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„Wir haben keine Agenda, die wir durchdrücken wollen“: Papst Franziskus und die Weltsynode

Blick auf den Petersdom in der Abendsonne
Kardinal Mario Grech
Kardinal Jean-Claude Hollerich spricht auf der Pressekonferenz im Vatikan zur Vorstellung des Arbeitspapiers der ersten Sitzung der Synodalitätssynode am 20. Juni 2023.
Der Limburger Bischof Georg Bätzing ist seit März 2020 auch Vorsitzender der deutschen Bischofskonferenz.

Während die Christenheit weiterhin um ihre Einheit ringt, bereitet sich die katholische Kirche mit Studiengruppen auf die Weltsynode vor. Die Organisatoren wollen vor allem eines: Harmonie. Weniger harmonisch könnte dagegen eine anstehende Rom-Reise von Bischöfen aus Deutschland sein. Eine Analyse von Rom-Korrespondent Rudolf Gehrig.

Im Jahr 1891 hatte Papst Leo XIII. eine Idee. Am 22. September desselben Jahres veröffentlichte der damalige Pontifex eine Enzyklika unter dem Titel Octobri Mense, was übersetzt heißt: „Der Monat Oktober“. Der Oktober soll künftig ein „Rosenkranzmonat“ sein, ordnete Leo XIII. an, verbunden mit der Bitte, dass alle Pfarrgemeinden weltweit in diesem Monat täglich den Rosenkranz beten sollen.

Die Tradition des Rosenkranzmonats hat sich bis heute erhalten. Der 7. Oktober ist der offizielle Gedenktag „Unserer Lieben Frau vom Rosenkranz“, nachdem die christliche Flotte am 7. Oktober 1571 in der Seeschlacht von Lepanto den Eroberungszug der muslimischen Türken stoppen konnte. „Weder Macht noch Waffen und Führer, sondern Maria vom Rosenkranz hat uns zum Sieg verholfen“ – diese Überzeugung hat der Senat von Venedig damals unter das Bild der Seeschlacht im Dogenpalast eingravieren lassen.

Der Rosenkranzmonat Oktober wird bis heute weltweit von der Kirche begangen. Auch Papst Franziskus bestärkt die Gläubigen immer wieder darin, besonders im Oktober zu den Perlen zu greifen. In seinem Pontifikat, dessen Beginn sich diese Woche zum elften Mal jährte, bekommt der Monat Oktober allerdings mehr und mehr auch eine zusätzliche Bedeutung. Er ist nicht mehr nur der Rosenkranzmonat, sondern wird vermehrt zu einem „Synodenmonat“.

Studiengruppen zur Weltsynode

Im Oktober 2021 hatte Papst Franziskus die sogenannte „Synode über Synodalität“ initiiert. Sie begann mit umfangreichen Umfragen in den Pfarrgemeinden weltweit und durchlief zunächst eine diözesane, dann eine nationale und schließlich eine kontinentale Etappe. Vom 4. bis zum 28. Oktober 2023 fand die erste globale Versammlung in Rom statt. Auf Basis des umfangreichen Arbeitspapiers, des sogenannten Instrumentum Laboris, diskutierten die 375 Teilnehmer vier Wochen lang und legten am Schluss dem Papst ein etwa 40-seitiges Abschlussdokument vor.

Andrea Gagliarducci, Journalist bei ACI Stampa, der italienischen Partneragentur von CNA Deutsch, hat die wichtigsten Diskussionen und Beschlüsse der vergangenen Versammlung hier zusammengefasst.

Die zweite Tagung der Generalversammlung der Weltsynode soll in einem halben Jahr stattfinden – natürlich wieder im Oktober. Wie CNA Deutsch bereits gestern berichtete, sollen diesmal auch sogenannte „Studiengruppen“ zum Einsatz kommen. Der Vatikan hat dazu einen von Papst Franziskus verfassten Brief an die Organisatoren der Weltsynode vorgestellt, in dem er insgesamt zehn Themen zur vertieften Diskussion vorgibt. Mit dabei sind „theologische Kriterien und synodale Methoden für die gemeinsame Diskussion kontroverser lehrmäßiger, pastoraler und ethischer Fragen“.

Pastoral vs. Lehre: Werden Wahrheiten „angepasst“?

Als „kontrovers“ gilt dabei die Aufgabe des Papstes, innerhalb der Studiengruppen auch über den Zugang von Frauen zum Diakonat zu diskutieren. Die Frage des Weiheamtes und die Frage nach dem „Platz der Frauen in der Kirche und ihre Beteiligung an Entscheidungsprozessen und an der Leitung der Gemeinschaft“, wie es im Dokument heißt, sind dabei besonders im Fokus.

Eine andere Studiengruppe soll sich darum kümmern, „die traditionellen Kategorien der Anthropologie, der Soteriologie und der theologischen Ethik neu zu lesen, um die Beziehungen zwischen Nächstenliebe und Wahrheit in Treue zum Leben und zur Lehre Jesu und folglich auch zwischen Pastoral und (moralischer) Lehre besser zu klären“.

Dieses etwas gestelzte Wortgeflecht füttert die Ängste jener, die eine Veränderung der überlieferten kirchlichen Lehre befürchten, unter dem Vorwand, die Lehre der Pastoral anzupassen. Kritiker fürchten, dass hierbei wie schon beim umstrittenen „Synodalen Weg“ in Deutschland ein Gegensatz zwischen „Pastoral“ und „Lehre“ konstruiert wird, um so langfristig auch die „ewigen Wahrheiten“ der Kirche zu unterminieren. Derartige Befürchtungen gedenkt die Leitung der Weltsynode aber damit zu zerstreuen, dass diese Studiengruppe nicht etwa dem Synodensekretariat unterstellt wird wie die anderen Gruppen, sondern direkt dem „Obersten Glaubenshüter“ in Person des Präfekten des Dikasteriums für die Glaubenslehre, Kardinal Victor Manuel Fernández, und dem Sekretär der Internationalen Theologischen Kommission, Antonio Staglianò.

Es sei in diesem Bereich „noch dringender […], zu einer stärkeren Zusammenarbeit zwischen den Gremien zu gelangen“, wird im ebenfalls gestern veröffentlichen Begleitdokument zu den Studiengruppen vermerkt. Darin wird auch unterstrichen, dass die Gremien „im Namen des Heiligen Stuhls sprechen, um eine größere Einstimmigkeit in ihren Positionen zu erreichen“. Wörtlich heißt es weiter: „Dissonanzen und noch mehr Gegensätze bergen nämlich die Gefahr, dass sie eher zu Spaltung und Desorientierung als zu Konfrontation und Reflexion führen. Ein synodaler Ansatz zielt nicht auf Homogenität, sondern auf Harmonie.“

Eine Harmonie-Synode?

„Harmonie“ ist ein Stichwort, das auffallend oft von den Verantwortlichen der Synode gewählt wird. Bereits bei der Vorstellung des Instrumentum Laboris im vergangenen Juni wählte der Generalrelator der Weltsynode, Kardinal Jean-Claude Hollerich SJ, einen interessanten Vergleich aus der Kulinarik.

„Der Text des Instrumentum Laboris erhebt nicht den Anspruch, eine theologische Abhandlung über die Synodalität zu sein“, sagte der Kardinal damals und ergänzte: „Der Text ist wie ein Kochbuch. Die Köche erhalten dieses Buch zusammen mit einigen Zutaten: Ihre Aufgabe ist es, die verschiedenen Zutaten so zusammenzustellen, dass sie den verschiedenen Geschmäckern gefallen. Eine unmögliche Aufgabe, könnte man meinen, wenn nicht im Hintergrund der Heilige Geist eine neue Harmonie in der Küche herbeiführen würde. Eine Harmonie-Konsens-Führung durch den Heiligen Geist: Das sind Worte, die beschreiben, wie dieser Text verwendet werden muss.“

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Auch bei der gestrigen Pressekonferenz zur Vorstellung der Studiengruppen wiederholte Hollerich seinen Harmonie-Appell und betonte: „Wir sind keine Politiker, wir sind Diener der Synodalität!“ Bereits im vergangenen Juni hatte der Kardinal unterstrichen: „Wir arbeiten nicht wie ein Parlament. So funktioniert das nicht.“

Ins selbe Horn blies auch der Generalsekretär der Weltsynode, Kardinal Mario Grech. Gegenüber EWTN News sagte er gestern: „Wir könnten durchaus versucht sein, innerhalb der Kirche wie Politiker zu handeln, aber das wäre absolut falsch. Wir sind Diener des Wortes Gottes.“

Die Deutschen kommen

Die demonstrativen Harmonie-Apelle könnten jedoch schon bald wieder gestört werden. „Germani ante portas“ – dieser Schreckensruf der harmoniebestrebten Kurie könnte bereits nächste Woche wieder über die langen Flure der vatikanischen Dienstgebäude hallen. Denn dann kommen erneut die Deutschen über die Alpen und stehen vor den Toren der Ewigen Stadt. 

Ausgemacht war das Treffen der deutschen Delegation von Bischöfen mit Vertretern der römischen Dikasterien schon länger. Dabei soll über die Zukunft des umstrittenen „Synodalen Weges“ in Deutschland gesprochen werden.

Zuletzt musste der Vatikan nach mehreren deutlichen Ermahnungen erneut gegen den Synodalen Ausschuss einschreiten, der in einen Synodalen Rat zur Verstetigung des Synodalen Wegs münden soll. Im Februar wurde bekannt, dass Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin sowie die Kardinäle Víctor Manuel Fernández vom Dikasterium für die Glaubenslehre und Robert Francis Prevost OSA vom Dikasterium für die Bischöfe einen Brief an die Deutsche Bischofskonferenz gerichtet hatten, der von Papst Franziskus „approbiert“ worden sei. Dem Brief zufolge stünde eine Verabschiedung der Satzung für den Synodalen Ausschuss, wie sie bei der DBK-Vollversammlung in dieser Woche hätte vorgenommen werden sollen, „im Widerspruch zu der im besonderen Auftrag des Heiligen Vaters ergangenen Weisung des Heiligen Stuhls“.

Weitere Klärung soll das geplante Treffen der deutschen Delegation am kommenden Freitag, dem 22. März, bringen. Wie aus Vatikan-Kreisen zu vernehmen ist, soll es bei den Gesprächen diesmal hauptsächlich um die „Fragen der Hierarchie und des Bischofsamtes“ gehen. Seitens der Deutschen Bischofskonferenz werden augenscheinlich erneut die Bischöfe Georg Bätzing, Stephan Ackermann, Michael Gerber, Bertram Meier und Franz-Josef Overbeck sowie die Generalsekretärin der Bischofskonferenz, Beate Gilles, der Delegation angehören.

„Es gibt keine Agenda“

Wie angespannt die Situation ist, zeigte sich in Auszügen am Rande der gestrigen Pressekonferenz in Rom. Als EWTN News bei Kardinal Grech nachfragte, was die Deutsche Bischofskonferenz ändern müsse, um den deutschen „Synodalen Weg“ wieder in den Einklang mit der Weltsynode zu bringen, verwies der Generalsekretär der Weltsynode zunächst darauf, „nichts“ über das anstehende Treffen zu wissen. Dann fügte er an: „Ich denke, die deutschen Bischöfe sind in der Einheit mit dem Heiligen Vater, und wenn sie dem Heiligen Vater folgen, ist der Weg nach vorne weiterhin offen.“

Auch Kardinal Hollerich sprach nach der gestrigen Pressekonferenz mit EWTN News. „Wir wollen nicht polarisieren, wir wollen die Menschen zusammenbringen“, wiederholte der Generalrelator der Synode sein Anliegen und beteuerte: „Es ist nicht so, dass die Synode eine Agenda hätte, die wir durchdrücken wollen. Wir hören auf das Volk Gottes, wir hören auf den Heiligen Vater. Unsere Mission ist es, der Kirche zu dienen.“

In diesem Zusammenhang ist es durchaus bemerkenswert, dass Kardinal Hollerich auch den – durchaus polarisierenden – Begriff von der „progressiven Kirche“ verwendete, um die Wichtigkeit der Überwindung des innerkirchlichen Lagerdenkens zu unterstreichen. Er sagte wörtlich: „Es ist wichtig, dass Synodalität nicht nur etwas für die progressive Kirche ist, sondern für die ganze Kirche. Synodalität gibt der Kirche Leben und schickt sie wieder auf ihre Mission. Wir wissen alle, dass wir Christus in der Welt verkünden müssen.“

Auf die Frage, ob dies etwa auch eine Botschaft an die deutschen Bischöfe sei, die in der nächsten Woche nach Rom kommen werden, antwortete der Kardinal aus Luxemburg: „Es ist eine Botschaft, die ich immer wieder wiederholt habe, weil ich aus dem Nachbarland der Deutschen komme.“ Mit einem Lächeln fügte er an: „Ich habe es ihnen sehr oft gesagt.“

Harmonie-Störungen nicht nur aus Deutschland

Dennoch ist die Kommunikation zwischen Rom und Deutschland weiterhin von Misstönen geprägt. Die Schuld daran macht der Limburger Bischof Bätzing beim Vatikan aus. „Ich sage das hier ehrlich, wir könnten schon viel weiter sein“, klagte er im Februar, „die Gespräche könnten längst geführt sein, und für die Verzögerung liegt die Verantwortung klar auf der Seite Roms.“ Weiter beharrte der Vorsitzende der Bischofskonferenz darauf, dass es „keinen Anlass und keinen Grund“ gebe, zu befürchten, „wir verselbstständigen uns als katholische Kirche hier in Deutschland“, denn „dann wären wir nicht katholisch, aber wir sind es“.

Die Vorwürfe, man wolle durch die Einrichtung eines Synodalen Ausschusses das Kirchenrecht aushebeln, wies Bätzing scharf zurück. „Wir haben immer gesagt, wir werden nichts einrichten, was dem Kirchenrecht entgegensteht“, bekräftigte er und ergänzte mit fast schon bebender Entrüstung: „Wie sollten wir? Wie könnten wir?“

Während der Konflikt mit den deutschen Vertretern des „Synodalen Weges“ weiterhin schwelt und der Vatikan mantra-artig Ermahnungen zur Bewahrung der Einheit der Kirche über die Alpen in Richtung Norden in das Geburtsland der Reformation schickt, wird dem Heiligen Stuhl aus anderen Ecken der Weltkirche selbst vorgeworfen, die Einheit zu gefährden.

Da ist nicht nur der Konflikt mit den afrikanischen Bischöfen, die geschlossen der Einführung einer nicht-liturgischen, pastoralen Segnung homosexueller Paare im Sinne von Fiducia supplicans eine Absage erteilt haben (CNA Deutsch berichtete).

Auch der ökumenische Dialog erhielt in den vergangenen Tagen einen Dämpfer. Die Vertreter der koptischen Christen in Ägypten hatten verkündet, den „theologischen Dialog mit der katholischen Kirche auszusetzen, die Ergebnisse, die der Dialog seit seinem Beginn vor 20 Jahren erzielt hat, neu zu bewerten und neue Normen und Mechanismen für die Fortsetzung des Dialogs festzulegen“. Als Grund dafür wird ebenfalls Fiducia supplicans genannt. Jeglicher Segen, welcher Art auch immer, für solche Verbindungen sei „ein Segen für die Sünde, und das ist inakzeptabel“, heißt es von koptischer Seite. Der Beschluss zum Abbruch des Dialogs wurde am 7. März gefasst – auf einer Synode der Kopten.

Geburtstagsjubilar Koch: „Es ist einfacher, sich abzuspalten und eine neue Kirche zu gründen“

Während die katholische Kirche also weiterhin sowohl nach außen als auch im Inneren um Einheit ringt, begeht der vatikanische „Ökumene-Minister“ Kardinal Kurt Koch am heutigen Freitag seinen 74. Geburtstag. Der Schweizer Kirchenmann leitet bereits seit 2010 das Dikasterium zur Förderung der Einheit der Christen und ist daher schon von Berufs wegen mit dem Thema vertraut. Seinen Geburtstag hat Koch bereits in der letzten Woche „vorgefeiert“ mit einer theologischen Konferenz zum Thema „Einheit und Einzigkeit“. „Ohne die Einheit aller Christen ist Kirche im Vollsinn des Wortes gar nicht realisiert“, sagte der Kardinal dabei.

Doch Kurt Koch ist auch im Umgang mit Synoden sehr erfahren. Fast schon prophetisch sind die Worte des „Ökumene-Ministers“, der im Oktober 2019 am Rande der Amazonassynode in einem Interview mit EWTN Deutschland sagte: „Wenn ich in die Landschaft der Kirchen hineinschaue, dann muss ich sagen, dass diese Tendenz, Probleme zu lösen, indem man neue Kirchen gründet, ein typisches Phänomen im Weltprotestantismus ist. Das ist nicht der katholische Weg. Der katholische Weg ist es, so lange unter einem Dach zu bleiben, auch unter dem Dach des Papsttums, der Universalkirche. Das ist auch der Grund, warum man in der katholischen Kirche so viele Spannungen, so viele Konflikte hat. Es ist einfacher, sich abzuspalten und eine neue Kirche zu gründen. Ich halte den katholischen Weg für den besseren und ich hoffe, dass die Katholische Kirche auf diesem katholischen Weg bleibt im Gesamten der Universalkirche. Das andere hat meines Erachtens keine Zukunft.“

Das Bischofsmotto von Kardinal Koch ist übrigens dem Brief des Apostels Paulus an die Kolosser entlehnt und lautet: „Ut sit in omnibus Christus primatum tenens – Christus hat in allem den Vorrang“ (Kol 1,18).

Dieses Motto fasst nicht nur Kochs Arbeit zusammen, sondern gibt auch die Richtung vor für die Bemühungen der Kirche um Einheit. Besonders dann, wenn die nächste Versammlung der Weltsynode ansteht.

Diese beginnt kommenden Oktober. Also mitten im Rosenkranzmonat.

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