Köln, 02 März, 2022 / 10:30 AM
Der Kölner Erzbischof, Kardinal Rainer Maria Woelki, hat am heutigen Aschermittwoch bekanntgegeben, dass er Papst Franziskus erneut seinen Rücktritt angeboten hat. In seinem heute erschienenen Fastenhirtenbrief geht Woelki ausführlich auf seine Beweggründe ein und erklärt, dieser Entschluss sei in ihm während seiner fünfmonatigen Auszeit gereift, die mit dem heutigen Tag zu Ende geht.
Zum jetzigen Zeitpunkt ist noch unklar, wie Papst Franziskus auf dieses Rücktrittsangebot reagieren wird.
Wie CNA Deutsch berichtete, hatte sich Kardinal Woelki Ende September 2021 "auf eigenen Wunsch" hin eine mehrmonatige Auszeit genommen, nachdem er zuvor von Papst Franziskus noch in seinem Amt bestätigt worden war.
Woelki spricht über "körperliche und mentale Erschöfpung"
Ihm sei bewusst, dass auch er mitverantwortlich sei für "Verunsicherung, Unverständnis, Misstrauen bis hin zur Ablehnung meiner Person", schreibt Woelki im Fastenhirtenbrief, der heute überall im Erzbistum verlesen wird. Eine Auszeit könne "an sich keine Probleme" lösen, auch wenn er sie als eine Chance wahrgenommen habe für innere Auseinandersetzung, Selbstreflektion und für einen "tastenden Neuanfang".
Der Kölner Erzbischof schreibt wörtlich:
"So kehre auch ich nicht unverändert einfach so zurück, als sei in dieser Zeit nichts geschehen. Tatsächlich war für mich im Oktober letzten Jahres ein Maß an körperlicher und mentaler Erschöpfung erreicht, das eine Auszeit notwendig machte. Es wird nicht wenige unter Ihnen geben, die um die Notwendigkeit einer solchen Zeit wissen, weil Sie selbst oder Ihnen nahestehenden Menschen schon einmal die Erfahrung einer solch langfristigen Überbeanspruchung gemacht haben. Es war eine Zeit, meine eigene Erschöpfung zuzulassen und wieder neu zu Kräften zu kommen. Zeit, auf die letzten Jahre zurückzuschauen und Zukünftiges in den Blick zu nehmen. Zeit, mich den Versäumnissen, den Fehlern und der Schuld in meinem Leben zu stellen und dabei auch Gelungenes und den Zuspruch zu sehen und wertzuschätzen – und aus beidem zu lernen."
Die Auszeit sei für Woelki eine "Zeit der Nähe mit Jesus" gewesen, in der er während seines Sozialeinsatzes nach den Exerzitien auch mit Menschen zusammengetroffen ist, "bei denen ich nicht in einer Schublade steckte, sondern die mich angenommen und in vielfacher Weise herausgefordert haben".
"Habe dem Papst mein Amt als Erzbischof zur Verfügung gestellt"
In den vergangenen Monaten habe er sein Handeln und die Situation im Erzbistum Köln reflektiert, schreibt Woelki weiter. Durch die Exerzitien sei ihm bewusst geworden, wie wichtig die Haltung sei, "nichts zu sehr zu wollen", sondern alles auf Gott hin frei zu geben. Wörtlich:
"Als Ausdruck dieser Haltung innerer Freiheit habe ich dem Heiligen Vater meinen Dienst und mein Amt als Erzbischof von Köln zur Verfügung gestellt, so dass auch er frei ist, zu entscheiden, was dem Wohl der Kirche von Köln am meisten dient."
Die Gläubigen bittet der Kardinal "Offenheit" und Geduld", sowie darum, "dass Sie mir, nein, uns noch eine Chance geben". Er wisse, so Woelki, um den "ungenügenden Umgang" der Kirche mit der Missbrauchskrise und nehme zudem eine "reformbedürftige Kommunikation und Verkündigung des Glaubens" wahr, die "heute zu oft am Leben der Menschen vorbeigeht".
Ausführlich berichtet Woelki im Fastenhirtenbrief von den Erkenntnissen, die in ihm gereift seien. Er schreibt wörtlich:
"Dabei ist in mir manches in Bewegung gekommen, was sich in der immer angespannteren kirchlichen Situation und zunehmenden, oft sehr persönlichen Anfeindungen meiner Person in unguter Weise in mir verhärtet hatte. Das betrifft Zusammenhänge von Beteiligung und Leitung, Möglichkeiten der pastoralen Entwicklung sowie notwendige Reformen in der Kirche bis hin zu systemischen Veränderungen, welche die Realitäten von sexuellem, geistlichem und strukturellem Missbrauch auch mir aufgeben. Richtungsweisend war und ist mir dabei die Perspektive der von Missbrauch Betroffenen, das, was sie erlebt und erlitten haben, als Kompass für mein Nachdenken und Handeln – und auch für das Arbeiten an mir selbst."
Nun wolle er, so Woelki weiter, die Gelegenheit nutzen, mit den Gläubigen selbst in den Austausch zu treten. "Wir haben eine Geschichte miteinander, direkt oder auch nur indirekt", schreibt der Kardinal, "daraus soll nichts weggewischt werden, vor allem nicht das, was Sie verletzt oder entmutigt hat – bis hin zur Verzweiflung an der Kirche."
Er selbst habe sich zunächst für einen "stillen Beginn" entschieden, bei dem er den Gläubigen vor allem "zuhören" wolle: "Ihrer Enttäuschung, Ihrem Ärger, Ihren Vorwürfen genauso wie Ihren Erwartungen, Wünschen, Ihrem Zuspruch und Ihren guten Ideen. Ich bitte Sie, geben Sie dem, geben Sie mir, Gelegenheit dazu".
(Die Geschichte geht unten weiter)
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Wird Papst Franziskus das Rücktrittsangebot Woelkis diesmal annehmen?
Bisher ist noch unklar, wie Papst Franziskus auf das Rücktrittsangebot Kardinal Woelkis reagieren wird.
Woelki hatte bereits im Dezember 2020 den Papst gebeten, Vertuschungsvorwürfe zu prüfen, wie CNA Deutsch berichtete. Der Kardinal hatte bereits damals angekündigt, Verantwortung zu übernehmen, und der Papst ihn jedoch im Amt bestätigt.
In der jüngeren Vergangenheit hatte der Pontifex bei Experten für Verwunderung gesorgt, nachdem er sowohl weder den Rücktritt des Hamburger Erzbischofs Stefan Heße angenommen hat, noch das Rücktrittsangebot des Münchener Erzbischofs, Kardinal Reinhard Marx.
Sowohl Marx als auch Heße ist – im Gegensatz zu Kardinal Woelki – Fehlverhalten bei der Aufarbeitung von Missbrauch nachgewiesen worden. Papst Franziskus hatte Kardinal Marx sogar noch bestärkt, sein Amt weiter auszuüben, indem er dem Erzbischof von München und Freising in einem persönlichen Brief unter anderem schrieb:
"Mach weiter, so wie Du es vorschlägst, aber als Erzbischof von München und Freising. Und wenn Du versucht bist, zu denken, dass dieser Bischof von Rom (Dein Bruder, der Dich liebt), indem er Deine Sendung bestätigt und Deinen Rücktritt nicht annimmt, Dich nicht versteht, dann denk an das, was Petrus im Angesicht des Herrn hörte, als er ihm auf seine Weise seinen Verzicht anbot: 'Geh weg von mir, denn ich bin ein Sünder' – und die Antwort hörte 'Weide meine Schafe'."
Marx selbst hatte einen weiteren Rücktrittsversuch nicht ausgeschlossen. Auf der anderen Seite sorgte Papst Franziskus erst im vergangenen Dezember für Aufsehen, als er den Rücktritt des Pariser Erzbischofs Michel Aupetit annahm, der angeblich eine Beziehung mit einer Frau unterhalten haben soll, bevor er Erzbischof von Paris wurde, wie CNA Deutsch berichtete.
Wenig später räumte der Pontifex in einem Interview ein, er habe den Rücktritt von Aupetit "nicht auf dem Altar der Wahrheit, sondern auf dem Altar der Heuchelei" angenommen (CNA Deutsch hat berichtet). Der Erzbischof sei zurückgetreten, weil er "seinen Ruf so öffentlich verloren" habe.
Es ist Vatikan-Beobachtern zufolge deshalb momentan noch ungewiss, ob Papst Franziskus im Falle des Kölner Erzbischofs nun so handelt wie bei Kardinal Reinhard Marx und Erzbischof Stefan Heße und Woelki dazu auffordert, sein Amt weiterhin auszuführen, oder ob er – wie beim Pariser Erzbischof – Woelkis Rücktritt annimmt mit Verweis auf dessen "öffentlichen Ruf".
Nach Vatikanischer Visitation: Lob für Woelkis Umgang mit Missbrauchsaufarbeitung, Kritik an Kommunikation
Im September 2021 hatte Papst Franziskus den Kölner Erzbischof noch im Amt bestätigt. Dieser Entscheidung war eine Apostolische Visitation im Erzbistum Köln vorangegangen, die im Juni 2021 zu Ende ging. Zuvor hatte ein im März vorgestelltes Missbrauchsgutachten Kardinal Woelki entlastet (CNA Deutsch hat berichtet), wohingegen die Weihbischöfe Ansgar Puff und Dominik Schwaderlapp vorläufig freigestellt wurden.
Bei der anschließenden Visitation hatten Kardinal Anders Arborelius von Stockholm und Bischof Johannes van den Hende von Rotterdam den Auftrag, "eventuelle Fehler" von Kardinal Rainer Maria Woelki, Erzbischof Stefan Heße von Hamburg, sowie der Kölner Weihbischöfe Dominikus Schwaderlapp und Ansgar Puff im Umgang mit Fällen sexuellen Missbrauchs untersuchen.
Im Fall Hamburger Erzbischofs hatte der Vatikan mitgeteilt, Stefan Heßes Amtsverzicht nicht anzunehmen (CNA Deutsch hat berichtet).
In der Mitteilung des Heiligen Stuhls hieß es, die Visitation habe keine Hinweise dafür gefunden, dass Kardinal Woelki "im Umgang mit Fällen sexuellen Missbrauchs rechtswidrig gehandelt" habe. Ausdrücklich lobt der Vatikan den Aufklärungswillen des Kölner Erzbischofs:
"Die Behauptungen, der Kardinal habe, insbesondere durch das anfängliche Zurückhalten einer ersten Studie, vertuschen wollen, wird durch die inzwischen publizierten Fakten und die durch den Heiligen Stuhl geprüften Dokumente widerlegt. Die Entschlossenheit des Erzbischofs, die Verbrechen des Missbrauchs in der Kirche aufzuarbeiten, sich den Betroffenen zuzuwenden und Prävention zu fördern, zeigt sich nicht zuletzt in der Umsetzung der Empfehlungen der zweiten Studie, mit der er bereits begonnen hat."
Allerdings habe Woelki "in der Herangehensweise an die Frage der Aufarbeitung insgesamt, vor allem auf der Ebene der Kommunikation, auch große Fehler gemacht", so der Heilige Stuhl. Dies habe dazu beigetragen, dass es im Erzbistum Köln zu einer "Vertrauenskrise" gekommen sei.
Missbrauchsbetroffener: "Woelki wollte zwischenzeitlich alles hinschmeißen"
Durch die Kritik von verschiedenen Medienvertretern, sowie kirchlichen Gruppen und vereinzelten Bischöfen wurden bereits früh Rücktrittsforderungen an Kardinal Woelki gerichtet. Beobachter und Vertraute aus dem näheren Umfeld des Kardinals sprachen von einer "medialen Hetzjagd" auf den Kölner Erzbischof, der sich auch nach der Veröffentlichung des Kölner Missbrauchsgutachtens weiterhin mit Rücktrittsforderungen und Kampagnen gegen ihn konfrontiert sah, obwohl ihn sowohl das Missbrauchsgutachten, als auch die Visitatoren des Vatikan von Fehlverhalten im Umgang mit Missbrauchstätern freisprachen.
Peter Bringmann-Henselder, der als Mitglied des Kölner Betroffenenbeirats eng mit den Bistumsverantwortlichen zusammenarbeitet und nach eigenen Angaben einen "engen Kontakt" zum Kardinal pflegt, sagte in einem Interview mit dem katholischen Fernsehsender EWTN.TV (hier zum Video), die Medienattacken und Rücktrittsforderungen haben dem Kölner Erzbischof so sehr zugesetzt, dass er sich zwischenzeitlich in einer Situation befunden hatte, in der er "am liebsten alles hinschmeißen würde". Bringmann-Henselder wörtlich:
"Wir haben ihm dann gesagt: Nein, wir gehen den Weg gemeinsam, bis das Gutachten da ist und dann sehen wir, ob wir Recht haben oder nicht."
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