Aus Gewissensgründen die Kirchensteuer verweigern?

CNA Deutsch-Interview mit dem Kirchenrechtler und Theologen Gero Weishaupt

Die Kirchensteuer (Symbolbild).
Die Kirchensteuer (Symbolbild).
Rudolf Gehrig
Gero Weishaupt ist hauptamtlicher Diözesanrichter am Erzbischöflichen Offizialat des Erzbistums Köln.
Gero Weishaupt ist hauptamtlicher Diözesanrichter am Erzbischöflichen Offizialat des Erzbistums Köln.
privat

Das Kirchensteuer-System in Deutschland steht immer wieder in der Kritik. Auch innerhalb der Katholischen Kirche kritisieren manche Gläubige, dass mit der verpflichtenden Abgabe beispielsweise auch Aktionen finanziert würden, die dem katholischen Glauben widersprechen. Bislang ist der Kirchenaustritt die einzige Möglichkeit, die Zahlung der Kirchensteuer zu verweigern. Nach der jetzigen Regelung der deutschen Bischofskonferenz (DBK) erfolgt auf den Austritt jedoch der Ausschluss von den Sakramenten – eine Art "automatische Exkommunikation".

CNA Deutsch sprach mit Gero Weishaupt über diese Regelung. Weishaupt ist hauptamtlicher Diözesanrichter am Erzbischöflichen Offizialat des Erzbistums Köln und Experte für Kirchenrecht. 

Am 18. Januar hat die internationale Gruppierung "Acies Ordinata" in  München gegen den bevorstehenden sogenannten "Synodalen Weg" demonstriert. Bei der anschließenden Pressekonferenz rief ein Redner zum Boykott der Kirchensteuer auf, da sich Katholiken in Deutschland sonst zu "Komplizen der Entkatholisierung des Landes" machen würden. Ist ein Kirchenaustritt die einzige Möglichkeit, sich der Zahlung der Kirchensteuer zu entziehen?

Ja. Das hängt damit zusammen, dass die Katholische Kirche in Deutschland von Seiten des Staates den Status einer "Körperschaft des öffentlichen Rechtes" hat. Dieser Rechtsstatus, den der Staat der Katholischen Kirche in Deutschland zubilligt, bringt für sie einige Privilegien mit sich. Dazu gehört auch das Privileg, aufgrund bürgerlicher Steuerlisten für sich die sogenannte "Kirchensteuer" zu erheben. Der Staat erhebt die Steuern, die der Kirche zugutekomen. Da die Katholische Kirche in Deutschland für den Staat als "Körperschaft des öffentlichen Rechtes" existiert, knüpft der Staat die Mitgliedschaftsrechte nicht an die Taufe, wie die Kirche es tut, sondern an die Mitgliedschaft in der Körperschaft des öffentlichen Rechts "Kirche".

Der Staat sieht die Kirche also wie einen Verein?

Genau. Solange der Katholik nicht aus der Körperschaft des öffentlichen Rechts "Kirche" austritt, ist er zur Zahlung von Kirchensteuern verpflichtet. Nur durch die schriftliche Austrittserklärung aus der staatlichen Körperschaft des öffentlichen Rechtes "Kirche" vor einer zivilen Behörde (Amtsgericht, Standesamt) verliert der Katholik für den Staat den Status, Mitglied dieser Körperschaft "Kirche" zu sein. Als ausgetretenes Mitglied ist er staatlicherseits dann nicht mehr an die Pflicht gebunden, Kirchensteuer zu zahlen. Der Kirchenaustritt ist also keine Figur des kirchlichen Rechts, denn die Kirche kennt keinen Kirchenaustritt: einmal getauft, immer getauft; einmal katholisch, immer katholisch. Er ist vielmehr eine Einrichtung des staatlichen Rechtes.

Der neutrale Staat muss die sogenannte "negative Religionsfreiheit" beachten. Danach steht jedem Katholiken oder Mitglied einer anderen Religionsgemeinschaft, die den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts hat, auch das Recht zu, durch eine Austritterklärung vor der staatlichen Behörde aus der Körperschaft des öffentlichen Rechtes "Kirche" auszutreten. Ab diesem Augenblick ist der Katholik für den Staat nicht mehr kirchensteuerpflichtig.

Bislang lautet die Regelung so: Wenn ein Katholik aus der Kirche austritt, ist er zwar von der Abgabe der Kirchensteuer entbunden, aber auch exkommuniziert. Was bedeutet das in der Praxis?

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Die deutsche Bischofskonferenz knüpft an die Austrittserklärung vor einer zivilen Behörde die Strafe der Exkommunikation, auch wenn das Allgemeine Dekret von September 2012, das die Rechtsfolgen für den "Kirchenaustritt" regelt und festlegt, nicht von Exkommunikation spricht. Die Exkommunikation tritt als Tatstrafe ein. Das heißt: Unter Berücksichtigung der Vorgaben für den "formalen Akt" in der Katholischen Kirche, also einem von Willen und Verstand getragenen und von Motiven geleiteten Rechtsakt, den die kirchliche Behörde (Ordinarius, Pfarrer) zu überprüfen hat, zieht sich der "Ausgetretene" nach dem Gespräch mit dem Ordinarius oder Pfarrer und das Festhalten des "Ausgetretenen" an seiner Entscheidung, die Körperschaft des öffentlichen Rechtes "Kirche" zu verlassen, von selbst die Exkommunikation zu. Als Folge des Eintritts der Tatstrafe der Exkommunikation muss der Exkommunizierte die im Dekret genannten Strafen auf sich selber anwenden, ohne dass der Bischof oder eine bischöfliche Behörde (Ordinariat/Generalvikariat oder Offizialat) durch Dekret oder Urteil tätig werden müssen.

Wie kann das überprüft werden?

Niemand kann das überprüfen. Der Exkommunizierte ist gleichsam sein eigener Richter. Im Gewissen darf er die Rechte eines Katholiken nicht mehr wahrnehmen. Er darf keine Sakramente und Sakramentalien empfangen, er hat kein Recht auf ein Begräbnis, er darf keine kirchlichen Ämter und Funktionen übernehmen. Zum Beispiel ist es ihm in Gewissen nicht erlaubt, als Messdiener oder Lektor liturgische Dienste auszuüben, Mitglied eines pfarrlichen oder diözesanen Rates zu sein oder das Tauf- und Firmpatenamt zu übernehmen.

Ist dann beispielsweise der Ortspfarrer verpflichtet, dem Exkommunizierten die Sakramente zu verweigern?

Es ist wichtig zu wissen, dass der Eintritt der Exkommunikation als Tatstrafe dem Pfarrer oder sonst jemandem in der kirchlichen Gemeinschaft nicht das Recht gibt, die angedrohten Strafen anzuwenden. Darum ist es dem Pfarrer verboten, dem Exkommunizierten die Kommunion oder andere Sakramenten zu verweigern, solange der Eintritt der Exkommunikation nicht durch ein bischöfliches Dekret oder Urteil auch für den äußeren Rechtsbereich, also nicht nur im Gewissensbereich des Exkommunizierten, festgestellt worden ist. Es ist also unbedingt notwendig, dass die von selbst eingetretene Exkommunikation durch ein Strafdekret des Ordinarius der Diözese (Bischof, Generalvikar, Bischofsvikar) oder durch Urteilsspruch eines diözesanen Richters festgestellt worden ist. Denn erst danach tritt die Exkommunikation auch in der kirchlichen Gemeinschaft in Erscheinung.

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Durch die Feststellung der eingetretenen Exkommunikation seitens einer bischöflichen Behörde (Generalvikariat/Ordinariat oder Offizialat) wird die Exkommunikation erst öffentlich. War der Exkommunizierte vorher nur in seinem eigenen Gewissen daran gehalten, sich vom Sakramenten- und Sakramentalienempfang fernzuhalten und keine Ämter und Funktionen zu übernehmen, so muss nach der amtlichen Feststellung einer eingetretenen Exkommunikation durch die bischöfliche Behörde die kirchliche Gemeinschaft nun auch mit Rechtsentzügen tatsächlich reagieren. Darum handelt ein Pfarrer, der einem Pfarrangehörigen, von dem er weiß, dass er "ausgetreten" ist, mit dem er nach der Austrittserklärung ein pastorales Gespräch geführt und dessen Austritt er nach dessen Festhalten an der Austrittserklärung bei der zivilen Behörde in das Taufbuch eingetragen hat, unrechtmäßig, wenn er dem "Ausgetretenen" die heilige Kommunion verweigert, weil die Exkommunikation noch nicht durch Einzeldekret oder Urteil hoheitlich seitens des Bischofs beziehungsweise einer seiner Behörden festgestellt worden ist.

Wie belegen Sie das?

In can. 915 heißt es zum Beispiel ausdrücklich: "Zur heiligen Kommunion dürfen nicht zugelassen werden Exkommunizierte … nach ... Feststellung der Strafe"! Diese Feststellung erfolgt nicht durch den Eintrag in das Taufbuch, auch kann sie nicht mündlich mitgeteilt werden, sondern sie muss – soll sie Rechtswirkung im äußeren Rechtsbereich der Kirche haben - schriftlich durch eine bischöfliche Behörde (also nicht durch den Pfarrer) mittels eines einzelnen Feststellungsdekretes der bischöflichen Verwaltung (can. 51 i. V. m. can. 37) oder durch Gerichtsurteil erfolgen.

Sie schreiben in einem Beitrag: "Die DBK wertet bereits die Austrittserklärung vor einer zivilen Behörde als Eintritt der Tatstrafe, wenngleich sie dies mit keinem Wort in ihrem Allgemeinen Dekret erwähnt". Das würde bedeuten, dass sich ein Katholik mit der Erklärung zum Kirchenaustritt automatisch selbst exkommuniziert. Warum wird das im Dekret so nicht explizit erwähnt? 

Das kann ich nicht sagen. Es wäre nur Spekulation. Jedenfalls zeugt es nicht von Transparenz, was man doch von einem Allgemeinen Dekret, das weitreichende, in die Rechtsstellung eines Katholiken eingreifende Rechtsentzüge (Strafen) androht, erwarten sollte. Man darf ja nicht übersehen: Die Tatstrafe hat für den Betroffenen bereits Rechtsfolgen. Im Gewissen ist er daran gehalten, die im Allgemeinen Dekret aufgeführten Strafen auf sich anzuwenden. Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass das zum Beispiel bedeutet, dass der "Ausgetretene" keine Sakramente empfangen darf – außer im Sterbefall freilich. Eine Tatstrafe ist – auch das ist schon gesagt – eine mit Begehung der Straftat von selbst automatisch eingetretene Strafe. In Übereinstimmung mit den Vorgaben des Apostolischen Stuhls (hier des Päpstlichen Rates für die Gesetzestexte für den formalen Akt vom März 2006) tritt die Exkommunikation als Tatstrafe allerdings erst dann ein, wenn derjenige, der seinen Austritt aus der Körperschaft des öffentlichen Rechtes "Kirche" erklärt hat, auch in dem von Rom und dem Allgemeinen Dekret der DBK vorgeschriebenen klärenden Gespräch mit dem Pfarrer oder einer anderen kirchlichen Amtsperson nicht Abstand nehmen und damit seine Austrittserklärung nicht rückgängig machen will.

Welche Bedeutung hat dieses Gespräch?

Ohne dieses vorgeschriebene und für den Eintritt der Tatstrafe obligatorische (conditio sine qua non) Gespräch bei einer kirchlichen Behörde tritt die Tatstrafe nicht ein. Für den Apostolischen Stuhl ist die Prüfung der inneren Haltung, der Motive für die Austrittserklärung Voraussetzung für den Eintritt der Tatstrafe. Darum hat die DBK bei der Korrektur ihres Allgemeinen Dekretes dieses klärende Gespräch berücksichtigt. Der Eintritt der Tatstrafe der Exkommunikation verpflichtet, wie gesagt, den "Ausgetreten" in seinem Gewissen dazu, die angedrohten Strafen auf sich anzuwenden und sich entsprechend zu verhalten. Das berechtigt aber noch nicht den Pfarrer oder eine andere Amtsperson, die Strafen des Allgemeinen Dekretes im äußeren Rechtsbereich anzuwenden.

Es ist hier strikt zwischen Gewissenbereich und dem äußeren Rechtsbereich zu unterscheiden. Eine Anwendung der Strafen im äußeren Rechtsbereich wäre ohne amtliche Feststellung des Eintritts der Exkommunikation als Tatstrafe unrechtmäßig. Auch darauf habe ich schon hingewiesen. Denn dazu bedarf es eines Einzeldekretes oder Urteils einer bischöflichen Behörde, durch das der Eintritt auch für den äußeren Rechtsbereich festgestellt wird.

Salopp gefragt: Was muss ich verbrochen haben, um unter die "Tatstrafe der Exkommunikation" zu fallen?

Die Tatstrafe der Exkommunikation droht die Kirche für sehr schwere Straftaten gegen an: gegen die Religion und Einheit der Kirche (can. 1364 § 1: Apostasie, Häresie und Schisma und can. 1367, Schändung und sakrilegischem Gebrauch der eucharistischen Gestalten);  gegen die kirchliche Autoritäten (can. 1370 § 1: physische Gewalt gegen den Papst); Amtspflichtverletzungen (can. 1378 § 1 i. V. m. can. 977: die Absolution eines Mitschuldigen an einer Sünde gegen das sechste Gebot,  can. 1382: Bischofsweihe ohne päpstliches Mandat, can. 1388 § 1: Verletzung des Beichtgeheimnisses) und gegen das Leben (can. 1398: Abtreibung).

Im Dekret heißt es: "Wenn aus der Reaktion des Gläubigen, der den Kirchenaustritt erklärt hat, auf einen schismatischen, häretischen oder apostatischen Akt zu schließen ist, wird der Ordinarius dafür sorgen, die entsprechenden Maßnahmen zu ergreifen. Das Pastorale Schreiben an die aus der Kirche ausgetretene Person unmittelbar nach Kenntnisnahme des Kirchenaustritts und das Gespräch haben keine aufschiebende Wirkung" (AD, II, 6). Fällt die Weigerung, die Kirchensteuer zu zahlen, in diese Kategorien "schismatisch, häretisch oder apostatisch"?

Ja. Das formulieren die Bischöfe entsprechend in ihrem Allgemeinen Dekret. Da heißt es: "Wer vor der zuständigen zivilen Behörde aus welchen Gründen auch immer seinen Kirchenaustritt erklärt, verstößt damit gegen die Pflicht, die Gemeinschaft mit der Kirche zu wahren (c. 209 § 1 CIC), und gegen die Pflicht, seinen finanziellen Beitrag dazu zu leisten, dass die Kirche ihre Aufgaben erfüllen kann (c. 222 § 1 CIC i. V. m. c. 1263 CIC)". Daraus wird ersichtlich, dass die DBK die Kirchenaustrittserklärung zumindest als einen schismatischen Akt wertet, denn der "Ausgetretene" verstößt "gegen die Pflicht, die Gemeinschaft mit der Kirche zu wahren". Ein Schisma wird im Gesetzbuch der Katholischen Kirche (CIC/1983) als "Verweigerung der Unterordnung unter den Papst oder der Gemeinschaft mit den diesem untergebenen Gliedern der Kirche" (can. 751) definiert. Ob häretische und/oder apostatische Motive eine Rolle gespielt haben, wäre im Gespräch mit dem "Ausgetretenen" auch zu prüfen.

Was für eine Rolle spielt das sogenannten "Pastoralen Schreiben"?

Das "Pastorale Schreiben", das kein Rechtstext ist, also auch kein Dekret, wie zuweilen irrtümlich behauptet wird, hat zum Ziel, den "Ausgetretenen" zu einem klärenden Gespräch einzuladen. Dieses Gespräch verfolgt zwei Ziele: 1. dem "Ausgetretenen" die Möglichkeit zu geben, die Motive für seine Austrittserklärung vor der zivilen Behörde (schismatische, häretische oder apostatische Gründe sind konstitutiv für den Eintritt der Tatstrafe der Exkommunikation) vor dem Pfarrer oder Ordinarius vorzutragen; 2. die Wiedereingliederung in die kirchliche Gemeinschaft anzusprechen, falls die Tatstrafe nach Kundgabe schismatischer, häretischer oder apostatischer Motive für den Gewissensbereich tatsächlich eingetreten oder nach deren Feststellung durch bischöfliches Dekret oder Urteil auch im äußeren Rechtsbereich öffentlich geworden ist.

Sie behaupten, dass diese Praxis "rechtswidrig und anfechtbar" ist. Warum?

Bevor ich meinen Artikel bei Kathnews geschrieben habe, hatte ich mich bei einzelnen Pfarrern und Bistümern informiert. Danach wird nach dem pastoralen Gespräch – wenn es denn überhaupt stattfindet, sonst sogar schon vorher -, ein Eintrag in das Taufbuch vorgenommen. Wenn das von römischer Seite im Hinblick auf die Prüfung der Motive klärende Gespräch, das als konstitutive Voraussetzung für einen formalen Rechtsakt notwendig erfolgen muss und auch in der korrigierten, nun gültigen Version des Allgemeinen Dekretes vorgesehen wird, nicht stattfindet, tritt auch die Exkommunikation als Tatstrafe nicht ein. Findet aber das Gespräch statt und bleibt der §Ausgetretene§ bei seiner Entscheidung, dann tritt die Exkommunikation als Tatstrafe ein, allerdings, ich wiederhole mich, nur für den Gewissensbereich des "Ausgetretenen". Was das bedeutet, habe ich bereits erklärt.

Will der Bischof, dass die Rechtsfolgen der Exkommunikation, wie sie im Allgemeinen Dekret angedroht werden, danach auch im äußeren Rechtsbereich durch Rechtsentzüge (Verweigerung der Sakramente und Sakramentalien, Nichtzulassung zu kirchlichen Ämtern und Funktionen und so fort) zur Anwendung kommen, muss er durch Einzeldekret oder Urteil den Eintritt der Exkommunikation als Tatstrafe amtlich feststellen (can. 1342 § 1). Dafür ist ein Verwaltungs- und Gerichtsverfahren im Gesetzbuch vorgesehen (can. 1720 und cann. 1721 – 1728). Durch diese bischöfliche Feststellung wird die Exkommunikation in der Kirche erst öffentlich. Erst unter diesen rechtlichen Voraussetzungen ist ein Amtsträger, zum Beispiel ein Pfarrer, berechtigt, die Straffolgen anzuwenden, sonst nicht.

Erfolgt der Rechtsentzug durch den Pfarrer oder sonst einer Amtsperson noch vor dem Erlass eines bischöfliche Dekretes oder Urteils, das den Eintritt der Tatstrafe der Exkommunikation für den äußeren Rechtbereich der Kirche festgestellt hat, dann ist der Rechtsentzug zum Beispiel durch Verweigerung der Sakramente rechtswidrig. Diese rechtswidrige Verhalten ist anfechtbar, denn der "Ausgetretene" kann gegen die Anwendung der Strafen seitens des Pfarrer (oder anderen Amtsperson) durch Rechtsentzüge beim kirchlichen Oberen Beschwerde einlegen. Auch gegen ein Dekret oder ein Urteil, das die Exkommunikation als Tatstrafe festgestellt hat, steht dem "Ausgetretenen" die Beschwerde beziehungsweise Berufung offen.

Ist eine Regelung denkbar, wonach ein Katholik die Zahlung der Kirchensteuer aus Gewissensgründen einstellen kann, ohne den Kirchenaustritt erklären zu müssen? 

In Deutschland ist eine solche Regelung nach der gegenwärtigen Rechtslage nicht denkbar. Die DBK hält nach wie vor an der Gleichstellung der Katholischen Kirche mit der staatlichen Rechtsfigur der Körperschaft des öffentlichen Rechtes "Kirche" fest, obwohl dies theologisch und kirchenrechtlich umstritten ist. Durch diese "Realidentität" von Katholischer Kirche mit der staatlichen Rechtsfigur der Körperschaft des öffentlichen Rechts "Kirche" sehe ich für Deutschland keine andere Lösung, wie sie in anderen Ländern möglich ist.

Es gibt ja Vorschläge, dass die Gläubigen stattdessen freiwillig für kirchliche Projekte spenden.

Anstelle der Kirchensteuer freiwillige Beiträge für kirchliche Zwecke zu nutzen, ohne dass man aus der Kirche austritt, ist gegenwärtig in Deutschland ausgeschlossen. Wer in Deutschland keine Kirchensteuer mehr zahlen will, erreicht dies nur durch den Austritt aus der Körperschaft des öffentlichen Rechtes "Kirche" mittels einer schriftlichen Erklärung vor einer staatlichen Behörde. Dieser Akt wird von der DBK als schismatisch gewertet, zeitigt aber erst – dank der nachträglichen Korrektur des Allgemeinen Dekretes infolge der authentischen Interpretation eines formalen Aktes durch den Päpstlichen Rat für die Gesetzestexte - nach einem klärenden Gespräch vor einer kirchlichen Behörde die im Allgemeinen Dekret angedrohten Strafen.

Die jetzige Regelung bleibt also fest zementiert?

Den einzigen Spielraum sehe ich in der Unterscheidung zwischen Eintritt der Tatstrafe der Exkommunikation und dessen Feststellung durch bischöfliches Dekret oder Urteil. Der Eintritt der Tatstrafe bindet den "Ausgetretenen" im Gewissen an die Strafen; er muss die Rechtsentzüge auf sich selber anwenden, ohne dass eine bischöfliche Behörde die Strafe verhängt oder festgestellt hat. Erst mit der amtlichen Feststellung der Tatstrafe durch bischöfliches Dekret oder Urteil muss auch die kirchliche Gemeinschaft die Strafen gegenüber dem "Ausgetretenen" anwenden. Dann darf zum Beispiel der Pfarrer dem "Ausgetretenen" die heilige Kommunion und andere Sakramente, Sakramentalien und das Begräbnis verweigern.

Erzbischof Gänswein hat einmal gesagt: "Wenn die Glaubenskraft der Katholischen Kirche in Deutschland so groß wäre wie ihre Finanzkraft, wäre alles in Ordnung." Fürchten Sie als Priester bei der gegenwärtigen Regelung um die Glaubwürdigkeit der Kirche?

Grundsätzlich gilt: Es ist durchaus legitim und auch notwendig, dass die Kirche von den Katholiken finanzielle Unterstützung für ihre Sendung fordert und dies von den Gläubigen erwartet, zumal alle Christgläubigen an der Sendung der Kirche teilhaben. Darum muss es für jeden in der Kirche ein Anliegen sein, an der Verwirklichung der Sendung auch durch finanzielle Beiträge mitzuwirken. Die Kirchensteuer wird vom Kirchenrecht keineswegs ausgeschlossen (vgl. can. 1263, der ausdrücklich in einer Klausel auf partikulare Gesetze und Gewohnheiten hinweist und damit, wie die Redaktionsgeschichte dieses Canon zeigt, das deutsche Kirchensteuersystem berücksichtigt [sog. "clausula Teutonica" = deutsche Klausel]).

Fragwürdig ist allerdings die strikte Verbindung von Kirchensteuerabgabe und der Einheit mit der Katholischen Kirche, so dass derjenige, der die Kirchensteuer nicht mehr zahlen möchte, obwohl er weiterhin der Kirche angehören, ihr treu bleiben und ihr in ihrer Sendung auch finanziell weiterhin helfen möchte, trotzdem gemäß dem Allgemeinen Dekret der DBK als Schismatiker angesehen wird und sich, wenn er den Austritt aus dem staatlichen Konstrukt der Körperschaft des öffentlichen Rechts "Kirche" nicht rückgängig macht, automatisch die Tatstrafe der Exkommunikation zuzieht. Diese Härte des Allgemeinen Dekretes, das heißt der DBK als Gesetzgeber, kann ich nur damit erklären, dass die DBK die Vorteile der Kirchenfinanzierung durch Kirchensteuer sicherstellen will und darum durch die Androhung von sehr schweren Strafen die Katholiken in Deutschland abschrecken will, um eine massiven Austrittswelle zu vermeiden.

Der Heilige Vater hat davor gewarnt, sich von "kommerziellen Interessen" leiten zu lassen.

Papst Franziskus sagte kürzlich bei seiner jährlichen Ansprache an die Römische Rota -  freilich in einem anderen Zusammenhang, aber in der Allgemeinheit, mit der der Papst es formuliert hat, ohne Weiteres auch anwendbar auf die Kirchensteuer und die im Allgemeinen Dekret der DBK angedrohten Rechtsfolgen:

"Oftmals spüre ich Furcht angesichts des göttlichen Gerichts, was diese zwei Fragen betrifft: Bin ich in meinem Urteilen dem Herzen der Menschen nahe gewesen? Und habe ich im Urteilen mein Herz für die Großzügigkeit geöffnet, statt mich von kommerziellen Interessen anstecken zu lassen? Das Gericht Gottes wird darüber sehr stark sein!"

Wäre es nicht an der Zeit, dass die deutschen Bischöfe über ein anderes Kirchenfinanzierungsmodell nachdenken, das nicht mehr von volkskirchlichen Voraussetzungen ausgeht, sondern jedem Gläubigen zwar nicht die Freiheit ermöglicht, ob er sein Geld der Kirche zu Verfügung steht, denn dazu ist er moralisch wie kirchenrechtlich verpflichtet, aber die Freiheit überläßt, selber zu entscheiden, wo und wie sein Geld für den mit der Sendung der Kirche verbundenen Verkündigungs-, Heiligungs- und Leitungsdienst sowie den Bereich der Caritas Verwendung findet?

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