Vatikanstadt - Dienstag, 18. Januar 2022, 9:15 Uhr.
Fast 60 Organisationen haben einen Artikel kritisiert, der letzte Woche in der vom Vatikan mitverantworteten Jesuitenzeitschrift "La Civiltà Cattolica" veröffentlicht wurde und die Verabschiedung eines italienischen Gesetzes zur Legalisierung des assistierten Suizids unterstützt.
Eine Gruppe von 57 Vereinigungen, die meisten davon mit Sitz in Italien, haben eine Erklärung unterzeichnet, in der sie sich gegen den Artikel eines Jesuitenpaters aussprechen, dessen Titel "Die parlamentarische Diskussion über 'assistierten Suizid'" trägt.
Der Artikel erschien in der Ausgabe der Zeitschrift vom 15. Januar, und wurde bereits am 13. Januar online veröffentlicht.
"La Civiltà Cattolica", die 1850 gegründet wurde und zweimal im Monat erscheint, wird von den Jesuiten in Rom herausgegeben – und vor der Veröffentlichung vom Staatssekretariat geprüft udn genehmigt. Dessen Leiter ist Kardinal Pietro Parolin.
Die Zeitschrift trägt somit in der öffentlichen Wahrnehmung einen Stempel der Zustimmung des Vatikans – zumal auch Papst Franziskus ein Jesuit ist, und der leitende Redakteur der Publikation, Pater Antonio Spadaro SJ, als Vertrauter des Pontifex bezeichnet worden ist.
"Wir können nicht von einem Artikel überzeugt sein, der heute in La Civiltà Cattolica zum Thema Sterbehilfe-Regelung veröffentlicht wurde", heißt es in der Erklärung vom 13. Januar.
"Es ist in der Tat erstaunlich, dass eine maßgebliche Publikation, von der man ein Echo des kirchlichen Lehramtes erwartet, Positionen behauptet, die – wenn auch indirekt – in der Tat jener 'Kultur des Wegwerfens' das Feld überlassen könnten, vor deren negativen Auswirkungen Papst Franziskus ständig warnt."
In der Erklärung argumentieren die Organisationen, dass der Gesetzentwurf zur Sterbehilfe auch eine Öffnung für die Legalisierung der Euthanasie in Italien darstellt.
"Der Schutz des Lebens und die Unterstützung derer, die leiden, ist ein Kampf der Vernunft und der Zivilisation, der daher jeden betreffen sollte und sicherlich diejenigen bewegen sollte, die das Ideal einer katholischen Zivilisation im Namen tragen", heißt es in der Erklärung weiter.
In dem Artikel argumentiert der Jesuitenpater Carlo Casalone, der Mitglied der Päpstlichen Akademie für das Leben und Moraltheologie an der von Jesuiten betriebenen Päpstlichen Universität Gregoriana unterrichtet, dass das geplante Referendum über Euthanasie und Sterbehilfe in Italien seiner Meinung nach Anlass zu ernster Besorgnis gibt und ein Grund für die Gesetzgeber ist, einen Gesetzesentwurf zur Sterbehilfe zu unterstützen.
Das Referendum, das den assistierten Suizid für Erwachsene entkriminalisieren soll, hat laut Casalone einen "großen Fehler".
Sowohl der assistierte Suizid als auch die Euthanasie sind in Italien illegal. Das Strafrecht besagt, dass "jeder, der den Tod eines Menschen mit dessen Zustimmung herbeiführt, mit einer Freiheitsstrafe von sechs bis fünfzehn Jahren bestraft wird".
"Das Anliegen [des Referendums] ist die Aufhebung der entsprechenden Strafen, außer in Fällen von Minderjährigkeit, Geisteskrankheit oder Gewissensbissen und einer durch Täuschung oder Gewalt erpressten Zustimmung", schrieb Casalone. "Das Ergebnis wäre, den Mord zu erlauben, ohne ihn an andere Bedingungen zu knüpfen als die, die die Gültigkeit der Einwilligung garantieren".
Casalone schreibt, dass es keine Garantie dafür gebe, dass im Falle einer Annahme des Referendums weitere gesetzliche Auflagen gemacht würden, die es selbst einer gesunden Person erlauben würden, medizinisch unterstützten Suizid zu begehen, nachdem sie die Voraussetzung der Zustimmung erfüllt hat.
Der Jesuitenpater widerspricht damit der Warnung vor einem Dammbruch, den Experten angesichts der Entwicklung in zahlreichen Ländern etwa in Österreich ausgesprochen haben.
Sollte das italienische Gericht die Abstimmung über das Referendum zulassen, geht Casalone davon aus, dass es in der italienischen Öffentlichkeit angesichts der großen Zahl von Unterschriften zur Unterstützung des Referendums eine große Unterstützung geben wird.
Die Petition für das Referendum hatte über 1,2 Millionen Unterschriften, als sie im Oktober 2021 beim Obersten Gerichtshof Italiens eingereicht wurde.
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Pater Casalone argumentiert, dass der Gesetzentwurf zur Sterbehilfe, über den das Parlament im Februar abstimmen soll, ein Weg sein könnte, um sicherzustellen, dass das Gesetz Bedingungen für seine Anwendung enthält.
"Zum jetzigen Zeitpunkt könnte die PdL [Gesetzesvorlage] ein Hindernis darstellen, wenn auch unvollkommen und selbst problematisch", sagte er.
Die Debatte über das Gesetz begann Mitte Dezember in der italienischen Abgeordnetenkammer und wird voraussichtlich im Februar zur Abstimmung kommen.
Die Gegner der Beihilfe zum Suizid und der Sterbehilfe in Italien, darunter die Pro-Life- und Pro-Familia-Gruppe Pro Vita e Famiglia, hoffen dagegen, dass das Gesetz abgelehnt wird.
In seinem "Civiltà Cattolica"-Artikel stellt Casalone die Frage, ob das Gesetz zur Sterbehilfe "ein akzeptables 'unvollkommenes' Gesetz" sei.
Daraus bastelt er ein relativistisches Argument: Der Jesuitenpater räumt zwar ein, dass das zur Diskussion stehende Gesetz von der Lehre der katholischen Kirche über die Illegalität der Sterbehilfe "abweicht", schlägt aber vor, dass das Gesetz "toleriert" werden könnte, wenn es "durch die Funktion der Einfriedung angesichts eines möglichen schwereren Schadens motiviert ist".
Casalone schreibt auch: Er glaube zudem, dass eine Ablehnung des Gesetzes oder die Untätigkeit des Gesetzgebers der Glaubwürdigkeit der italienischen Institutionen "in einem bereits kritischen Moment" einen weiteren Schlag versetzen würden.
"In der gegenwärtigen kulturellen und sozialen Situation scheint es dem Verfasser, dass die Unterstützung dieser PdL [Gesetzesvorlage] nicht im Widerspruch zu einem verantwortungsvollen Streben nach dem möglichen Gemeinwohl steht", formuliert Casalone dazu.
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Übersetzt und redigiert aus dem Original der CNA Deutsch-Schwesteragentur.