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"Zuerst den Katechismus ändern zu wollen, bedeutet das Pferd von hinten aufzuzäumen"

Petrus mit dem Schlüssel
Professor Stephan Kampowski
Papst St. Johannes Paul II. auf dem Petersplatz: Die Aufnahme entstand um das Jahr 1978.
Blick auf den Petersdom über den Tiber am Abend des 26. September 2019

"Der Katechismus sollte nicht zu einem Instrument gemacht werden, das die theologische Diskussion verkürzt und der lehramtlichen Entscheidung vorgreift": Das sagt Stephan Kampowski, Professor für philosophische Anthropologie am Päpstlichen Theologischen Institut Johannes Paul II. für Ehe- und Familienwissenschaften in Rom. Der deutsche Wissenschaftler ist seit 2012 auch Gastprofessor an der Philosophischen Fakultät der Päpstlichen Universität des hl. Thomas (Angelicum). Im Interview mit CNA Deutsch erklärt er angesichts jüngster Forderungen nach einer Änderung des Katechismus, wie und wo diese sinnvoll – oder überhaupt möglich – ist. 

Herr Professor Kampowski, im Jahr 1992 wurde der Katechismus der Katholischen Kirche approbiert, vom heiligen Papst Johannes Paul II., der dazu schrieb, dieser Katechismus werde "einen sehr wichtigen Beitrag zum Werk der Erneuerung des gesamten kirchlichen Lebens leisten, wie es vom Zweiten Vatikanischen Konzil gewollt und eingeleitet wurde". Wo ist dies nach Ihrer Einschätzung gelungen, und wo weniger? 

Der Katechismus der Katholischen Kirche ist ein Meilenstein für die Glaubensverkündigung. Mit seiner Approbation hat der heilige Johannes Paul II. der Kirche einen unglaublichen Dienst geleistet. Wer wissen möchte, was die Kirche glaubt, kann dies nun leicht herausfinden. Die Verfasser haben nicht etwa versucht, ihr eigenen Meinungen darzulegen und diese dann für die ganze Kirche als normativ hinzustellen. Vielmehr haben sie ein herausragendes Werk des Zusammenstellens von Quellen geleistet und aus dem Reichtum der Schrift, der Kirchenväter aus Ost und West, der Konzile und der Kirchenlehrer geschöpft und sich selbst dabei ganz hintangestellt. Der Katechismus ist auch Ausdruck der kirchlichen Option für die Armen und Schwachen, indem er gerade auch den einfachen Gläubigen Zugang gibt zu den Grundlagen des christlichen Glaubens und sie befähigt, bei der Verkündigung, die sie von Amtsträgern erhalten, zwischen theologischer Spekulation und Glaubensfundament zu unterscheiden. 

In vielen Ländern hat der Katechismus die Katechese erneuert. Zuvor gab es im katechetischen Unterricht oft Form ohne Inhalt. Man spezialisierte sich sozusagen auf das Wie des Vermittelns ohne dem Was große Bedeutung zuzuschreiben. Überspitzt gesagt: manchmal schien es z.B. im Erstkommunionunterricht wichtiger, dass die Kinder ein Bild ausmalen, als was für ein Bild sie da ausmalen. Aber ein Vermitteln ohne Inhalt ist nicht ansprechend. Die Kinder und Jugendlichen nehmen ihren Unterricht dann eher als Beschäftigungstherapie wahr und nicht als angemessene Vorbereitung auf eine besondere Begegnung mit Christus im Sakrament. Der Katechismus hat vielerorts dabei geholfen wiederzuentdecken, dass die Katechese überhaupt einen Inhalt hat und natürlich auch was dieser Inhalt ist. 

Der Katechismus hat nicht nur die Position der Gläubigen in Bezug zu hauptamtlichen kirchlichen Mitarbeitern gestärkt und den katechetischen Dienst erneuert, er hat auch der Ökumene und dem interreligiösen Dialog sowie dem Dialog mit Nichtgläubigen einen neuen Impuls gegeben. Protestanten oder Orthodoxe, aber auch Anders- oder Nichtgläubige haben es nun viel leichter zwischen einer Theologenmeinung oder einer ganz speziellen Art der Frömmigkeit auf der einen Seite und dem Kern des katholischen Glaubens auf der anderen zu unterscheiden. Der Katechismus ist ein Dienst an der Verkündigung. Theologie und Verkündigung sind nicht dasselbe. Theologie ist der Glaube, der versucht zu verstehen. Sie ist das Bemühen um die systematische Durchdringung des Glaubens und so gibt es in ihr wesensmäßig, innerhalb eines gegebenen Rahmens, Raum für legitime Spekulationen und Hypothesen. Sie braucht aber einen Ausgangspunkt und das ist eben jener Glaube. Das depositum fidei, das in der Verkündigung dargelegte Glaubensgut, ist das sichere Fundament des theologischen Tuns. Gerade für den Dialog ist es ungemein hilfreich, dem Dialogpartner Zugang zu diesen Fundamenten zu geben und diese von Spekulationen und Hypothesen, so legitim sie auch sein mögen, sauber zu unterscheiden. 

In einigen Ländern, wie etwa in Deutschland, wurde der Katechismus eher kritisch aufgenommen. Man bemängelte, er sei bei seinem Gebrauch der Heiligen Schrift nicht auf dem aktuellen Stand der exegetischen Wissenschaft; er sei nicht hinreichend ökumenisch und würde den unterschiedlichen kulturellen Gegebenheiten nicht genug Tribut zollen. Dementsprechend wurde sein Reichtum nicht überall erschlossen. Mancherorts hat man es vorgezogen, Verkündigung durch einen religionswissenschaftlichen Ansatz zu ersetzen. Letzterer verzichtet darauf, eine Entscheidung zu treffen und versucht, auf verschiedene Religionen, und eben auch auf das Christentum, von einem wissenschaftlich neutralen Standpunkt zu schauen. Religionswissenschaft vergleicht Religionen miteinander und spricht stets vom Glauben der anderen, ohne je den eigenen kundzugeben; sie behandelt Argumente für und wider, ohne sich je festzulegen. Ihr Ausgangspunkt ist der Mensch mit seinen Gottesbildern. Einige Stunden Religionswissenschaft sind aber keine angemessene Vorbereitung auf die Taufe, die Erstkommunion oder Firmung im unverbogenen Sinn der Begriffe. Christus, dem man in diesen Sakramenten begegnet, ist eben keine Hypothese, sondern eine Person. Als Hypothese ist er auch uninteressant, so dass es kein Wunder ist, wenn mancherorts das Verlangen nach dem Empfang der Sakramente abnimmt und die Kirchen leer sind. Aber es scheint, als nehme man das bewusst in Kauf, um ein "aufgeklärtes" Christentum zu haben, das nicht mit Gott anfängt, und somit auch nicht mit dem Glauben und der Verkündigung, sondern mit dem Menschen. Aber damit beraubt man das Christentum seines spezifischen Inhalts. 

Der Ansatz des Katechismus ist in der Tat ein anderer. Er setzt beim Glauben an und verkündet ihn, z.B. in Behauptungen wie dieser: "Das Mysterium der Auferstehung Christi ist ein wirkliches Geschehen, das sich nach dem Zeugnis des Neuen Testamentes geschichtlich feststellbar manifestiert hat" (KKK 639). Dies ist natürlich nicht religionswissenschaftlich gesprochen und wird daher mancherorts als unwissenschaftlich und naiv angesehen. Es handelt sich hierbei allerdings um das Zentrum des christlichen Glaubens: es geht um Gott, um das Christusereignis – die Menschwerdung, das Wirken, das Leiden, den Tod und die Auferstehung Jesu – und es geht sodann auch darum, wie Gott den Menschen sieht und nicht, religionswissenschaftlich gesprochen, darum, wie der Mensch Gott sieht. 

Nun wissen wir: Der Katechismus leistet die "Darlegung des Glaubens der Kirche und der katholischen Lehre, wie sie von der Heiligen Schrift, der apostolischen Überlieferung und vom Lehramt der Kirche bezeugt oder erleuchtet wird", wie Papst Johannes Paul II. dazu in Fidei depositum geschrieben hat. Welche Rolle spielt diese Darlegung im Leben eines katholischen Christen heute, oder genauer gesagt: Welche sollte sie spielen? 

Der Katechismus der Katholischen Kirche hat vier Säulen: das Glaubensbekenntnis, die Liturgie mit ihren Sakramenten, das sittliche Leben und das Gebet. Diese Einteilung hat er übrigens vom nach dem Tridentinischen Konzil verfassten "römischen Katechismus" (Catechismus Romanus) übernommen. Sie scheint von der Sache her gegeben und in sich stimmig. Das Glaubensbekenntnis handelt von dem, was Gott uns von sich offenbart hat. Die Fülle der Offenbarung ist im Christusereignis gegeben. Dieses Ereignis wird uns heute durch die Sakramente und die Liturgie vermittelt. Es hat konkrete Auswirkungen auf unser Leben. Das Handeln der Christen ist nun Antwort auf das überreiche Geschenk der Gnade, das sie vom Herrn erhalten haben, und die Zehn Gebote sind dabei ein Licht auf dem Weg. Das Gebet, das den Vater lobt und ums tägliche Brot bittet, ist Bekenntnis unserer beständigen Abhängigkeit von Gott und Ausdruck unseres kindlichen Vertrauens. Das bewahrende Erinnern und Bekennen des Glaubensguts, bei dem es im Wesentlichen um die geschichtlichen Heilstaten Gottes geht, die Liturgie im Allgemeinen und speziell mit ihren Sakramenten, die Zehn Gebote und das Leben in der Gnade, sowie das Gebet: all diese strukturieren das ganze christliche Leben. Eine systematische Darlegung dieser vier Säulen ist ein wahres Geschenk, das es gilt mit Dankbarkeit anzunehmen. 

Ändert sich die Rolle und Aufgabe des Katechismus, etwa angesichts Beschlüsse einer Synode oder einer "synodaleren Kirche"? 

Ein wachsendes Bewusstsein für die Kollegialität der Bischöfe auf der ganzen Welt und für die Tatsache, dass sie alle "gemeinsam auf dem Weg" sind (Synode = "gemeinsamer Weg") spricht gänzlich für den bleibenden und wachsenden Wert des Katechismus. Er ist selbst Resultat der 1985 abgehaltenen außerordentlichen Bischofssynode anlässlich der 20 Jahre, die damals seit Abschluss des Zweiten Vatikanums vergangen waren. Die versammelten Bischöfe wünschten sich einen Katechismus, um das Werk des Konzils fortzuführen. Im Laufe seiner Abfassung, die gut sechs Jahre brauchte, wurden dann die Bischöfe aus aller Welt einbezogen. Wie Joseph Ratzinger in seinem mit Christoph Schönborn verfassten Büchlein "Kleine Hinführung zum Katechismus der katholischen Kirche" darlegt, wurde den Bischöfen im Jahr 1989 der erste Entwurf mit der Bitte um Kommentar zugeschickt. Mehr als tausend von ihnen antworteten und ihre insgesamt mehr als 24.000 Verbesserungsvorschläge wurden sodann eingearbeitet. Der Katechismus ist somit ein außerordentlicher Ausdruck bischöflicher Kollegialität. Auch war er von Anfang an gedacht als Grundlage für örtliche Katechismen und Kompendien, die dann besser auf die gegebenen kulturellen Bedingungen eingehen können. 

Neben der Frage nach der Rolle des Katechismus im Leben der Kirche heute stellt sich auch die Frage, wie "zeitgemäß" dieser ist oder sein muss – und wie er gegebenenfalls zu ändern ist. Wie geht so etwas vonstatten? Papst Franziskus hat dies ja bereits getan.

Nach dem Zeugnis Joseph Ratzingers, der damals als Präfekt der Glaubenskongregation intensiv in die Redaktion des Katechismus einbezogen war, hatten die Verfasser von Anfang an zwei grundsätzliche Entscheidungen getroffen um zu vermeiden, dass der Katechismus kurz nach seiner Veröffentlichung gleich wieder "unzeitgemäß" wird. Erstens hatten Sie bewusst vermieden, auf die neuesten theologischen und exegetischen Hypothesen einzugehen, einschließlich ihrer eigenen. Diese wären ja in kürzester Zeit schon wieder alt und überholt gewesen. Vielmehr haben sie aus den bleibenden Quellen zitiert und sich auf diese gestützt: die Heilige Schrift, die Kirchenväter, die Kirchenlehrer, die Konzile. Zweitens hatten sie sich gefragt, ob sie wohl "induktiv" mit einer Analyse der Gegenwart anfangen sollten, auf die der Glaube dann zu beziehen sei, oder ob sie umgekehrt, "deduktiv" vom Glauben ausgehen sollten, diesen darlegen sollten, um es dann den Menschen an den verschiedenen Orten und zu den verschiedenen Zeiten zu überlassen, daraus für sich die entsprechenden Schlüsse zu ziehen. Sie hatten sich für letztere Methode entschieden. Was im Katechismus dargelegt wird ist also das depositum fidei, das, was als das über die Zeiten und Länder hinweg gesicherte Glaubensgut gilt. In seinem Inhalt findet man weder kurzlebige theologische Hypothesen noch stets an die neuesten Umstände anzupassende soziologische Analysen. 

Nun kann es jedoch trotzdem vorkommen, dass es der kirchlichen Autorität angemessen erscheint, Stellen im Katechismus neu zu formulieren. Um dieses Thema richtig einzuordnen mag es hilfreich sein, kurz auf seine Redaktionsgeschichte einzugehen, wobei deutlich wird, dass er in seiner heutigen Fassung ja schon eine revidierte Ausgabe ist. Er wurde zunächst auf Französisch verfasst und von dieser Sprache in andere übersetzt. Im Jahre 1997 erschien dann die sogenannte Editio typica auf Lateinisch, die fortan maßgeblich für alle Übersetzungen des Werkes in andere Sprachen wurde. Es war von Anfang an vorgesehen, die Erstellung der Editio typica zum Anlass zu nehmen, Verfeinerungen vorzunehmen, die Quellenangaben zu kontrollieren und gegebenenfalls zu korrigieren und eventuell ungenaue Formulierungen zu verbessern. 

Die meisten in der mit der Herausgabe der Editio typica vorgenommenen Veränderungen waren dann auch eher formaler oder stilistischer Natur. Eine verdient allerdings besondere Beachtung. Es handelt sich um den Absatz 2267 über die Todesstrafe. In der ursprünglichen Ausgabe von 1992 war dieser recht kurzgefasst. Er ermahnte die staatliche Autorität, sich bei der Gewährleistung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit an unblutige Mittel zu halten, so diese ausreichen. Im Jahr 1995 erschien dann die Enzyklika Evangelium vitae, in der Papst Johannes Paul II. eine viel kritischere Stellung zur Todesstrafe bezog, als sie im Katechismus zu Ausdruck kam, so dass die Frage aufgeworfen wurde, ob man nicht den Katechismus in diesem Punkt revidieren müsse. Da zu diesem Zeitpunkt die Editio typica noch nicht veröffentlicht war, war dies dann auch ohne großes formales Aufheben möglich. Man nahm dann einfach die Herausgabe der Editio typica zum Anlass, um an diesem Punkt nicht nur einen Feinschliff vorzunehmen, sondern gar eine inhaltlich doch relevante Veränderung einzufügen. Der Abschnitt hatte im Deutschen ursprünglich 47 Wörter und wuchs dann in dieser Sprache auf 142 Wörter. Er präzisierte nicht bloß die ursprüngliche Aussage, sondern nahm letzten Endes auch eine starke Einschränkung vor: "Infolge der Möglichkeiten, über die der Staat verfügt, um das Verbrechen wirksam zu unterdrücken und den Täter unschädlich zu machen, ohne im endgültig die Möglichkeit der Besserung zu nehmen, sind jedoch heute die Fälle, in denen die Beseitigung des Schuldigen absolut notwendig ist, ‚schon sehr selten oder praktisch überhaupt nicht mehr gegeben‘ (Evangelium vitae, 56)". Wie ist diese Veränderung in den Katechismus eingeflossen? Es gab hier zunächst eine theologische Diskussion und sodann eine lehramtliche Entscheidung durch die Enzyklika. Danach wurde das Resultat in den Katechismus eingefügt. 

In seiner Ansprache zum 25. Jahrestag der Veröffentlichung des Katechismus der Katholischen Kirche vom 11. Oktober 2017 ging Franziskus dann noch einen Schritt weiter in die von Johannes Paul II. eingeschlagene Richtung und führte aus, dass man, unter Bezugnahme auf "die lehramtliche Entwicklung unter den letzten Päpsten" und "das veränderte Bewusstsein im Volke Gottes" das Thema der Todesstrafe noch angemessener behandeln müsse. Es gelte "zu betonen, dass, egal wie schwer das begangene Verbrechen auch war, die Todesstrafe unzulässig ist, weil sie gegen die Unantastbarkeit und Würde der Person verstößt". Der Absatz 2267 des Katechismus wurde dann 2018 in diesem Sinne umgeschrieben und erfuhr somit seine zweite bedeutsame Revision. Laut Papst Franziskus handelt es sich hier nicht um einen Widerspruch zu früheren Lehraussagen, sondern um eine harmonische Entwicklung der kirchlichen Lehre aufgrund eines gewachsenen Bewusstseins für die Würde der menschlichen Person. Man kann in der von Papst Franziskus veranlassten Neufassung der Nr. 2267 die logische Konsequenz des schon von Johannes Paul II. ausgedrückten Anliegens sehen. 

(Die Geschichte geht unten weiter)

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Grundsätzlich ist bei der Frage nach möglichen Veränderungen am Katechismus zu bedenken, dass die Autorität der Aussagen im Katechismus so groß ist, wie die Autorität der Quellen, aus denen er zitiert. Der Katechismus ist kein lehramtliches Schreiben, dem es darum geht, in einer den Glauben oder die Sitten betreffenden Frage eine Entscheidung zu treffen. Er legt vielmehr die Dinge dar, über die nach Ansicht der Verfasser schon eine Entscheidung getroffen wurde. Was der Katechismus darlegt, erhält seine Autorität nicht dadurch, dass er es darlegt. Vielmehr ist es umgekehrt so, dass eine Lehre in den Katechismus einfließt, weil sie mit Autorität gelehrt wird. Dabei ist dann Entwicklung nicht ausgeschlossen, sondern geradezu zu erwarten. Wie Papst Franziskus in erwähnter Ansprache schreibt: "Wer liebt, will die geliebte Person immer besser kennenlernen, um den in ihr verborgenen Reichtum zu entdecken, der täglich neu in Erscheinung tritt." Wie das Geheimnis der Person Jesu unerschöpflich ist, so gibt es denn auch eine ständige, als Entfaltung und Vertiefung verstandene Entwicklung des Verständnisses dessen wer er ist und was er uns sagt. 

Der deutsche Bischof Georg Bätzing von Limburg hat kürzlich ebenfalls angeregt, den Katechismus zum Thema Homosexualität zu ändern. Nun hat der aktuelle Katechismus sechs Jahre intensiver Arbeit einer kompetenten Kommission gebraucht, bis er Anfang der 1990er Jahre vorgelegt und angenommen wurde. Kann eine neue Kommission eine so grundlegende Frage anders fassen, oder brauchen wir dazu ein neues Konzil?

Man muss daran erinnern, dass es die Aufgabe des Katechismus ist, den Glauben darzulegen. Es geht bei ihm um Verkündigung und nicht um Lehrentscheide oder theologische Hypothesen. Es stimmt: selbst was als so fundamentale Wahrheit angesehen werden kann, dass es Teil der Verkündigung wird, kann präzisier formuliert werden oder muss da, wo es der Sache nach um geschichtlich kontingente Wahrheiten geht, in Anbetracht neuer Umstände auch einmal umformuliert werden, wie es bei der Frage nach der Todesstrafe geschehen ist. 

Lehrentwicklung bedeutet, einen Gedanken weiterzudenken, ihn zu vertiefen und ihn in Anbetracht geschichtlicher Umstände verschärft neu zu formulieren. Es mag um die Veränderung einer Wortbedeutung gehen, oder darum, dass sich eine vertiefte Einsicht weit verbreitet hat, oder dass eine alte, ebenfalls wahre Einsicht, vielerorts verlustig gegangen ist und nicht mehr vorausgesetzt werden kann. Dies ist eine Sache. Es ist eine ganz andere Sache, plötzlich das Gegenteil von dem zu sagen, was die Kirche seit der Zeit der Apostel immer gelehrt hat. Bei der Frage, die Sie hier ansprechen, geht es ja nicht einfach darum, nach einer taktvolleren Reformulierung eines Ausdrucks zu suchen, der vielleicht aufgrund jüngster sprachlicher Entwicklungen als unsensibel aufgefasst werden könnte und für den man eine höflichere Entsprechung finden möchte, ohne den Inhalt der Aussage zu berühren. Nein, hier geht es schon um den Kern der Sache. Meines Erachtens ist dieser Kern der Sache von der Autorität des kirchlichen Lehramtes in Anbetracht der heiligen Schrift und der apostolischen Tradition schon hinreichend geklärt worden, so dass nicht einmal ein neues ökumenisches Konzil die Autorität hätte, das Gegenteil von dem zu behaupten, was die Kirche immer gelehrt hat. 

Aber selbst wenn jemand meinte, die Frage sei doch noch nicht entschieden, so ist dennoch klar, dass der Katechismus nicht der Ort sein kann, bei dem man anfängt. Er dient der Verkündigung der Fundamente, die sowohl theologisch als auch lehramtlich als gesichert gelten. Wollte nun jemand in Frage stellen, ob etwas, das vom Katechismus als theologisch und lehramtlich gesicherte Wahrheit verkündet wird, wirklich eine solche ist, so müsste er mit der theologischen Diskussion beginnen, im Schutze des akademischen Seminars, und dann, nach wissenschaftlich-theologischer Sicherung an das Lehramt appellieren, um es darauf aufmerksam zu machen, dass das, was weithin als fundamental angesehen wurde, in Wirklichkeit wohl doch nicht so ist, oder zumindest nicht mehr so ist, da es möglicherweise zu einem höheren Grad von kontingenten, geschichtlichen Umständen abhing als man zunächst annahm oder weil Worte im Laufe der Zeit eine Bedeutungsverschiebung durchgemacht haben, so dass man nun nach neuen Formulierungen suchen sollte. Sodann käme es zu einer Entscheidung des kirchlichen Lehramtes. Ist diese eindeutig und gesichert, kann und muss sie in den Katechismus einfließen, so wie es im Falle der Lehre über die Todesstrafe vonstattenging. 

In Anbetracht dessen, was Theologie, Lehramt und Verkündigung ihrem Wesen nach bedeuten, muss der Weg zu einer eventuellen, die Form einer organischen Entwicklung nehmenden Veränderung dieser sein: theologische Diskussion, lehramtliche Entscheidung, katechetischer Ausdruck. Zuerst den Katechismus ändern zu wollen, bedeutet das Pferd von hinten aufzuzäumen. Der Katechismus sollte nicht zu einem Instrument gemacht werden, das die theologische Diskussion verkürzt und der lehramtlichen Entscheidung vorgreift. Dies ist allgemein gesprochen. Beim gegebenen Thema meine ich, dass es eine eindeutige lehramtliche Entscheidung gibt und dass eine theologische Diskussion dazu fehl am Platz ist. Noch weniger natürlich ist der Katechismus der Ort, das Thema anzugehen. Er dient der Glaubensverkündigung und spricht von den Dingen des Glaubens und christlichen Lebens, die als gesichert gelten, so sicher, dass man dafür zum Beispiel riskieren kann, sich taufen zu lassen, was eventuell bedeuten könnte, mit der eigenen Familie zu brechen, sich der Verfolgung durch ehemalige Glaubensgenossen auszusetzen und vielleicht gar das Leben aufs Spiel zu setzen. Beim Glauben und seiner Verkündigung geht es ums Ganze. Theologische Streitfragen müssen anderswo geklärt werden. 

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