf die Frage, wie jeder einzelne Gläubige persönlich auf die Einheit der Kirche hinwirken kann, diagnostiziert Menke zunächst einmal „starke Polarisierungen zwischen zwei Richtungen“ innerhalb der Kirche. „Die einen meinen, man müsse durch Anpassung an den Mainstream der sogenannten Moderne die Kirche aus ihrer Gefangenschaft an ein Weltbild der Vergangenheit lösen“, sagt er. „Die anderen, zu denen auch ich gehöre, glauben, dass wir nur durch eine Rückkehr zu einem intensiv gelebten Christentum wieder aus dem Schlamassel herauskommen.“

Um das zu erreichen, sei jedoch ein Prozess notwendig, bei dem man von vielen Dingen Abstand nehmen müsse, die bislang „zum Standard“ gehörten. Menke wörtlich: „Ich bin zum Beispiel dafür, dass die Kirchensteuer freigestellt wird. Man kann nicht mehr die Exkommunikation eines Christen daran binden, ob er die Kirchensteuer bezahlt oder nicht. Vielleicht daran, ob er an Christus glaubt oder nicht, aber nicht, ob er die Kirchensteuer zahlt.“

Die Kritik des Theologen bezieht sich auf eine umstrittene Regelung der Deutschen Bischofskonferenz. Bislang ist der Kirchenaustritt die einzige Möglichkeit, die Zahlung der Kirchensteuer zu verweigern. Nach dem Reglement der deutschen Bischofskonferenz erfolgt auf den Austritt jedoch der Ausschluss von den Sakramenten – eine Art „automatische Exkommunikation“. Kirchenrechtler kritisieren dieses Modell schon lange.

Nicht nur deshalb fordern zwei Drittel der Deutschen laut Umfrage die Abschaffung der Kirchensteuer. Der Journalist Alexander Kissler, selbst Katholik, erinnerte daran, dass die Kirchensteuer laut einer Studie des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Evangelischen Kirche von 2022 nach wie vor für viele Menschen das Motiv für den Kirchenaustritt sei. „Die Kirchen wissen, dass ihr Geldspeicher Risse bekommt. Deshalb umklammern sie ihn desto eifriger“, so Kissler in einem Interview im vergangenen Juli. „Die Kumpanei mit dem Staat, wie sie sich in der Kirchensteuer verdichtet, erschwert die Verkündigung, schwächt das Zeugnis, steht der Mission im Weg.“

Damit stieß der Journalist in das gleiche Horn wie Erzbischof Georg Gänswein, der einmal gesagt hat: „Wenn die Glaubenskraft der Katholischen Kirche in Deutschland so groß wäre wie ihre Finanzkraft, wäre alles in Ordnung.“

(Die Geschichte geht unten weiter)

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„Versöhnte Verschiedenheit“ – was ist das überhaupt?

Leichte Kritik an der Selbstzentrierung der Kirche allgemein äußerte jedoch auch Kardinal Koch selbst im Laufe des römischen Symposiums. Nachdem Äbtissin Christiana Reemts OSB von der Abtei Mariendonk über die „realsymbolische Ekklesiologie“ referiert hatte und dabei das Bild von Sonne und Mond gebrauchte, um das Verhältnis zwischen Gott und seiner Kirche zu beschreiben, bemerkte Koch in der anschließenden Diskussionsrunde, dass er den Eindruck habe, dass die Kirche „zu oft die Sonne sein will“. Dabei sei sie doch „der Mond“, der nur den Glanz Gottes wiederspiegeln müsse. „Die Kirche redet heute gerne hauptsächlich über sich selbst“, so seine Kritik.

In der Fragerunde kam der Ökumene-Minister schließlich auch auf den häufig gebrauchten Ausdruck von der „versöhnten Verschiedenheit“ zu sprechen. „Da reden wir heute in der Ökumene ziemlich aneinander vorbei“, sagte Koch mit ruhiger Stimme. „Versöhnte Verschiedenheit ist für Katholiken eine Beschreibung der Zukunft, aber Protestanten verstehen darunter eine Beschreibung der Gegenwart.“

Konkret zeige sich dies in den Annäherungsversuchen von protestantischer Seite, die kein Problem mit der sogenannten „Abendmahlsgemeinschaft“ haben, wohingegen Katholiken ein anderes Sakramentsverständnis von der Eucharistie haben und ein solcher „gemeinsamer Tisch“ daher nicht möglich ist, solange diese eklatanten theologischen Differenzen bestehen. „Wir sagen das Gleiche, meinen aber etwas anderes, und manchmal sagen wir etwas anderes, meinen aber das Gleiche“, fasste Koch das Dilemma im ökumenischen Dialog zusammen.

Tebartz-van Elst: „Kirche zu sehr mit Struktur beschäftigt“

Bevor Marianne Schlosser (Universität Wien) den ersten Tag des Symposiums mit ihrem Vortrag über „Hymnische Ekklesiologie“ beschloss, sprach Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst über die „Baptismale Ekklesiologie“. Tebartz-van Elst, der seit 2014 im römischen Dikasterium für die Evangelisierung arbeitet, zeichnete darin die Bedeutung des Taufsakramentes für die Kirche nach. Dabei nahm er auch Bezug auf die Idee einiger deutscher Diözesen, die neuerdings Laien als Taufspender einsetzen wollen. Wie CNA Deutsch berichtete, bestehe laut Bistumsangaben „großes Interesse“ an diesen Kursen.

Es stelle sich die Frage, ob diese Einrichtung „nicht nur wegen der deutlich zurückgehenden Nachfrage dieses Sakramentes wirklich notwendig“ sei, sondern ob das auch „theologisch verantwortbar“ ist, so Tebartz-van Elst.

Ins Mikrofon von EWTN News sagte der Theologe außerdem, dass die Probleme speziell in Deutschland, wo das Interesse am Taufsakrament allgemein nachlasse, „hausgemacht“ seien. „Wir waren in Deutschland schon mal weiter, als wir den Ungetauften mehr Aufmerksamkeit haben zukommen lassen“, lautet die Kritik des früheren Limburger Bischofs. „Man hat bisweilen den Eindruck, dass die Kirche jetzt nur mit strukturellen Themen befasst ist.“

Vorträge auch auf Englisch

Am Donnerstag, dem zweiten Tage des Symposiums, gab es nicht nur einen Orts-, sondern auch einen Sprachwechsel. In der Aula der Päpstlichen Universität Gregoriana sprachen jeweils auf Englisch Paul McPartlan aus Washington über „Eucharistische Ekklesiologie“, Barbara Hallensleben (Universität Fribourg) über „Confessionelle Ekklesiologie“ und Jan-Heiner Tück (Wien) über „Ekklesiale Ekklesiologie“. 

Dazu gab es einen ökumenischen Exkurs mit dem Vortrag des lutherischen Bischofs Jari Jolkkonen aus Finnland (Diözese Kuopio), der über das Bischofsverständnis innerhalb der finnischen Landeskirche sprach.

Den letzten Tag eröffnete der Rektor der Päpstlichen Philosophisch-Theologischen Hochschule Benedikt XVI. Heiligenkreuz, Wolfgang Klausnitzer, mit seinem Referat über „Communiale Ekklesiologie“. Nach ihm sprachen – wieder zurück im Angelicum – der Münchener Professor Stefan Kopp über „Verortete Ekklesiologie“ und – ganz im ökumenischen Geist – der orthodoxe Erzpriester und Theologieprofessor Stefanos Athanasiou (Thema: „Doxologische Ekklesiologie“).

Kardinal Koch: „Viele Christen suchen die Einheit nicht mehr“

Schließlich trat der Fast-Jubilar selbst ans Rednerpult. Kardinal Kurt Koch wollte über „Ekklesiologische Perspektiven“ sprechen, und so nutzte er die Gelegenheit, an das anstehende Jubiläum des Konzils von Nicäa zu erinnern, bei dem vor 1.700 Jahren das Glaubensbekenntnis fest formuliert wurde. Zum apostolischen Glauben gehöre das Bekenntnis zur Einheit der Kirche wesentlich dazu, unterstrich Koch.

„Die Einheit aller Christen in der einen Kirche Jesu Christi ist nicht einfach ein wünschenswertes Ziel, das man unter Umständen ohne Schaden für den christlichen Glauben auch vernachlässigen könnte“, mahnte der Ökumene-Minister und ergänzte: „Ohne die Einheit aller Christen ist Kirche im Vollsinn des Wortes gar nicht realisiert.“

Bereits vor seinem Vortrag hatte sich Kardinal Koch die Zeit genommen, mit EWTN News zu sprechen. „Die größte Herausforderung ist meines Erachtens, dass so viele Christen diese Einheit gar nicht mehr suchen. Stattdessen finden sich viele damit ab, dass wir eine Vielzahl von Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften haben.“

Weiter legte der Kardinal den Finger in die Wunde und bescheinigte dem Denken der heutigen Postmoderne eine „Verliebtheit in den Plural“ bei gleichzeitiger „Verächtlichmachung des Singulars“. Koch zitierte den französischen Mathematiker und Philosophen Blaise Pascal, der einst geschrieben hatte: „Vielheit, die nicht von Einheit abhängt, ist Anarchie; Einheit, die nicht von Vielheit abhängt, ist Diktatur.“ Diesen Weg zwischen Anarchie und Diktatur gelte es auch in der Ökumene wieder neu finden, so der Kardinal.

Koch weiter: „Ich wünsche mir, dass wir die Schönheit des Glaubens wiederentdecken. Wir haben heute so viele Diskussionen und man hat den Eindruck, die Kirche sei ein Sammelsurium von Problemen und Skandalen. Dabei haben wir den Blick auf das Evangelium, auf die Frohe Botschaft weithin verloren oder verdeckt. Ich wünsche mir, dass wir das wieder neu entdecken, dass uns mit dem Glauben ein kostbares Geschenk gegeben ist, dass wir nicht für uns behalten können, sondern dass wir weitergeben sollen.“

Über sein vorgezogenes Geburtstagsgeschenk, das dreitägige Symposium zum Thema „Einheit und Einzigkeit“, hat er sich übrigens sehr gefreut, sagt er. Im nächsten Jahr, zum 75. Geburtstag, wird Kardinal Koch dann die Festschrift mit allen Vorträgen erhalten.

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