Köln - Mittwoch, 17. März 2021, 11:35 Uhr.
Am morgigen Donnerstag, dem 18. März 2021, werden die Ergebnisse des Gutachtens über die Missbrauchsfälle im Erzbistum vorgestellt. Dabei geht es vor allem um die Frage, inwiefern der Kölner Erzbischof, Kardinal Rainer Maria Woelki, letztlich be- oder entlastet wird – sowie mögliche weitere personelle Konsequenzen.
Der katholische Fernsehsender EWTN.TV wird die Pressekonferenz zur Vorstellung des Missbrauchgutachtens in Kooperation mit dem Kölner "Domradio" ab 10.00 Uhr live übertragen. Im Anschluss an die Pressekonferenz sind in der EWTN-Sondersendung zwei Experten zu Gast, die die Ereignisse rund um die Präsentation des Gutachtens erörtern.
Neben dem Berliner Rechtsanwalt und Krisenkommunikationsberater Richard Schütze wird auch der Journalist Rudolf Gehrig dabei sein, der als Chefkorrespondent für das deutschsprachige Europa für die Nachrichtenagentur CNA Deutsch regelmäßig über die Aufarbeitung des Missbrauchskandals in Deutschland berichtet. Rechtsanwalt Schütze ist erfahren in der Krisenkommunikation in Wirtschaft und Politik, aber auch in der Kirche wie etwa beim Ettaler Missbrauchsskandal 2011.
Der Konflikt um das erste Gutachten
Hintergrund der Pressekonferenz ist die Untersuchung der Kanzlei "Gercke & Wollschläger", die im Herbst 2020 von Kardinal Woelki damit beauftragt wurde, alle einschlägigen Akten und Unterlagen aus dem Erzbistum Köln in Hinblick auf Missbrauchstaten zu untersuchen. Dabei sollte auch überprüft werden, ob die Vorgehensweise der damaligen Diözesanverantwortlichen jeweils im Einklang mit den Vorgaben des kirchlichen Rechts und Selbstverständnisses sowie des staatlichen Rechts stand.
In den vergangenen Monaten hatte die Entscheidung des Kardinals, das erste Gutachten, das von der Kanzlei "Westpfahl Spilker Wastl" erstellt wurde, wegen "methodischer Mängel" nicht zu veröffentlichen, für Kritik und Unruhe gesorgt (CNA Deutsch hat berichtet). Medienvertreter hatten Woelki daraufhin zum Rücktritt aufgefordert. Die Kanzlei hatte den Auftrag, die einschlägigen Personalakten ab 1975 zu untersuchen um festzustellen, "welche persönlichen, systemischen oder strukturellen Defizite in der Vergangenheit dafür verantwortlich waren, dass Vorfälle von sexuellem Missbrauch gegebenenfalls vertuscht oder nicht konsequent geahndet wurden".
Die Entscheidung Woelkis, das Gutachten von "Westpfahl Spilker Wastl" wegen offenbar gravierender Mängel nicht zu veröffentlichen - unter anderem sollen nach Auskunft von Insidern aus dem Umfeld des Bistums personenschutzrechtliche Überlegungen bei dieser Entscheidung eine Rolle gespielt haben - führte unter anderem zu Forderungen eines Rücktritts des Kölner Erzbischofs. Andere warnten vor eine Vorverurteilung durch interessierte Kreise. Die Entscheidung, ein neues Gutachten mithilfe der Strafrechtexperten der Kanzlei "Gercke & Wollschläger" zu erstellen, sei richtig gewesen, kommentierte unter anderem Thomas in einem Kommentar im Nachrichtenmagazin "Der Spiegel".
Umgang mit Fällen sexueller Gewalt
Medienberichten zufolge hat eine Untersuchung des Vatikan mittlerweile bestätigt, dass der Kardinal in der Angelegenheit um den viel diskutierten Fall um "Priester O." "kirchenrechtlich korrekt" gehandelt habe. Gegenüber CNA Deutsch teilte das Erzbistum mit, dass eine offizielle Bestätigung dieser Berichte nicht vorliege.
Im Gutachten, das am Donnerstag vorgestellt wird, soll unter anderem die Rolle des Erzbischofs von Hamburg, Stefan Heße, beleuchtet werden. Presseberichte hatten die Frage der Rolle Heßes in seiner Zeit als Personalchef des Erzbistums Köln aufgeworfen.
Laut der "Bild"-Zeitung und anderen Medien sei der jetzige Erzbischof von Hamburg in "Erklärungsnot" geraten, was den Fall eines heute 69 Jahre alten Priesters betrifft, der in den 1990er Jahren seine minderjährigen Nichten über Jahre schwer sexuell missbraucht haben soll.
Ende Oktober 2020 teilte das Erzbistum Köln mit, dass einige "in der Öffentlichkeit diskutierte Informationen nicht belastbar sind, teilweise Interpretationen darstellen und sich Sachverhalte vermischen". CNA Deutsch hat die Stellungnahme im Wortlaut dokumentiert.
Heße selbst hatte sich nach eigenen Angaben bereits im November 2020 an Rom gewandt und um eine Prüfung gebeten (CNA Deutsch hat berichtet). "Auf meine Bitte hin soll Rom prüfen, ob die dann vorliegenden Untersuchungsergebnisse Auswirkungen auf mein Amt als Erzbischof in Hamburg haben", so der Erzbischof damals. In der Zwischenzeit hatte der Geistliche ebenfalls bekanntgegeben, sein Amt im "Zentralkomitee der deutschen Katholiken" (ZdK) ruhen zu lassen, bis die Vorwürfe geklärt sind.
Missbrauchsgutachten einsehbar
Nach der offiziellen Präsentation soll das Missbrauchsgutachten ab Donnerstagmittag auch auf der Homepage des Erzbistums veröffentlicht werden.
Wie das Erzbistum Köln bereits in einer Pressemitteilung vom 27. November 2020 angekündigt hat, wird das erste Gutachten von "Westpfahl Spilker Wastl" auch für Betroffene, Journalisten und weitere Interessierte zur Einsichtnahme bereitliegen. Am Mittwochabend teilte das Erzbistum mit, dass eine Einsichtnahme vom 25. März bis einschließlich 1. April 2021 möglich ist.
Für die Einsichtnahme ist jeweils ein Zeitraum von bis zu 1,5 Stunden vorgesehen. In jedem Zeitfenster stehen aufgrund einer Verfügung des Gesundheitsamts maximal 10 Plätze zeitgleich zur Verfügung. Auf jedem Platz liegen gedruckte Exemplare der beiden Gutachten von Gercke & Wollschläger sowie Westpfahl-Spilker-Wastl aus. Das Gutachten der Münchner Kanzlei WSW kann – im Gegensatz zur Arbeit von Björn Gercke – wegen der äußerungsrechtlichen Bedenken nicht veröffentlicht und zum Download online gestellt werden, heißt es in der Erklärung. Deshalb ist die Einsichtnahme ausschließlich persönlich im Maternushaus möglich.
Eine weitere Pressekonferenz, in der erste Konsequenzen nach der Vorstellung des Gercke-Gutachtens verkündet werden, hat das Erzbistum Köln für den kommenden Dienstag, dem 23. März, anberaumt. Der katholische Fernsehsender EWTN.TV wird auch dieses Ereignis live übertragen.
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