Vatikanstadt, 10 Januar, 2025 / 11:00 AM
Als sich während des Zweiten Weltkrieg die Alliierten berieten, um dem Blutvergießen ein Ende zu setzen, soll ausgerechnet der britische Premierminister Winston Churchill den Vorschlag gemacht haben, den Papst in die Friedensverhandlungen einzubeziehen. Ein Vorschlag, der einem der Anwesenden ein spöttisches Lächeln entlockte. „Der Papst“, fragte der russische Diktator Joseph Stalin höhnisch, „wie viele Divisionen hat der Papst?“
Nur wenige Jahrzehnte nach diesem angeblichen Vorfall brach die Sowjetunion zusammen, auch dank der Hilfe des Papstes. Stalin erlebte das nicht mehr, er starb 1953. Der diplomatische Dienst des Papstes dagegen ist auch heute noch aktiv.
„Die Päpste haben nicht erst seit Anfang des 20. Jahrhunderts auf internationaler Ebene zum Frieden aufgerufen“, sagt Francis X. Rocca, EWTN Senior Vatican Analyst. „Papst Benedikt XV. versuchte, den Ersten Weltkrieg auf dem Verhandlungsweg zu beenden, auch wenn er scheiterte. Ein halbes Jahrhundert später ging der Papst Paul VI. zu den Vereinten Nationen und rief dazu auf, dass es nie wieder Krieg geben dürfe. Und seine Nachfolger tun es ihm gleich.“
Die Diplomatie von Papst Franziskus beschränkt sich nicht auf die wöchentlichen Friedensappelle auf dem Petersplatz während der Generalaudienzen. Im Jahr 2024 sorgte Papst Franziskus für Aufsehen, als er zum G7-Gipfel nach Italien reiste und zu einem ethischen Umgang mit künstlicher Intelligenz aufrief. Rocca erinnert daran, dass Franzkisus immer wieder „militärische Konflikte mit Fragen der sozialen Gerechtigkeit und insbesondere der Umwelt“ verbinde. So habe der Pontifex erst kürzlich italienische Lehrer dazu animiert, Mobbing durch ihre Schüler zu unterbinden, da dies eine „Vorbereitung für den Krieg und nicht für den Frieden“ sei.
Diplomatie im Auftrag des Lebensrechts
Jedes Jahr im Januar trifft sich Papst Franziskus mit dem diplomatischen Korps im Vatikan, wie auch am gestrigen Donnerstag. Dabei nutzt der Heilige Vater die Gelegenheit, weitere seiner Herzensanliegen vorzubringen. In diesem Jahr warnte er vor der Gefahr eines weiteren Weltkriegs, letztes Jahr verurteilte er die Praxis der Leihmutterschaft. „Der Weg zum Frieden erfordert den Respekt vor dem Leben, vor jedem menschlichen Leben, beginnend mit dem Leben des ungeborenen Kindes im Mutterleib“, so Papst Franziskus wörtlich. „In dieser Hinsicht halte ich die Praxis der so genannten Leihmutterschaft für verwerflich, da sie eine schwere Verletzung der Würde der Frau und des Kindes darstellt und auf der Ausnutzung von Situationen der materiellen Bedürfnisse der Mutter beruht. Ein Kind ist immer ein Geschenk und niemals die Grundlage eines Kaufvertrags.“
Darüber hinaus lässt der Pontifex nur selten eine Generalaudienz oder ein Angelusgebet aus, um weitere Appelle an die Mächtigen dieser Welt zu richten – seien es Aufrufe zum Frieden in der Ukraine, die Forderung nach Freilassung der israelischen Geiseln oder die Bemerkung, dass Ärzte, die Abtreibungen vornehmen, „Auftragsmörder“ seien.
Ansonsten geschieht viel hinter den Kulissen. Der Vatikan sendet dabei nicht nur humanitäre Hilfsmittel in Krisengebiete, sondern betätigt sich auch als Vermittler zwischen den Kriegsparteien. Vatikan-Analyst Rocca ist der Meinung, dass der große Vorteil des Heiligen Stuhls als diplomatischer Akteur darin bestehe, „dass er neutral ist, souverän, aber nicht verbündet, und das erlaubt ihm, mit verschiedenen Seiten in einem Konflikt zu kommunizieren“. Rocca weist darauf hin, dass Papst Franziskus 2014 maßgeblich dazu beigetragen hat, eine Annäherung zwischen den Vereinigten Staaten und Kuba zu ermöglichen.
Der Konflikt mit China
Der Heilige Stuhl verfügt über ein weit verzweigtes diplomatisches Netz und unterhält Beziehungen zu mehr als 180 souveränen Staaten. Doch manchmal stößt selbst die Diplomatie des Papstes an ihre Grenzen. „Eine der größten diplomatischen Herausforderungen für Papst Franziskus war der Dialog mit China“, so Courtney Mares, Rom-Korrespondentin der Catholic News Agency, der Partneragentur von CNA Deutsch.
Franziskus’ Pontifikat begann zur gleichen Zeit, in der auch Xi Jinping in China an die Macht kam.
Die katholische Kirche in China war damals noch gespalten zwischen der sogenannten „katholischen Untergrundkirche“, die dem Papst gegenüber loyal war, und der staatlich sanktionierten katholischen Vereinigung auf der anderen Seite. Vor allem der jahrzehntelange Streit um die Ernennung von Bischöfen hat das Verhältnis zwischen Peking und Rom stark belastet, bis der Heilige Stuhl 2018 ein vorläufiges Abkommen mit der chinesischen Regierung unterzeichnete.
„Von Anfang an ging das nicht gerade reibungslos über die Bühne“, so Mares. „Fast unmittelbar nach der Unterzeichnung dieses Abkommens gab es Berichte über eine verstärkte Verfolgung der katholischen Untergrundgemeinde in China. Und im Jahr 2022 erklärte der Vatikan, dass Peking gegen die Bedingungen des Abkommens verstoßen hatte. Menschenrechtsaktivisten haben zudem Bedenken über das Schweigen des Vatikans zu den Verletzungen der Religionsfreiheit geäußert, die China begangen hat. Dazu gehören die Internierung von uigurischen Muslimen im Nordwesten Chinas und die Niederschlagung der Demokratieproteste in Hongkong.“
Dennoch hat der Vatikan die umstrittene Vereinbarung im vergangenen Jahr erneut verlängert, diesmals sogar um weitere vier Jahre.
Neutralität eine „heikle Angelegenheit“
Der Vatikan-Analyst von EWTN, Francis X. Rocca, glaubt, dass Papst Franziskus dieses Abkommen mit China für seinen persönlich größten diplomatischen Erfolg halte, und fügt hinzu: „Er kann sehr unverblümt sein, wenn er beispielsweise fordert, wegen Gaza gegen Israel zu ermitteln, aber er kann auch schweigen, wenn er es für nötig hält. Zum Beispiel vermeidet er es, China wegen der Menschenrechtsverletzungen zu kritisieren, vermutlich um die Annäherung nicht zu gefährden.“
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Rocca räumt ein, dass Neutralität „eine heikle Angelegenheit“ ist. Im Gaza-Krieg zum Beispiel habe der Papst immer wieder einen Waffenstillstand und die Freilassung der Geiseln gefordert, aber gleichzeitig Israel kritisiert. „Das hat Israel verärgert“, sagt der Journalist. „Im Fall der Ukraine hat er seine eigene katholische Hierarchie im Land gegen sich aufgebracht, indem er Russland eben nicht namentlich für den Konflikt verantwortlich machte und sogar das ehemalige russische Reich lobte.“
Dennoch ist Francis X. Rocca davon überzeugt, dass der Papst noch immer eine „herausragende religiöse Figur in der Welt“ sei, die über „eine Art globale moralische Autorität und Glaubwürdigkeit“ verfüge.
Papst Franziskus als krähender Hahn
Andrea Riccardi, der Gründer der Gemeinschaft Sant’Egidio, die mit dem Vatikan bei vielen humanitären Projekten zusammenarbeitet, sagte gegenüber EWTN, dass Papst Franziskus ernsthaft an einer Lösung der Konflikte gelegen sei und dass der argentinische Pontifex „bis zu seinem letzten Atemzug nicht aufhören werde, über den Frieden zu sprechen“. In einer Zeit, in der die Diplomatie „entwertet“ zu sein scheint, lasse der Heilige Vater seinen Worten auch Taten folgen, so Riccardi weiter. Die Entsendung von Kardinal Matteo Zuppi auf eine päpstliche Friedensmission „nach Kiew, nach Moskau, nach Washington, nach Peking, um über Frieden und humanitäre Fragen zu sprechen, spricht eine deutliche Sprache“.
„Die Gefahr ist, dass wir uns an den Krieg gewöhnen“, sagt Andrea Riccardi, „und in diesem Sinne scheint mir die Stimme des Papstes zum Frieden ein bisschen wie der Hahn zu sein, der kräht und Petrus aufweckt.“ Er ergänzt: „Die Menschheit ist wie Petrus geworden, ein Sklave der Gewalt, an die Gewalt gewöhnt.“
Und so dürfte Papst Franziskus in seiner Rolle als mahnender, krähender „Hahn“ wohl auch in Zukunft nicht aufhören, jene Worte zu wiederholen, die er in seiner Enzyklika Fratelli Tutti 2022 niedergeschrieben hat: „Jeder Krieg hinterlässt die Welt schlechter, als er sie vorgefunden hat. Krieg ist ein Versagen der Politik und der Menschheit, eine beschämende Kapitulation, eine Niederlage gegenüber den Mächten des Bösen.“
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